Pillen mit der Aufschrift "Reform" sind aneinandergereiht. (Foto: dpa Bildfunk, CHROMORANGE / Bilderbox)

Kommentar

Zusatzausbildung "Homöopathie" für Ärzte abschaffen

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Veronika Simon
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Lilly Zerbst

In Baden-Württemberg wird über Homöopathie gestritten: Der Beschluss der Landesärztekammer, die Zusatzbezeichnung "Homöopathie" aus der Weiterbildungsordnung zu streichen, stößt auf Widerstand seitens der Politik. Ist der Entschluss sinnvoll? Ein Kommentar von SWR Wissenschaftsredakteurin Veronika Simon.

Ärztinnen und Ärzte in Baden-Württemberg sollen in Zukunft nicht mehr die Zusatzbezeichnung "Homöopath" erwerben dürfen. Zwölf von siebzehn Landesärztekammern haben bereits so entschieden. Einen entsprechenden Beschluss des Deutschen Ärztetags gibt es auch.

Doch Gesundheitsminister Lucha hält die Entscheidung für falsch, er glaubt an die Wirksamkeit von Homöopathie. Am Ende muss sein Ministerium entscheiden, ob die Streichung der Zusatzbezeichnung aus der Weiterbildungsordnung in Kraft tritt.

Was könnte sich durch den Beschluss ändern?

Es wirkt wie eine Formalität: Geht der Beschluss der Landesärztekammer durch, steht auf dem Praxisschild der Ärzte dann nicht mehr: Facharzt für Allgemeinmedizin, Zusatzqualifikation Schlafmedizin und Homöopathie, sondern eben nur noch Schlafmedizin.

Globuli und homöopathische Salben dürfen weiterhin verschrieben werden, die Krankenkassen dürfen auch weiterhin die Kosten übernehmen. Wer seine homöopathischen Mittel haben will, kommt weiter dran: Also, was soll der Terz?

Es geht hier um die Sonderbehandlung, die die Homöopathie genießt. Denn bis heute ist es nicht gelungen, wissenschaftlich nachzuweisen, dass die Kügelchen irgendeinen spezifischen Effekt haben. Dabei wurde ausgiebig nach so einem Nachweis gesucht – aber sobald man den gleichen wissenschaftlichen Standard anlegt wie an alle anderen Medikamente, bleibt es bei dem Ergebnis: Homöopathie wirkt nicht, zumindest nicht mehr als Würfelzucker, solange man an dessen Wirkung glaubt.

Globuli-Kügelchen werden aus einem Fläschchen in eine Hand geschüttet. (Foto: IMAGO, IMAGO / Petra Schneider)
Die bekannten kügelförmigen Globuli bestehen meist ausschließlich aus Saccharose, also aus Haushaltszucker. Eine medizinische Wirksamkeit, die über den Placebo-Effekt hinaus geht, konnte wissenschaftlich nicht festgestellt werden.

Zusatzbezeichnung suggeriert fälschliche Seriosität

Man könnte sagen: Ist doch egal, wenn jemand gerne Zückerchen schlucken will, soll er das tun. Und ja, das stimmt, das ist sein oder ihr Privatvergnügen. Der Unterschied ist: Es gibt keinen Arzt für Würfelzuckerkunde und Würfelzucker wird auch nicht hinter dem Tresen der Apotheke verkauft mit tollen lateinischen Namen. Niemand tut so, als sei das ein ernstzunehmendes Medikament. Bei homöopathischen Mitteln ist das anders.

Die Zusatzqualifikation „Homöopathie“ ist nur ein Beispiel davon, aber ein wichtiges: Denn diese Pseudomedizin bekommt so einen seriösen Anstrich, wird sie doch in eine Reihe gestellt mit echten wissenschaftlichen Disziplinen wie Schlafmedizin, Diabetologie oder Allergologie. Da gehört sie nicht hin, das führt Patientinnen und Patienten in die Irre.

Dementsprechend ist die langfristige Abschaffung dieser Zusatzbezeichnung für Medizinerinnen und Mediziner aus meiner Sicht absolut sinnvoll, eigentlich kann man nur hoffen, dass bald die Krankenkassen und Apotheken mitziehen und der Homöopathie ihre Sonderbehandlung entziehen. Das wäre ein "JA" zu evidenzbasierter Medizin, die verpflichtet ist, ehrlich auf ihre Methoden zu schauen: Welche wirken, welche nicht, wie ist die beste Behandlung und kann ich das in Studien beweisen?

Aufschrift "Homöopathie" als Reklame an einer Apotheke. (Foto: IMAGO, IMAGO / Silke Heyer)
Mehr als 54 Prozent der detuschen Erwachsenen haben Erfahrung mit Homöopathie. Das ergibt eine forsa-Umfrage aus dem Jahr 2021. Auch dass homöopathische Produkte neben nachweislich wirksamer Arznei verkauft wird, vermittelt eine nicht vorhandene Wissenschaftlichkeit der Produkte.

"Nein" zur Homöopathie ist "Ja" zur Wissenschaft

Das einzig Schlechte an der Streichung für mich persönlich: Als Patientin war es sehr praktisch, wenn am Praxisschild die Zusatzqualifikation „Homöopathie“ stand. Ein klares Warnsignal, dann wusste ich direkt: Hier wird das mit der wissenschaftlichen Grundlage meiner Behandlung nicht so ernst genommen, den Besuch kann ich mir sparen.

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