Silhouette eines abgestorbenen Waldes bei Sonnenuntergang in Bayern. (Foto: IMAGO, IMAGO / McPHOTO)

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Wie passen wir unsere Wälder an den Klimawandel an?

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SWR-Umweltexperte Werner Eckert im Gespräch mit SWR2 Redakteur Christoph König
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Lilly Zerbst

Der Sommer 2022 war wieder außergewöhnlich heiß – zumindest aus heutiger Sicht. In Zukunft aber werden Hitze und Dürre durch den Klimawandel wohl zur Normalität. Das wirkt sich auch auf die Wälder aus. Wie wir ihnen helfen können erklärt SWR-Umweltexperte Werner Eckert im Gespräch mit Christoph König.

Viele Fichten, Buchen und Eichen sterben ab

Christoph König, SWR2: Dem Wald geht es nicht besonders gut. Hitze und Dürre haben den Bäumen in diesem Sommer noch einmal besonders geschadet. Im Wald finden sich immer mehr braune Äste, Sturmschäden und Waldbrandschäden – das ist zumindest mein persönlicher Eindruck. Was sagen denn die Zahlen zum Zustand der Wälder in Deutschland?

Werner Eckert, SWR-Umweltexperte: Die Zahlen decken sich mit diesem persönlichen Eindruck. Die jüngeren Waldzustandsberichte zeigen, dass nur noch jeder fünfte Baum ohne Kronenschäden ist. Fichten sind besonders betroffen, aber auch Buchen und Eichen – das sind die drei wichtigsten in Deutschland.

Wir haben aber auch immer mehr Probleme mit Vollausfällen. Da geht es nicht um leicht geschädigte Bäume, sondern um absterbende Bäume. Wir haben Absterberaten von 1.5 Prozent pro Jahr. Bei der Fichte sind es drei bis vier Prozent pro Jahr, die kaputt gehen.

Nadelwald mit einem großen Anteil an abgestorbenen Bäumen im Harz. (Foto: IMAGO, IMAGO / Krauthöfer)
Etwa ein viertel der deutschen Waldflächen sind Fichtenwälder. Sie sind besonders vulnerabel gegenüber Trockenheit und Hitze.

Auch geschützte Wälder sind betroffen

Christoph König: Wald ist ja ein weit gefasster Begriff. Sprechen wir hier über den Forst, den wir wirtschaftlich nutzen, oder auch über Nationalparks und dergleichen?

Werner Eckert: Die meisten Wälder in Deutschland sind Wirtschaftswälder, also Forst. Aber immerhin fast zwei Drittel der Wälder stehen unter Schutz – die meisten davon allerdings nur am Rande und durch sehr geringe Einschränkungen. Selbst in den wirklich gut geschützten Nationalparks ist nur ein Viertel der Fläche dann wirklich naturnahe Fläche. Und auch da, wo wir Schutz haben, lassen wir sehr viel Wirtschaft zu. Nur in wenigen, ganz kleinen Gebieten lassen wir die Natur tun, was sie will.

Schild mit der Aufschrift "Naturwald" an einem Baum. (Foto: IMAGO, IMAGO / Christian Ohde)
In Naturwaldgebieten ist der forstwirtschaftliche Betrieb mit wenigen Ausnahmen verboten. Im April 2019 lag der Anteil von Naturwäldern in Deutschland bei 2,8 Prozent.

Hitze und Trockenheit sorgen für Baumsterben

Christoph König: Auch mit den Nationalparks können wir die Bäume nicht vor der Klimakrise schützen. Ist das auch das größte Problem?

Werner Eckert: Das größte Problem ist, dass wir nicht so genau wissen, wie wir die Wälder als Gesamtheit und nicht nur den einzelnen Baum vor der Klimakrise und den Folgen schützen können.

Die Fichtenmonokulturen sind sicher die Hauptursache für diese enormen Probleme, die wir haben. Das betrifft besonders die Mittelgebirge, wo man nicht nur von kleinen Kahlschlägen reden muss, sondern wo ganze Hänge entwaldet sind. Dort hat die Kombination aus Klimafolgen und Schädlingen dafür gesorgt, dass viele Bäume absterben.

Wir haben aber auch generell ein Problem mit der Wasserversorgung und Hitze. Viele Bäume reagieren oft sehr empfindlich auf die heißen Temperaturen von um die 40 Grad, die wir im Sommer haben. Wir wissen nicht so genau, wie wir aus diesem Dilemma rauskommen.

