Das Bild zeigt die Spieler Deniz Undav und Erling Haaland. Deniz Undav trägt ein rotes Trikot und jubelt vor einem blauen Hintergrund. Auf der anderen Seite des Bildes ist Erling Haaland in einem blauen Manchester City Trikot zu sehen

Fußball-Scouting mit Künstlicher Intelligenz

Wenn Fußball zur Mathematik wird: Ist Deniz Undav besser als Haaland?

Stand
Autor/in
Ramón Weinreich, Patrick Bauser

Immer mehr Fußballvereine setzen beim Scouting von neuen Spielern auf Künstliche Intelligenz. Dabei kommt die KI teils zu verblüffenden Ergebnissen. Wie gut ist die neue Technologie wirklich?

Es ist der Wunsch eines jeden Vereins: Endlich den neuen Star-Spieler verpflichten, der nicht nur wenig kostet, sondern auch direkt eine Verstärkung ist. Möglichst hoher Ertrag also, mit dem kleinstmöglichen Risiko. Fußball wird immer mehr zur Mathematik. Entscheidend für ein geringes Risiko bei Neuverpflichtungen von Spielern ist das Scouting - also die Sichtung und Beurteilung von Spielern. Je besser ein Spieler analysiert wird, desto besser kann er auch eingeschätzt werden.

Wie funktioniert das Scouting mit Künstlicher Intelligenz?

An diesem Punkt kommt nun die Künstliche Intelligenz zum Einsatz. Vereinfacht gesagt wertet die KI Daten aus und nimmt dann auf Basis dessen eine Einschätzung der Spieler vor. Genau das ist auch die Aufgabe von Scouts. Ein menschlicher Scout legt bestimmte Kriterien fest, bevor ein Spieler beobachtet wird.

Auch der KI wurden zu Beginn bestimmte Regeln beigebracht. Zum Beispiel, dass es besser ist, wenn ein Spieler einen Zweikampf gewinnt als wenn er ihn verliert. Da Profispieler seit Jahren beim Training und in den Spielen ständig getracked werden, liegen der KI bereits zahlreiche Daten vor. Auf dieser Grundlage kann das Tool dann eine Einschätzung von Spielern vornehmen.

Das KI-Software-Unternehmen "SCOUTASTIC" arbeitet schon seit einiger Zeit mit Vereinen aus der Bundesliga zusammen. Christian Rümke von "SCOUTASTIC" erklärt, dass das KI-System nicht nur auf reine Spieler-Daten zurückgreift, sondern auch Texte auswerten kann: "Viele kluge Scouts fahren herum und schreiben jedes Wochenende tausende Berichte", sagt Rümke. Da sei es schwer den Überblick zu bewahren und drei Jahre später noch zu wissen, was damals in den Bericht geschrieben wurde.

Kann die KI Spieler besser einschätzen als der Mensch?

Auch die Firma "Plaier" hat eine KI entwickelt, die Fußballvereinen dabei helfen soll, den passenden Spieler zu finden. Jan Wendt, einer der Gründer von "Plaier", gibt an, dass die KI mit ihren Spieler-Einschätzungen häufiger richtig liegt als der Mensch: "Wenn du mit uns zehn Spieler aussuchst, dann liegen wir 8,5-mal richtig, was viel besser ist, als wenn du es mit menschlichen Mitteln machen würdest".

Wendt meint damit, dass die KI mindestens acht Mal richtig liegen würde, wenn man mit ihr zehn Spieler aussucht. Solch eine Quote würden sich sicherlich auch viele Scouts wünschen. Wendt sagt, dass es hier auf den Einzelfall ankomme und manche Vereine gut scouten würden, andere weniger. Er betont dabei, dass es aber auch gar nicht darum gehe, das Scouting in Richtig und Falsch einzuordnen.

Das Tool sei eine Unterstützung für die Scouts. "Aber wenn du konsequent darauf gehst, dass Spieler durch unseren Filter durch müssen und nur Spieler nimmst, die wir als geeignet ansehen und den Verein besser machen, verbessert sich die Scouting-Quote super", sagt Wendt.

KI-Tool erstellt für jeden Spieler einen KI-Score

Das Tool von "Plaier" ordnet jedem Spieler einen sogenannten KI-Score zu. Dieser errechnet sich aus den Daten, welche die KI über den jeweiligen Spieler gesammelt hat. "Ein Stürmer wird natürlich mit anderen Kriterien bewertet als ein Innenverteidiger", gibt Wendt zu verstehen.

Insgesamt werde die Leistung des Spielers mit über 200 Parametern gemessen und auch der Einfluss des Spielers auf die mannschaftliche Leistung würde in die Bewertung miteinfließen, erklärt der "Plaier"-Chef. Der Score kann dann als Vergleichsparameter verwendet werden, um Spieler weltweit miteinander zu vergleichen.

