Illustration der chemikalischen Verbindung von Polytetrafluoroethylene (PTFE). (Foto: IMAGO, IMAGO / agefotostock)

Durchbruch in der Chemie

Forschenden gelingt Abbau toxischer PFCs

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Uwe Gradwohl
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Lilly Zerbst

Einer Forschungsgruppe an der Northwestern University im US-Bundesstaat Illinois gelang es, Chemikalien aus der Gruppe der gesundheitsgefährdenden PFCs in unschädliche Bestandteile aufzulösen. Das berichtet das Fachmagazin Science.

Perfluorierte Chemikalien, kurz PFCs, werden in vielen Produkten eingesetzt. Sie zählen bislang zu den Chemikalien, die wegen ihrer Langlebigkeit praktisch nicht mehr aus der Umwelt zu entfernen sind. In Rastatt, Baden-Baden und Mannheim bereiten mit PFCs belastete Ackerflächen und PFC-haltiges Grundwasser seit Jahren große Probleme.

Fluoratom sorgt für chemische Stabilität

Bei diesen PFCs handelt es sich um eine Gruppe von mehreren tausend chemischen Verbindungen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sich an mehreren Stellen der PFC-Moleküle statt eines Wasserstoffatoms ein Fluoratom in Partnerschaft mit einem Kohlenstoffatom befindet.

Molekül-Modell eines Polytetrafluoroethylene (PTFE). (Foto: IMAGO, IMAGO / Science Photo Library)
Polytetrafluorethylen, kurz PTFE, ist ein einfach aufgebautes Perfluorcarbon. Entlang einer Kette aus Kohlenstoffatomen (grau) gliedern sich jeweils zwei Fluoratome (blau) an. Die Verbindung findet man als Teflon in jeder handelsüblichen Pfanne.

Fluor ersetzt also in dem Fall Wasserstoff – mit beeindruckenden Folgen. Denn die Bindung zwischen Fluor und Kohlenstoff ist so fest, dass diese PFCs auch gerne „Forever Chemicals“ genannt werden. Sie sind so stabil, dass sie sich kaum je zersetzen, sondern in der Umwelt anreichern können.

Robustheit der PFCs – Fluch und Segen zugleich

Die PFCs sind zum einen gesundheitsschädlich, zum anderen aber auch verlockend nützlich. Denn sie sind gleichzeitig wasserabweisend, fettabweisend und schmutzabweisend. Sie stecken deshalb in wasserabweisender Outdoorkleidung, in fettabweisenden Pizzakartons und in schmutzabweisenden Teppichen.

Auch im Schaum von Feuerlöschmitteln sind die PFCs zu finden. Die Bindung zwischen Fluor und Kohlenstoff bricht erst bei einer Hitze von 1100 Grad Celsius auf. Damit eignet sich die chemikalische Verbindung gut für den Einsatz im Löschschaum. Wenn die superstabilen PFCs aber nach Löscharbeiten in der Umwelt verbleiben, können sie schnell zum gesundheitlichen Risiko werden. Denn sie können sich im Körper von Mensch und Tier nach und nach anreichern.

Umweltskandal in Baden-Württemberg

Das PFC-Problem ist eines der großen weltweiten Umweltprobleme. In Baden-Baden, Rastatt und Mannheim hat es sich zum Umweltskandal zugespitzt. Perfluorierte Chemikalien finden sich dort in hoher Konzentration im Grundwasser und auf Ackerflächen.

Hunderte Millionen Euro würde es kosten, das belastete Erdreich auf Spezialdeponien unterzubringen. Das kontaminierte Grundwasser kann zwar mit Aktivkohle gefiltert werden, aber auch diese Filter müssen letztendlich auf einer Spezial-Deponie entsorgt werden. Denn die PFCs, die sich im Filter befinden, lassen sich nicht zu unschädlichen Stoffen abbauen.

Unerwartetes Laborergebnis führt zur Sensation

Für Fachleute stand bisher fest: PFCs lassen sich nicht auf biologischem oder chemischem Weg abbauen. Die Chemikerin Brittany Trang von der Northwestern University im US-Bundesstatt Illinois war deshalb selbst von den Laborergebnissen überrascht gewesen, die im Rahmen ihrer Doktorarbeit zustande gekommen waren.

Ihre Laborergebnisse stimmten nicht mit den Vorhersagen von Computer-Simulationen ihrer Experimente überein. Folglich bat sie hochrangige Fachleute, sich das Ganze kritisch anzuschauen. Schnell wurde klar: Die Simulationen hatten tatsächlich falsch gelegen, die ganz realen Labor-Experimente von Trangs Forschungsgruppe hatten zu einem sensationellen Resultat geführt.

Haupttor der Northwestern University in Evanston im US-Bundesstaat Illinois. (Foto: IMAGO, IMAGO / UPI Photo)
Die Doktorandin Bittany Trang hat die Zersetzung bestimmter PFCs an der Northwestern University im US-Bundesstaat Illinois entdeckt.

Vermischt mit einem Lösungsmittel und unter Zugabe der gewöhnlichen Chemikalie Natriumhydroxit war es Trang und ihrem Team gelungen, die langen Kettenmoleküle der PFCs bei ganz normalem Luftdruck und vergleichsweise milden 120 Grad Celsius zu zerteilen. Übrig blieben lediglich harmlose Stoffe.

Das gefundene Verfahren besteht allerdings aus 50 miteinander verflochtenen Reaktionsschritten. Deshalb war der Weg zum Erfolg möglicherweise nicht so leicht zu erkennen gewesen und die Simulationen hatten versagt.

Methode lässt sich auf alle PFC-Gruppen ausbauen

Die von Trang gefundene Methode der PFC-Zerlegung nutzt eine bislang nicht erkannte Schwachstelle der Moleküle. Sie funktioniert für eine große Gruppe innerhalb der mehrere tausend Mitglieder großen Chemikalienfamilie der PFCs. Ziemlich sicher ist auch, dass sich der gefundene Reaktionsweg so anpassen lässt, dass er für alle PFCs funktionieren sollte. Forschergruppen weltweit werden versuchen, Brittany Trangs Ansatz entsprechend weiterzuentwickeln.

Anwendung außerhalb des Labors bleibt Zukunftsvision

Auch wenn der Weg zum Aufspalten von PFCs jetzt gefunden ist, die für den Einsatz im großen Maßstab notwendige Verfahrenstechnik fehlt noch. Im Labor arbeiteten die Forschenden mit vergleichsweise hohen PFC-Konzentrationen. Sie liegen noch weit über denen, die im PFC-verseuchten Erdreich bei Baden-Baden, Rastatt oder Mannheim zu finden sind. PFC-belastetes Material müsste also zuerst behandelt und die darin enthaltenen PFCs konzentriert werden. Dann aber könnte die jetzt gefundene Methode auch den vom PFC-Skandal betroffenen badischen Gemeinden hilfreich sein. Nach Überzeugung der Forschenden wird die Entdeckung große Auswirkungen auf unseren Umgang mit diesen Stoffen im Alltag und auf den Umweltschutz insgesamt haben.

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