Eine Braune Breitfuß-Beutelmaus frisst ein Männchen, dass nach Sex über Stunden gestorben ist. Mit ihren Aufnahmen konnten Forscher den Kannibalismus dokumentieren.  (Foto: Pressestelle, Queensland University of Technology)

Kannibalismus bei Tieren

Beutelmäuse haben 14 Stunden Sex und fressen dann die Männchen

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Martina Janning

Breitfuß-Beutelmäuse haben stundenlang Sex. Danach sterben die Männchen an Erschöpfung und werden von ihren lebenden Artgenossen gefressen, berichten australische Forscher.

Erst Sexorgien, dann Kannibalismus: Braune Breitfuß-Beutelmäuse (Antechinus) haben ein besonders skurriles tödliches Sexualverhalten, wie australische Forschende der Queensland University of Technology dokumentieren konnten.

Die Beobachtungen der Biologen wurden nun im Fachmagazin Australian Mammalogy veröffentlicht.

Stundenlanger Sex, bis die Männchen tot umfallen

Die Paarungszeit der Beutelmäuse dauert zwischen ein und drei Wochen. Während dieser Zeit veranstalten sie ausgelassene Orgien, die bis zu 14 Stunden dauern können. Dabei versuchen die Männchen so viele Weibchen wie möglich zu begatten.

Sex über Stunden bedeutet Stress für die Männchen der Breitfuß-Beutelmäuse. Die Mäuse sterben an der Erschöpfung. Illustration einer Beutelmaus. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / imageBROKER)
Sex über Stunden bedeutet Stress für die Männchen der Breitfuß-Beutelmäuse. Sie sterben an der Erschöpfung.

Das hat Folgen: Die männlichen Beutelmäuse erleben massiven Stress. Das ansteigende Testosteron überschwemme ihre Körper unkontrolliert mit dem Stresshormon Cortisol, sagte Andrew Baker, Erstautor in einer Mitteilung der Universität. Die Cortisolwerte erreichten ein pathologisches Ausmaß. "Die Männchen fallen tot um."

Die Männchen sterben bevor sie ihren ersten Geburtstag erreichen. Das halbiert die Population der Breitfuß-Beutelmäuse schlagartig – bis ein paar Monate später der neue Nachwuchs geboren wird.

Der Kannibalismus liefert energiereiche Nahrung

Die toten Beutelmaus-Männchen erfüllen aber offenbar noch einen anderen Zweck, wie Andrew Baker und sein Team im New England National Park in New South Wales beobachtet haben. Ihnen gelangen Aufnahmen, auf denen eine Braune Breitfuß-Beutelmaus (Antechinus mimetes) gerade einen toten männlichen Artgenossen verspeist. Neben Orgien frönen die kleinen Beuteltiere also auch dem Kannibalismus, berichten die Biologen.

Andrew Baker. Er und sein Forschungsteam konnten Kannibalismus bei Breitfuß-Beutelmäusen dokumentieren. Nach dem viele Stunden dauernden Sex werden die toten Männchen gefressen.  (Foto: Pressestelle, Elliot Bowerman / Queensland University of Technology)
Andrew Baker und sein Forschungsteam konnten Kannibalismus bei Breitfuß-Beutelmäusen dokumentieren. Nach dem viele Stunden dauernden Sex werden die toten Männchen gefressen.

Die toten Männchen böten eine gute Energiequelle für die noch lebenden Männchen und die trächtigen oder säugenden Beutelmäuse-Weibchen, erklären die Forscher den Kannibalismus der Tiere. Sie vermuten, dass die Maus auf den Aufnahmen, die den Kannibalismus dokumentieren, ein Männchen ist. Darauf deute unter anderem der stressbedingte Haarausfall an Armen und Schulter des Beuteltiers hin.

Auch verwandte Arten profitieren von dem Kannibalismus

Doch nicht nur die eigene Art profitiert im New England National Park vom Tod der Männchen nach den Sexorgien. Neben den Braunen Breitfuß-Beutelmäusen leben dort auch Stuart-Breitfuß-Beutelmäuse (Antechinus stuartii). Sie paaren sich ähnlich wild und ebenso tödlich – aber zu einer anderen Zeit als ihre Verwandten.

Für die sich früh paarenden Antechinus-Arten könnte dies bedeuten, dass trächtige und säugende Weibchen energiereiche Nahrung erhalten, indem sie die sterbenden Männchen der sich später paarenden Arten kannibalisieren, erklärte Andrew Baker.

An Orten wie Point Lookout, wo zwei Beutelmäuse-Arten (Antechinus mimetes und die Braune Beutelmaus, A. stuartii) im selben Gebiet leben, bieten die leicht voneinander getrennten Paarungszeiten die Möglichkeit, sowohl ihre eigenen als auch die Mitglieder der anderen Art zu kannibalisieren.

Bei den Arten, die sich spät paaren, können dann beide Geschlechter die toten Männchen der frühpaarenden Arten verspeisen, um Energie zu gewinnen und so "vor Beginn ihrer eigenen Paarungszeit an Gewicht und Kondition zuzulegen", sagte Baker. Diese Art von "Kadaver-Ringtausch" könnte dem massenhaften Tod der männlichen Beutelmäuse einen Sinn geben.

Eine Veranlagung zu Kannibalismus wurde zwar auch schon bei anderen Raubbeutlern aus der Familie der Dasyuriden, zu der die Beutelmäuse gehören, dokumentiert. Trotzdem ist dies in der freien Wildbahn eher selten zu beobachten, wie die Forschenden erklären.

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