KI-Tool stuft Deniz Undav besser ein als Erling Haaland

In einem beispielhaft durchgespielten Scouting-Szenario zeigt Wendts KI, dass Stuttgarts Stürmer Deniz Undav besser eingeschätzt wird als Erling Haaland. Wendt erklärt, dass Undav nach Ansicht der KI der etwas komplettere Stürmer sei, da er vor allem bei der Arbeit gegen den Ball bessere Werte erziele.

Das Bild zeigt einen Vergleich der offensiven Fähigkeiten der Spieler Deniz Undav und Erling Haaland nach Einschätzung der KI. Deniz Undav schneidet dabei etwas besser ab.
Nach der Datenauswertung der KI erreichen sowohl Haaland als auch Undav bei den Parametern Schießen und offensives Stellungsspiel Bestwerte. Undav wird allerdings bei fast allen anderen offensiven Parametern besser eingeschätzt im Vergleich zu Haaland. Der Norweger übertrumpft Undav lediglich beim Umschaltspiel. Quelle: Plaier Bild in Detailansicht öffnen
Das Bild zeigt einen Screenshot vom Profil des Spielers Erling Haaland, das von der KI-Scouting-Software Plaier erstellt wurde.
Erling Haaland erreicht laut der KI einen Score von 6283 und liegt damit knapp unter Deniz Undav (KI-Score von 6374). Des Weiteren zeigt die Grafik auch, dass Deniz Undav besser als Harry Kane ist, wenn es nach der KI geht. Quelle: Screenshot Plaier Bild in Detailansicht öffnen
Das Bild zeigt einen Screenshot von einem Spielerprofil, das von der KI-Scouting-Software Plaier erstellt wurde.
In der linken Tabelle ist der durchschnittliche "KI-Score" aller Erst- und Zweitligisten auf der Stürmerposition zu sehen. Der FC Bayern München erreicht hier nur den drittbesten Wert. Das liegt daran, dass hier nicht nur Harry Kane, sondern auch Spieler wie Eric-Maxim Choupo-Moting oder Mathys Tel in den Durchschnittswert miteinfließen. Deniz Undav liegt mit seinem "KI-Score" über den Durchschnittswerten aller Bundesligisten und wäre damit für alle eine Verstärkung. Quelle: Screenshot Plaier Bild in Detailansicht öffnen
Das Bild zeigt einen Screenshot vom Spielerprofil von Deniz Undav, das von der KI-Scouting-Software Plaier erstellt wurde.
Die Grafiken zeigen, dass Deniz Undav von der KI einen höheren Score erhält als Harry Kane. Laut Künstlicher Intelligenz zählt Undav nicht nur im Sturm zu den besten Spielern der Liga. Auch im Vergleich zu Spielern auf anderen Positionen ist Deniz Undav nach Einschätzung der KI deutlich besser als der durchschnittliche Bundesliga-Spieler und der durchschnittliche Bayern-Spieler. Quelle: Screenshot Plaier Bild in Detailansicht öffnen

Grenzen der Künstlichen Intelligenz im Scouting

Auch wenn die KI nach der Berechnung der Daten zum Ergebnis kommt, dass Deniz Undav besser ist als Erling Haaland, lässt sich das natürlich nicht komplett belegen. Beide spielen in unterschiedlichen Vereinen und in unterschiedlichen Ligen.

So könnte beispielsweise auch der Trainer oder das persönliche Umfeld des Spielers die Leistung beeinflussen. Das heißt, bei einem Wechsel von Undav zu einem anderen Verein und einem anderen Trainer, könnte es sein, dass er auch nicht mehr so gut performt.

"Da stößt die KI einfach auf Grenzen. Und dann wirklich zu sagen der Spieler passt genau in dieses System, zu diesem Trainer, in dieses Umfeld, wo er sich wohl fühlt. Das sind einfach so viele Faktoren, wo die KI sicherlich jetzt schon unterstützen kann aber aktuell noch nicht alles zusammenbringt", erklärt auch Christian Rümke von "SCOUTASTIC".

KI als hilfreiche Unterstützung, um Spieler zu scouten

Trotz allem lässt sich festhalten, dass Künstliche Intelligenz das Scouting im Fußball verändert. Eine Entscheidungshilfe zu haben, die komplett datenbasiert ist und keine persönlichen Präferenzen miteinbringt, ist sicherlich von Vorteil. Außerdem nimmt sie Vereinen und Scouts einen Großteil der Arbeit ab und kann vor allem helfen, Spieler in kleineren Ligen im Ausland zu scouten, die sonst vielleicht gar nicht auf der Liste der Vereine wären.

Sowohl "Plaier" als auch "SCOUTASTIC" betonen, dass die KI keinen Scout der Welt ersetzt. "Wir sehen uns da eher als Unterstützung und als Hilfe, fundierte Entscheidungen zu treffen. Wir haben nicht den Anspruch, Spielertransfers zu tätigen", so Rümke.

Am Ende muss immer noch ein Mensch die Entscheidung treffen und dabei kommt es eben nicht nur auf Daten und mathematische Zusammenhänge an, sondern auf ein menschliches Gefühl und eine persönliche Einschätzung, ob der Spieler in die Mannschaft passt oder nicht.

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