Vielfalt schafft Resilienz

Christoph König: Die klimatische Entwicklung, die wir jetzt und in den kommenden Jahren erleben, werden wir nicht zurückdrehen können. Das heißt, wir müssen die Wälder krisensicher machen. Welche Ideen gibt es da?

Werner Eckert: Zum einen gibt es die ganz naheliegende Idee, dass wir die Fichte durch andere Bäume ersetzen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium und Forstministerium schreibt, dass wir einen artenreichen Mischwald brauchen. Das ist sicher ein Teil der Wahrheit.

In der Wirtschaft wird aber natürlich auch nach Bäumen gesucht, die besser mit den veränderten Klimabedingungen klarkommen. Die Forstliche Versuchsanstalt Baden-Württemberg hat ein Ranking gemacht und sich sehr viele Faktoren angeschaut. Als alternative Baumarten listen sie unter anderem neben der Buche auch den Bergahorn, die Ulme, die amerikanische Roteiche, die Hainbuche, die Elsbeere, den Baumhasel und die Douglasie.

Wir müssen auch sehen, dass Vielfalt Resilienz schafft. Dazu zählt eine Vielfalt an Baumarten, aber auch eine Vielfalt an unterschiedlichen Waldbewirtschaftungen. Das ist wahrscheinlich mindestens genauso wichtig.

Auch die Wirtschaftlichkeit eines Waldes ändert sich mit dem Klimawandel

Christoph König: Wenn mir ein Wald aus wirtschaftlichen Gründen gehört, dann will ich damit Geld verdienen. Ginge das auch mit den angepassten Baumarten?

Werner Eckert: In dem Ranking der Forstlichen Versuchsanstalt wird darauf aufmerksam gemacht, dass man die Wirtschaftlichkeit oft nicht absehen kann. Stattdessen müsse man oft abwarten, wie sich die Märkte entwickeln. Natürlich gibt es einen Markt für relativ günstiges Bauholz, das ist die Fichte. Und es gibt einen kleineren Markt für edle, teure Hölzer. Deswegen sucht die Forstwirtschaft natürlich vor allem nach schnell wachsenden, relativ günstig zu erzeugenden Produkten wie etwa die Douglasie.

Eine Universallösung gibt es nicht

Christoph König: Ein Baum braucht ein paar Jahre, um zu wachsen. Und die nächsten Sommer werden aller Voraussicht nach auch trocken und heiß. Wie schnell können wir denn die Wälder auf diese Art umbauen?

Werner Eckert: Wenn man diese Absterberaten sieht, kann man ausrechnen, dass wir von den zehn Millionen Hektar zwei Prozent erneuern müssen. Das heißt, in fünfzig Jahren müssen wir einmal durch sein.

Aber es gibt unterschiedliche Herausforderungen für den Wald. Wir haben jetzt auch stark mit der Waldbrandgefahr zu kämpfen gehabt. Und was zum Beispiel für die Artenvielfalt gut ist, muss nicht auch für die Waldbrandgefahr günstig sein. Das sieht man zum Beispiel am Totholz. Das ist ganz wichtig für die Artenvielfalt und kann auch wichtig sein für die Wasserhaltekraft eines Waldes. Feuerökologen sagen aber, wenn das Totholz nach einem solchen Sommer ausgetrocknet ist, dann ist es auch Zunder für den Waldbrand. Bei diesen Dingen brauchen wir verschiedene Ansätze, die wir nebeneinander ausprobieren müssen, um zu sehen, womit wir dauerhaft am besten fahren.

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Invasive Schädlinge bereiten Probleme

Werner Eckert: Wir müssen schnell anfangen und wir sind unsicher bei diesem Vorgehen. Die Douglasie ist der Hoffnungsbaum schlechthin für die Forstwirtschaft. Aber wir waren auch in einem Douglasienwald in Rheinbach bei Bonn. Er ist mit 120 Jahren der älteste in Deutschland. Und da zeigt sich: Die Douglasie hat zwar lange gut getan, aber plötzlich haben wir es mit einem eigenen Schädling zu tun, der Gallmücke. Wie der Borkenkäfer über die Fichte fällt diese Gallmücke über die Douglasie her. Die ist aus Nordamerika eingeschleppt worden.

Wir können diese komplexen Systeme eigentlich nur Learning-by-Doing verändern und nicht in einem Ansatz.

Larven der Buchengallmücke an einer Rotbuche. (Foto: IMAGO, IMAGO / mm images/Berg)
In den Gallen, die bei einem Baumbefall auf den Blättern zu finden sind, befinden sich die Larven der Gallenmücke. Sie schaden beispielsweise der Rotbuche und der Douglasie.

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