Schüler wischt "Lockdown"-Aufschrift von Tafel (Foto: IMAGO, IMAGO / Eibner)

Kommentar

Schulöffnung: Lüften, Masken tragen und kein Plan

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AUTOR/IN
Stefan Troendle
ONLINEFASSUNG
Franziska Ehrenfeld

Schulöffnungen ab übernächster Woche für Klasse 5 und 6 in Baden-Württemberg. Aber wie sieht es aus mit dem Infektionsrisiko? Was hat sich seit Beginn der Pandemie getan? Nicht viel, findet SWR-Wissenschaftsredakteur Stefan Troendle, der Vater einer 13 Jahre alten Tochter ist.

Natürlich sollten wir die Schulen wieder öffnen. Am besten morgen. Unsere Kinder verkümmern, seelisch und körperlich. Kinder und Jugendliche sollen wieder das tun dürfen, was Kinder und Jugendliche gerne tun. Spielen, Toben, Freunde treffen... Die wichtigsten Kontakte dazu werden bekanntlich in der Schule geknüpft. Aber das als Argument zu nehmen, Infektionsrisiken einfach beiseite zu schieben, ist viel zu kurz gedacht.

Wertvolle Zeit wurde verspielt

Um es klar zu sagen: Es gibt keine Schutz- und Hygienekonzepte, die diesen Namen wirklich verdienen, obwohl es sie ein Jahr nach Beginn der Pandemie durchaus geben könnte und müsste. Aber in Baden-Württemberg besteht das Konzept für Präsenzunterricht in Schulen weiterhin aus Lüften und Maskentragen, aufgehängt an politisch festgelegten Inzidenzwerten.

Zwei Schüler mit dicken Jacken im Unterricht (Foto: IMAGO, IMAGO / Eibner)
Masken tragen, regelmäßig lüften und zum Aufwärmen in die Hände klatschen. So sah das Hygienekonzept an Schulen lange aus.

Abstand: Fehlanzeige, wenn es keinen Wechselunterricht gibt. Im Bezug auf die Wiederaufnahme des Unterrichts für die fünften und sechsten Klassen steht Wechselunterricht aber wohl noch gar nicht fest. Wie zu hören war, sollen Konzepte jetzt schnell erarbeitet werden. Vorher war ja keine Zeit da: Was für ein Armutszeugnis. Und wie auch zu hören ist, sollen diese Schüler jetzt wohl alle in die Schule kommen, aber zur Hälfte in verschiedenen Klassenzimmern sitzen. Wie man das dann mit den Lehrern und der Aufsichtspflicht macht, das dürfen die Schulen selber regeln.

Eine Lösung: Hybridunterricht

Dabei wäre die Lösung so einfach: Hybridunterricht – die Hälfte im Klassenzimmer, die Hälfte zuhause per Video, täglicher Wechsel – nur müsste man dafür eben technische Voraussetzungen schaffen. Vor allem eine schnelle Internetanbindung. Aber die gibt es ein Jahr nach Beginn der Pandemie immer noch nicht. Das kostet eben Geld.

Ich kann mich dunkel daran erinnern, dass für die Rettung der Lufthansa mal kurz 9 Milliarden Euro übrig waren. Vielleicht sind auch Luftfilter- und Belüftungsgeräte einfach nur zu teuer. Da kommt nämlich in schöner Regelmäßigkeit die Begründung, die würden nichts bringen. Dass die aber durchaus was bringen können, zeigen Schulen in Mainz, die in Zusammenarbeit mit der Stadt sehr einfache und preisgünstige Lüftungsanlagen selbst gebaut haben. Die sind zwar nicht zu 100 Prozent wirksam, aber sie sind eines von vielen Mitteln, Schulen sicherer zu machen. Das Beispiel aus Mainz zeigt auch, dass Politiker durchaus etwas bewirken können, wenn sie es wollen.

Lehrerin vor beschriebener Tafel mit Maske und dicker Jacke (Foto: IMAGO, IMAGO / imagebroker)
Lehrer und Lehrerinnen sollen künftig regelmäßig getestet werden. Schülerinnen und Schüler aber nicht.

Im Kultusministerium in Stuttgart, so scheint es, sitzt jemand, der nicht will. Das sieht man auch an Schnelltests. Stand jetzt will Kultusministerin Eisenmann Lehrerinnen und Lehrer regelmäßig testen lassen, aber wohl nicht die Schülerinnen und Schüler, diejenigen also, die die möglichen Infektionen nach Hause in die Familien tragen. Wenn wir gerade hören, dass sich Corona-Mutanten immer weiter verbreiten und in Baden-Württemberg offenbar schon bis zu 50 Prozent aller Fälle ausmachen, dann ist das grob fahrlässig.

Studien werden nach Lust und Laune ausgelegt

In Österreich müssen alle Kinder zwei mal pro Woche einen Schnelltest machen, bei uns bisher nicht. Stattdessen wird mit schöner Regelmäßigkeit eine Studie aus Heidelberg zitiert, der zufolge Kinder angeblich keine Infektionstreiber sind. Spätestens seit dem Superspreader-Event in der Freiburger Kita ist klar, dass das nicht stimmen kann, dass es auch andere Studien gibt, die etwas ganz anderes sagen, wird nicht erwähnt.

Die Infektionszahlen gehen gerade wieder hoch, mein Heimatlandkreis hat ab heute wieder eine Ausgangssperre verhängt. Manchmal frage ich mich, beim Einschlafen, ob meine Tochter nach Stuttgart fahren und beim Kultusministerium klingeln soll, wenn meiner Frau oder mir etwas passiert. Aber vermutlich heißt es dann an der Pforte, man sei nicht zuständig.

Jugendliche steigen in Bus ein (Foto: IMAGO, IMAGO / 7aktuell)
Nicht nur in den Schulen, sondern auch auf dem Weg dorthin haben viele Schülerinnen und Schüler zahlreiche Kontakte.
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Stefan Troendle
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Franziska Ehrenfeld