Katze vor Computer. Es ist ein Wunsch, den wohl jeder Haustierhalter kennen dürfte: der Traum, mit Tieren sprechen zu können. Nun könnte KI dabei helfen, den ersehnten Durchbruch zu machen. (Foto: IMAGO, Pond5 Images)

Künstliche Intelligenz

Kann KI bald mit Tieren sprechen?

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Fritz Espenlaub
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Leila Boucheligua

Es ist ein Wunsch, den wohl jeder Haustierhalter kennen dürfte: der Traum, mit Tieren sprechen zu können. Neu ist diese Vorstellung nicht. Die Menschheitsgeschichte ist voller Geschichten über die Fähigkeit, mit Tieren reden können, von König Salomo bis Dr. Dolittle. Nun könnte KI dabei helfen, den ersehnten Durchbruch zu machen.

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Der Traum, mit Tieren zu sprechen, ist so alt wie die Menschheit selbst. Lange war er genau das: ein Traum. Doch es scheint, als könnte der Traum jetzt endlich Realität werden, sagt der Forscher Felix Effenberger.

Er ist einer von zahlreichen Forschern weltweit, die die Sprache der Tiere entschlüsseln wollen. Dabei ist Effenberger selbst kein Biologe, sondern Mathematiker – und Experte für Künstliche Intelligenz. Effenberger arbeitet in einem internationalen Forschungsprojekt, dem sogenannten Earth Species Project. Das Projekt ist ambitioniert: Das Ziel ist nichts weniger als die Entschlüsselung sämtlicher Sprachen des Tierreichs. Möglich machen soll das Künstliche Intelligenz.

Das Ziel unserer Untersuchung ist, herauszufinden, zu welchem Grad Tiere eine Sprache haben, die den Aspekten der menschlichen Sprache entsprechen und über was sie sich dann damit austauschen.

KI muss vor dem Übersetzen zunächst Muster erkennen

Sprache, egal ob von Mensch oder Tier, ist nichts anderes als ein regelmäßiges Muster in einem großen Datenhaufen, sagt Felix Effenberger. Und KI ist besonders gut darin, so ein Muster zu erkennen und zu reproduzieren. Wer schon mal mit ChatGPT oder einem anderen KI-Chatbot geredet hat, weiß das.

Effenberger und seine Kollegen glauben, dass KI nicht nur in menschlicher Sprache Muster erkennen kann, sondern auch beispielsweise in Vogelgezwitscher, Delfingeräuschen oder Hundegebell.

Vor dem Übersetzen steht das Verstehen von Mustern und deren Bedeutung. Daran arbeiten wir gerade.

In Tiergeräuschen mithilfe Künstlicher Intelligenz Datenmuster zu entschlüsseln ist allerdings nur ein erster Schritt. Effenberger will Tiere nicht nur verstehen, sondern irgendwann auch mit ihnen reden können. Deshalb entwickelt er mit seinem Team gerade einen KI-Chatbot für Zebrafinken, eine Art ChatGPT für Vögel. Aktuell ist das noch Zukunftsmusik – auch weil sich dabei ganz ungeahnte Probleme ergeben könnten.

Wir wissen nicht was, was wir rausfinden werden, ob die Tiere Interesse haben, mit solchen Modellen in Kontakt zu treten oder nicht. Ob sie einen tierischen oder den Computerpartner bevorzugen in ihrer Kommunikation. Insbesondere sind wir dann in einer ein bisschen grotesken Situation, wenn wir vielleicht ein Modell haben, das mit einem anderen Zebrafinken in einen Dialog tritt, aber wir werden trotzdem nicht sofort wissen, über was sie reden.

Lemur mit Lautsprecher - Was haben uns Tiere wohl zu sagen? Mithilfe von KI wollen Forschende wie Effenberger die Sprache von Tieren entschlüsseln und anschließend ein Kommunizieren mit ihnen möglich machen. (Foto: IMAGO, CHROMORANGE)
Was haben uns Tiere wohl zu sagen? Mithilfe von KI wollen Forschende wie Effenberger die Sprache von Tieren entschlüsseln und anschließend ein Kommunizieren mit ihnen möglich machen.

Tiere kommunizieren oft nonverbal

Ein ZebrafinkGPT, das mit Vögeln plaudert, während wir Menschen ahnungslos bleiben, ist nur eine mögliche Herausforderung. Eine andere besteht darin, dass Kommunikation nicht ausschließlich über Geräusche läuft. Noch mehr als bei uns Menschen unterhalten sich Tiere nämlich oft nonverbal:

Tiere kommunizieren wie wir Menschen auch multimodal, also über akustische, chemische und visuelle Signale oder teils auch sogar elektrische Signale, wie zum Beispiel beim Zitteraal. Ein weiteres Beispiel wäre die Tanzsprache der Honigbienen, die von Bewegungen dominiert ist.

Für die Forscher um Effenberger bedeutet das ein mühsames Datensammeln nicht nur von Tierlauten, sondern auch ein langwieriges Katalogisieren von Bewegungsmustern oder Duftmarken. Ein Mammutprojekt, an dem sie mit Biologen und Verhaltensforschern auf der ganzen Welt zusammenarbeiten.

Doch selbst wenn am Ende alles klappt, könnte der Menschheitstraum, mit Tieren zu sprechen unerfüllt bleiben. Ob sich etwa ein Delfin wirklich interessieren würde für die Themen, die uns Menschen umtreiben?

Werden wir also eine App auf dem Handy haben, in die ich auf Deutsch reinspreche und auf der anderen Seite kommt delphinisch raus, sodass ich beispielsweise sagen kann: Was ist, lieber Herr Delfin, deine Meinung zu Stuttgart 21? Oder wo gibt es die besten Maultaschen in Stuttgart? Wahrscheinlich nicht. Aber werden wir ihn vielleicht zum Spielen auffordern können, oder ihn vor etwas warnen können? Vielleicht.

Die Entschlüsselung von Tierkommunikation mithilfe von KI soll Positives bewirken

Aber vielleicht brauchen wir am Ende überhaupt kein exaktes Verständnis tierischer Sprache. Im Jahr 1972 veröffentlicht der Biologe Roger Payne eine Schallplatte mit Walgesängen. Die Platte macht Platin, fasziniert die Menschheit – und führt zu den ersten internationalen Einschränkungen des Walfangs. Felix Effenberger hofft, dass seine Arbeit eines Tages einen ähnlichen Effekt haben könnte:

So wie die Erfindung des Teleskops den Menschen klargemacht hat, dass die Erde nicht das Zentrum des Universums ist, hoffen wir, dass das bessere Verständnis von Tierkommunikation mithilfe von KI die Menschen erkennen lässt, dass wir auch nicht das Zentrum der Biosphäre auf der Erde sind.

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