Bestimmte Duftstoffe verhindern, dass Heuschrecken von ihren Artgenossen verspeist werden. (Foto: IMAGO,  imago images/CSP_Jochen)

Biologie

So verhindern Heuschrecken Kannibalismus

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Veronika Simon
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Ralf Kölbel

Ein Heuschreckenschwarm kann eine ganze Ernte vernichten. Neue Forschungsergebnisse zeigen, wie die Tiere sich vor kannibalischen Artgenossen schützen. Menschen könnten den Mechanismus möglicherweise zur Abwehr von Heuschreckenplagen nutzen.

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Heuschrecken sind hierzulande meist klein und harmlos. Aber in weiten Teilen der Welt können sie zu einer großen Plage werden. Wenn sie in Schwärmen über Felder herfallen, können sie die Ernte von ganzen Landstrichen in kürzester Zeit vernichten. Vieles im Verhalten der Insekten ist bis heute nicht verstanden.

Jetzt haben Forschende aus Deutschland und China herausgefunden, wie sich die Tiere davor schützen, von ihren Schwarmkollegen gefressen zu werden. Denn Kannibalismus ist für die Heuschrecken eine ernsthafte Gefahr. Diesen Punkt könnte man sich eventuell auf der Suche nach Strategien gegen Heuschreckenplagen zunutze machen.

Heuschreckenschwärme können - wie hier in Madagaskar -  große Verwüstungen anrichten und ganze Ernten vernichten. (Foto: IMAGO, imago images / Nature Picture Library)
Heuschreckenschwärme können – wie hier in Madagaskar – große Verwüstungen anrichten und ganze Ernten vernichten.

Wanderheuschrecken sind in der Regel Einzelgänger

Die Wanderheuschrecke an sich ist nicht unbedingt ein Schwarm-liebendes Tier. Sie sucht nicht die Nähe zu ihren Artgenossen. Doch manchmal geschieht es: Abertausende der kleinen Tiere formieren sich zum Schwarm, bilden Wolken von Insekten und schwirren im Kollektiv weiter zum nächsten Feld. Was bringt die Tiere dazu vom Einzelgänger zum Schwarmmitglied zu werden? Ein Faktor – das weiß man schon länger – ist die Tatsache, dass Wanderheuschrecken zum Kannibalismus neigen.

Bestimmte Duftstoffe verhindern, dass Heuschrecken von ihren Artgenossen verspeist werden. (Foto: IMAGO, imago/Arnulf Hettrich)
Bestimmte Duftstoffe verhindern, dass Heuschrecken von ihren Artgenossen verspeist werden.

Kannibalismus im Tierreich durchaus verbreitet

Kannibalismus ist im Tierreich nicht ungewöhnlich. Tiere wie zum Beispiel Insekten fressen die Eier oder Jungen von anderen Artgenossen oder auch erwachsene Tiere. Das kann durchaus eine ökologische Funktion haben, zum Beispiel wenn es bei einer Überbevölkerung nicht genug Futter für alle gibt. Da löst Kannibalismus zwei Probleme auf einmal: Es gibt weniger Konkurrenten und mehr Futter.

Schwarmbildung schützt vor Kannibalismus

Auch bei Wanderheuschrecken hat man erkannt: Dass sie gigantische Schwärme bilden, passiert vor allem, wenn nach Wetteränderungen plötzlich besonders gute Bedingungen für Nachkommen herrschen. Dann wird plötzlich das Futter knapp. Die Gefahr, von anderen, hungrigen Artgenossen attackiert und gefressen zu werden, steigt.

Heuschrecken vermeiden dann, gefressen zu werden, indem sie sich in dieselbe Richtung wie alle anderen bewegt. So werden die Kontakte reduziert. Sobald das alle tun, entsteht eine kollektive Bewegung, ein Schwarm.

Wetteränderungen haben einen großen Einfluss auf die Schwarmbildung der Heuschrecken. Wanderheuschrecken in Jaipur (Indien) (Foto: IMAGO,  imago images/Hindustan Times)
Wanderheuschrecken in Jaipur (Indien): Wetteränderungen haben einen großen Einfluss auf die Schwarmbildung der Insekten.

Duftstoffe schrecken kannibalistische Artgenossen ab

Forschende vom Max Planck Institut für chemische Ökologie in Jena haben gemeinsam mit chinesischen Kolleginnen und Kollegen nun einen Mechanismus entdeckt, wie sich Wanderheuschrecken vor ihren kannibalistischen Nachbarn schützen. Dafür haben sie alle Duftstoffe analysiert, welche die Heuschrecken nur aussondern, wenn sie in Gruppe unterwegs sind. Diese insgesamt 17 Düfte wurden den Insekten in Verhaltenstest präsentiert. Das Ergebnis: Einer davon wirkt abschreckend auf die Tiere – Phenylacetonitril oder kurz PAN.

Das ist ein Gift, das man schon früher im Körper von Heuschrecken entdeckt hatte. Bisher wusste man, dass die Insekten es nutzten, um sich gegen Konkurrenten bei der Paarung durchzusetzen oder sich gegen Fressfeinde wie Vögel zu wehren.

Paarung zweier Wanderheuschrecken. Doch ohne den schützenden Duftstoff zeigen die Heuschrecken mitunter auch kannibalistische Züge. (Foto: IMAGO, imago images / blickwinkel)
Paarung zweier Wanderheuschrecken. Doch ohne den schützenden Duftstoff zeigen die Heuschrecken mitunter auch kannibalistische Züge.

Duftstoff könnte Heuschreckenplage eindämmen

Mit genetisch veränderten Wanderheuschrecken konnten die Forschenden jetzt zeigen: Tiere, die PAN nicht mehr produzieren konnten, wurden häufiger gefressen als normale Artgenossen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten sogar nachweisen, mit welchem Geruchsrezeptor die anderen Tiere PAN detektieren können. Damit haben sie eine absolute Neuheit entdeckt: Einen Duftstoff, der steuert, wie viel Kannibalismus in einem Schwarm Heuschrecken vorkommt.

Das könnte durchaus interessant sein: Denn damit hat man einen wichtigen Faktor im Schwarmgefüge verstanden und einen möglichen Ansatzpunkt gefunden, um Heuschreckenplagen zu bekämpfen.

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Ein Insekt hat einen völlig anderen Körperaufbau als ein Wirbeltier. Verblüffenderweise haben Insekten aber eine ganz ähnliche "Technik" der Geruchswahrnehmung. Diese Technik ist nur etwas anders verpackt.

Ihr Riechorgan ist nicht die Nase, sondern sie riechen meist mit den Antennen oder auch mit anderen herausragenden Körperteilen. Auf den Antennen sitzen viele Tausend Riechsensillen, dies sind haarförmige Ausstülpungen mit geruchsempfindlichen Zellen, im Prinzip ähnlich den Riechzellen der Wirbeltiere. Insekten besitzen einen Außenpanzer, eine Cuticula. Diese harte Chitin-Haut überzieht auch die Antennen und ist über den Riechhaaren porös.

Je nachdem wie spezialisiert die Insekten auf bestimmte Nahrung sind, sind auch ihre Riechsensillen besonders empfänglich für den Duft dieser Lieblingsspeise. Heuschrecken reagieren speziell auf Gras, Totengräber auf Aasgeruch, Rüsselkäfer auf den Geruch von Nadelbäumen. Viele Insekten legen ihre Eier nur auf bestimmte Pflanzen, die sie am Geruch erkennen. So stellen sie sicher, dass ihre Babys sich nicht den Magen verderben.