Medizinethik

Kommentar: Corona-Impfpflicht – nein danke!

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AUTOR/IN
Stefan Troendle
ONLINEFASSUNG
Ralf Kölbel

Griechenland und Frankreich führen eine Corona-Impfpflicht für Gesundheitspersonal ein. Ist eine berufsbezogene Impfpflicht in Deutschland auch sinnvoll und ethisch vertretbar? Ein Kommentar von Stefan Troendle aus der SWR-Wissenschaftsredaktion.

Natürlich können unsere Regierungen Menschen zum Schutz der Allgemeinheit dazu verpflichten, Masken zu tragen. So etwas ist absolut zumutbar – und bringt ja auch was, wie wir an den noch niedrigen Inzidenzen erkennen können.

Bei Impfungen ist das nicht so: Eine Impfung ist ein medizinischer Eingriff. Kein Staat sollte seine Bürger dazu zwingen. Ich finde, so etwas muss immer die Abwägung des oder der einzelnen bleiben. Wenn Menschen sich unsicher fühlen, lieber abwarten wollen, dann müssen wir das verstehen, auch wenn es uns vielleicht nicht gefällt oder unlogisch klingt. Das ist Vielfalt in unserer Demokratie, die auch Ängste einzelner akzeptieren muss.

In Frankreich und Griechenland kommt die Corona-Impfpflicht für medizinische Berufe. In Deutschland ist das zumindest momentan noch nicht geplant. (Foto: IMAGO, imago images/Jochen Eckel)
In Frankreich und Griechenland kommt die Corona-Impfpflicht für medizinische Berufe. In Deutschland ist das zumindest momentan noch nicht geplant.

Impfpflicht könnte Vertrauensverlust in die Politik zur Folge haben.

An dieser Stelle ein Wort an die Impfgegner und Stimmungsmacher (die auch noch ganz andere Probleme haben): Ihr seid hier definitiv nicht gemeint! Eine Impfpflicht würde übrigens genau dieser Klientel Auftrieb geben und alle bisherigen Aussagen der Politik unglaubwürdig machen. Einen derartigen Vertrauensverlust kann sich unser Land nicht leisten.

Eine Impfpflicht in Deutschland –auch für einzelne Berufsgruppen – könnte das Vertrauen in die deutsche Politik erschüttern. (Foto: IMAGO, imago images/Müller-Stauffenberg)
Eine Impfpflicht in Deutschland – auch für einzelne Berufsgruppen –könnte das Vertrauen in die deutsche Politik erschüttern.

Einsicht und Verständnis zum Schutz der Gemeinschaft

Was ganz anderes sind Einsicht und Verständnis. Man kann sich schon fragen, was von einem Arzt zu halten ist, der Impfungen ganz grundsätzlich ablehnt. Von Menschen, die sich nicht impfen lassen, kann man, finde ich, auch erwarten, dass sie sich anstrengen, die Gemeinschaft eben anders zu schützen – durch mehr Tests, durch Masken, durch Rücksichtnahme; das alles auch gerne verpflichtend. Das gilt insbesondere für diejenigen, die mit Menschen arbeiten, die sich nicht impfen lassen können (oder noch nicht), Kita-Personal zum Beispiel.

Tests und weitere Maßnahmen werden zur Eindämmung der Pandemie wohl auch künftig zum Schutz der Gemeinschaft notwendig sein. (Foto: IMAGO, imago images/Bihlmayerfotografie)
Tests und weitere Maßnahmen werden zur Eindämmung der Pandemie wohl auch künftig zum Schutz der Gemeinschaft notwendig sein.

Impf-Logistik in Deutschland eine Zumutung

Und: Wer Impfungen ablehnt, muss bereit sein, Einschränkungen hinzunehmen – angefangen vom Kinobesuch bis hin zum Urlaubsflug. In Frankreich haben sich nach der Macron-Rede gestern eine Million Menschen einen Impftermin besorgt. Das zeigt: Impfen hat auch mit Bequemlichkeit zu tun. Ich selbst bin zum Beispiel zweimal von Baden-Baden nach Meßstetten auf der Alb gefahren, um mich impfen zu lassen – pro Strecke knapp 200 Kilometer und ich kenne Menschen, die einen noch weiteren Weg auf sich genommen haben. Sowas ist aber sicher nicht die Regel.

Die Suche nach einem Impftermin war und ist vielerorts eine absolute Zumutung und erinnert – am Beispiel Baden-Württemberg – an die Szene aus dem Asterix-Film mit dem Haus, das Verrückte macht. Darin werden Asterix und Obelix für ein Antragsformular kreuz und quer durch einen Gebäudekomplex von einem Beamten zum nächsten geschickt – und keiner ist zuständig. Wer über Impfpflichten reden will, muss Impfungen also erst mal möglich machen.

Die Vergabe der Impftermine war in Deutschland bislang viel zu kompliziert und umständlich.  (Foto: IMAGO, imago images/Jochen Eckel)
Die Vergabe der Impftermine war in Deutschland bislang viel zu kompliziert und umständlich.

Regierung sollte für Verbesserungen bei der Organisation von Impfungen sorgen

Dieser digitale Offenbarungseid hat nämlich viele Menschen abgeschreckt. Geimpft werden muss da, wo die Menschen sind. Im Supermarkt zum Beispiel oder im Verein – begleitet von guten Aufklärungskampagnen. Dass so etwas gehen kann, haben auch die vielen gut und schnell funktionierenden Testzentren gezeigt. Soll heißen: Wir kriegen das auch ohne Impfpflicht hin. Aber nur wenn die Information über und die Organisation von Impfungen wirklich deutlich besser werden. Vielleicht sollte sich unsere Regierung erst mal darum kümmern.

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