Gipser bringt erdbebensichere Zusatzschicht an. (Foto: SWR, Karlsruher Institut für Technologie (KIT))

Deutsche Erfindung

Erdbeben: So lassen sich auch ältere Gebäude vor dem Einsturz sichern

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Stefan Troendle
Stefan Troendle, Reporter und Redakteur bei SWR Wissen aktuell und SWR2 Impuls. (Foto: SWR, SWR, Christian Koch)
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Elisabeth Theodoropoulos

Erdbebensicheres Bauen bringt keine schnellen Effekte, wenn es nur um Neubauten geht. Aber ein Karlsruher Forscher hat eine Methode entwickelt um Altbauten sicherer zu machen.

Das Erdbebenschutzsystem funktioniert wie ein Gipsverband, nicht nur als Schutz, sondern man kann sogar bereits beschädigte Häuser damit preiswert reparieren und erdbebensicher machen.

Eines stand bei der Entwicklung des Erdbebenschutzsystems immer fest: Es muss schon bestehende Häuser schützen, denn von denen geht die größte Gefahr bei einem Erdbeben aus.

Fünf Millimeter dicke Zusatzschicht, die jeder Gipser anbringen kann

Lothar Stempniewski hat jahrelang am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) geforscht. Ihm war klar: Sein Schutz muss einfach und leicht anzubringen sein, wenn er funktionieren soll.

Der Schutz eignet sich aber nur für Häuser aus Mauerwerk, bei Stahlbeton schützt das Verfahren nicht. Und so funktioniert es: Auf eine dünne Schicht Spezialputz, den man einfach auf dem bestehenden Putz eines Hauses anbringen kann, kommen spezielle Textilmatten aus Glasfaser und Polypropylen. Darüber kommt noch mal eine dickere Schicht Putz. Alles in allem eine etwa fünf Millimeter dicke Zusatzschicht, die jeder Gipser anbringen kann.

Erdbebenschutzsystem (Foto: SWR, Karlsruher Institut für Technologie (KIT))
Die speziellen Textilmatten aus Glasfaser und Polypropylen werden mit Spachtelmasse verputzt.

Schutzschicht ist nicht mal sonderlich teuer

Etwa 50 Euro pro Quadratmeter, also rund 7.000 bis 8.000 Euro für ein Einfamilienhaus, kostet die nachträgliche Ausstattung mit dem am KIT entwickelten Erdbebenschutzsystem. Einige Jahre ist das System schon auf dem Markt. Ein mittelständisches Unternehmen in Bayern produziert den Erdbebenschutz, nachdem dieser Tests auf der ganzen Welt bestanden hat, sagt Lothar Stempniewski.

Für solche Tests wurden Häuser auf Erdbebensimulatoren gebaut, sogenannten Rütteltischen: Simuliert wurden Beben, die die Testeinrichtungen an ihre Grenzen brachten – in etwa bis zur Stärke des Bebens in der Türkei.

Rütteltischversuche (Foto: SWR, Karlsruher Institut für Technologie (KIT))
Dieser "Rütteltisch" kann Erdbeben simulieren. Dadurch können die Systeme hier getestet werden.

Grenzen dieser Schutzschicht müssen noch getestet werden

Ob das System beim aktuellen Beben tatsächlich Häuser geschützt hat, weiß Stempniewski noch nicht - auch, weil das Katastrophengebiet einfach zu groß ist. Er sagt: Irgendwo hat das System natürlich Grenzen, aber die kennen wir noch nicht. Es gibt jedoch Daten aus einem früheren Erdbeben in der Türkei, bei dem mit den am KIT entwickelten Schutzsystemen ausgestattete Häuser das Erdbeben überstanden haben.

Der Karlsruher Professor ist übrigens inzwischen im Ruhestand und hat keine kommerziellen Interessen. Auch nicht beim zweiten System, das er für das KIT ebenfalls bis zur Marktreife entwickelt hat: Eine Erdbebentapete, die zusammen mit einem schadstofffreien Spezialkleber sogar patentiert wurde. Die eignet sich vor allem für nicht tragende Innenwände, die bei einem Erdbeben oft einstürzen.

Schaubild zur Zusammensetzung der Erdbebentapete. (Foto: SWR, Karlsruher Institut für Technologie (KIT))
Verstärkung von biegebelasteten Trennwänden ist möglich durch "Erdbebentapete".
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