Biologie

Gibt es Geburtsschmerzen nur beim Menschen?

Stand
AUTOR/IN
Gábor Paál
Gábor Paál (Foto: SWR, Oliver Reuther)

Audio herunterladen ( | MP3)

Geburtsschmerzen kaum bei Wildtieren beobachtet

"Viele Mühsal will ich dir bereiten, wenn du Mutter wirst. Mit Schmerzen wirst du Kinder gebären." Das war die Vorwarnung von Gott an Eva.

Richtig ist: Geburtsschmerzen kommen nach Beobachtung von Wildtierforschern zwar auch bei Tieren vor. Von Elefanten etwa wird es berichtet, aber das sind eher vereinzelte Fälle. Im Ausmaß und in der Regelmäßigkeit der Geburtsschmerzen ist der Mensch ein Sonderfall. Es gibt dafür auch eine evolutionäre bzw. anthropologische Erklärung.

Evolution: schmalere Becken und größere Gehirne beim Menschen

Als eine Ursache für die Geburtsschmerzen gilt nämlich der aufrechte Gang, den sich unsere Vorfahren vor einigen Millionen Jahren in der afrikanischen Savanne angeeignet haben. Der aufrechte Gang hat zum einen zu einem schmalen Becken geführt. Zum anderen hat er die Intelligenz-Entwicklung vorangetrieben. Wer aufrecht läuft, hat die Hände frei, kann eine manuelle Geschicklichkeit entfalten und irgendwann Werkzeuge herstellen. Werkzeuge, mit denen unsere Vorfahren auch jagen konnten. Das alles erfordert aber Hirnschmalz. Um bei der Jagd erfolgreich zu sein, organisierten sie sich in Kleingruppen, das verlangt viel Kommunikation – auch das ist ein Faktor, der das Gehirn wachsen lässt. Und weil sie nun jagten, aßen unsere Vorfahren mehr Fleisch – und diese proteinreiche Nahrung hat ebenfalls das Hirnwachstum vorangetrieben.

Unterm Strich ergibt sich dadurch eine gegenläufige Entwicklung. Im Politikerdeutsch könnte man sagen: Die Evolution stand vor einem Zielkonflikt: Der aufrechte Gang forderte ein schmales Becken und somit einen schmalen Geburtskanal, die zunehmende Intelligenz dagegen führte bei den Babys zu einem größeren Gehirn und somit größeren Schädel. Das Ergebnis ist ein im wahrsten Sinne schmerzhafter Kompromiss.

Früchte vom Baum der Erkenntnis als Sinnbild für die Intelligenzentwicklung

Insofern muss man zur Erklärung den lieben – bzw. zornigen – Gott nicht unbedingt heranziehen, trotzdem gibt die biblische Erklärung eine treffende Metapher: Denn nach dem Bericht der Genesis war die schmerzhafte Geburt ja die Strafe dafür, dass Eva Adam dazu verführt hat, die Früchte vom Baum der Erkenntnis zu essen. Wenn man dieses "Vom-Baum-der-Erkenntnis-Essen" als Sinnbild für die Intelligenzentwicklung bei den frühen Menschen betrachtet, dann passt das Bild in gewisser Hinsicht: Die Schmerzen beim Gebären waren gewissermaßen der Preis, den der Mensch für sein großes Gehirn und seine Intelligenz zu zahlen hatte. Bzw. es war ein Preis.

Menschliches Gehirn passt nur unfertig durch den schmalen Geburtskanal

Es gab noch einen anderen: Anders als bei den meisten Tieren ist das Gehirn bei der Geburt noch sehr unfertig – sonst wäre es einfach zu groß für den schmalen Geburtskanal. Der Mensch kommt ziemlich hilflos auf die Welt und braucht nach der Geburt mehr als 15 Jahre, bis er sich aus der Abhängigkeit der Eltern löst. Andere Tiere, auch Säugetiere, sind da viel schneller, weil ihr Gehirn bei der Geburt schon relativ weit entwickelt ist. Das menschliche Gehirn dagegen wächst nach der Geburt noch eine ganze Weile im gleichen Tempo weiter wie zuvor im Mutterleib.

Im Bild: Hebammen und Ärztin simulieren bei einer Übung eine Notfallsituation während einer Geburt

Mehr zum Thema

Statistik An welchem Tag haben die meisten Menschen Geburtstag?

Hierzu gibt es wenig verlässliche Zahlen. Neben Schwankungen zwischen Ländern und Jahren gibt es jedoch den Trend zu einem ganz bestimmten Monat. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Gesundheit Beeinflusst die Lebensweise der Mutter die Entwicklung des Kindes?

Die Ernährung der Mutter und die Lebensweise der Eltern haben einen direkten Einfluss auf die Gesundheit des Kindes und den Verlauf der Geburt. Von Peter Spork

Redensart Woher kommt die Geschichte mit dem Klapperstorch?

Früher wollte man kleinen Kindern die wahren Umstände von Zeugung und Geburt nicht sagen. Aber warum der Storch und kein anderes Tier? Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Derzeit gefragt

Tiere Warum schreien Hühner, nachdem sie ein Ei gelegt haben?

Hühner haben ständig zu allen Situationen irgendwelche akustischen Kommentare abzugeben; sie sind ständig in akustischer Kommunikation. Und es sind hoch soziale Vögel. Das bedeutet, dass dieses Gegacker nach der Eiablage in diesem Zusammenhang gesehen werden muss. Von Hans-Heiner Bergmann

Tierverhalten Warum krähen Hähne bei Sonnenaufgang?

Hähne krähen, um ihr Revier zu markieren. Und wenn einer früh morgens angefangen hat, dann machen alle anderen Hähne auch mit. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Ornithologie In welchen Abständen legen Meisen ihre Eier?

Eine Blaumeise kann bis zu 12 Eier legen – jeden Tag eins. Trotzdem schlüpfen die Jungen alle gleichzeitig, denn gebrütet wird erst, wenn das Gelege vollständig ist. Von Hans-Heiner Bergmann

Biologie Warum sind manche Eier weiß und manche braun?

Als Faustregel stimmt tatsächlich, was man oft hört, nämlich dass braune Hühner braune Eier und weiße Hühner weiße Eier legen. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Gesundheit Mit dem Rauchen aufhören: Wann ist der Körper wieder auf Nichtraucherniveau?

Das Rauchen hat viele Auswirkungen auf den Körper. Manche verschwinden, wenn man aufhört, schneller, andere brauchen länger. Recht schnell verschwinden die unmittelbaren Symptome, also der Raucherhusten und die Kurzatmigkeit. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Redewendung "Da lachen ja die Hühner"? – Woher kommt der Ausdruck?

Dass die Hühner lachen, wenn jemand etwas ankündigt, ist etwas eher Lachhaftes und Scherzhaftes. Auf diese Art und Weise kann man das, was da im Raume steht, auch heruntermachen und sagen: "Das ist so, dass da die Hühner sogar lachen." Von Rolf-Bernhard Essig