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Lesbische Frauen in Deutschland – Ignoriert, pathologisiert, akzeptiert

Stand
Autor/in
Fides Schopp
Onlinefassung
Eliza Leusmann
Candy Sauer

Frauenliebende Frauen wurden lange Zeit gesellschaftlich ignoriert, angefeindet oder gar verfolgt. Erst langsam befasst sich auch die Forschung mit lesbischer Alltagsgeschichte.

Lesben in Deutschland: früher unsichtbar, heute akzeptiert

Es gibt sie schon immer, aber bisher gibt es wenig Forschung zu frauenliebenden Frauen in Deutschland. Denn diese wurden früher ignoriert oder galten als krank. Das ist inzwischen anders.

Erst seit einigen Jahren werden lesbische Frauen als solche wahrgenommen und gelten als Teil der gesellschaftlichen Normalität. Diese späte Akzeptanz ist erstaunlich, denn schon für das 18., 19. und 20. Jahrhundert ist belegt, dass "ein Teil der Bevölkerung gleichgeschlechtlich liebte, ein Teil der Bevölkerung überhaupt nicht in dem Geschlecht liebte was ihm zugewiesen war", wie die freie Historikerin Kirsten Plötz weiß. Die Vielfalt ist also keine Modeerscheinung.

Lesben zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Im geschichtlichen Kontext wird häufig der Ausdruck "frauenliebende Frauen" genutzt. Der Ausdruck "lesbisch" kommt erst Anfang des 20. Jahrhunderts auf, gleichzeitig mit der Sexualforschung. Eine Art Lesbenkultur entwickelt sich, mit Zeitschriften und Gesellschaftsabenden für homosexuelle Frauen etwa in Mannheim.

Aber auch im Alltag lernen frauenliebende Frauen einander kennen: Etwa wenn solche, die in Fabriken arbeiten, in den dazugehörigen Mädchen- oder Frauenwohnheimen leben. Und Lehrerinnen dürfen zwar bis in die 1950er hinein nur heiraten, wenn sie ihren Beruf aufgeben. Aber es ist ihnen erlaubt, mit einer anderen Lehrerin zusammenzuleben – ein Privileg für Lesben. 

Dennoch war die gesellschaftliche Situation für Lesben schwierig, insbesondere zu Zeiten des Nationalsozialismus.  

Lesben zu Zeiten des Nationalsozialismus

Während der Nazizeit galt Paragraf 175. Er stellte sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe und ermöglichte so, Homosexuelle zu verfolgen. Und obwohl er nur für Männer galt: Auch homosexuelle Frauen hatten während der Nazizeit einiges auszustehen. Wer damals als Frau Frauen liebte, lief Gefahr, in eine Psychiatrie eingewiesen und gegen seinen Willen behandelt zu werden. Eine solche Behandlung konnte eine Schocktherapie sein oder ein künstliches Koman. Da Lesben als "unwertes Leben" galten, liefen sie außerdem Gefahr, in Vernichtungslagern zu landen.

In der Naziideologie sollten Frauen nämlich nur eines: Kinder bekommen. Wer also alleinstehend war oder kinderlos, der erlebte Anfeindungen. Eine Frau, die allein in der Öffentlichkeit unterwegs war, wurde schnell der Prostitution verdächtigt. Es drohten Festnahmen, gynäkologische Zwangsuntersuchungen und Einweisung ins Vernichtungslager.

Lesben, Queers und Unterstützende beim jährlichen Dyke* March für mehr lesbische Sichtbarkeit am Vorabend des Berliner Christopher Street Days (CSD) in Berlin im Juli 2019. "Lesbe" war lange ein Schimpfwort und wurde abwertend benutzt. Ab den 1970ern nutzten frauenliebende Frauen den Begriff selbstbewusst als Eigenbezeichnung.
Lesben, Queers und Unterstützende beim jährlichen Dyke* March für mehr lesbische Sichtbarkeit am Vorabend des Berliner Christopher Street Days (CSD) in Berlin im Juli 2019. "Lesbe" war lange ein Schimpfwort und wurde abwertend benutzt. Ab den 1970ern nutzten frauenliebende Frauen den Begriff selbstbewusst als Eigenbezeichnung.

Umschwung ab den 1970ern und Umdeutung des Begriffs "Lesbe"

Frauenliebende Frauen bezeichnen sich selbst erst seit den 1970ern als Lesben. Denn "Lesbe" war lange ein Schimpfwort und diskriminierender Begriff, ähnlich wie der Begriff "schwul", erklärt die Historikerin Karen Nolte.

Das Empowerment in den neuen sozialen Bewegungen bestand darin, sich diesen diskriminierenden Begriff zu eigen zu machen und positiv umzuwerten.

Diese neuen sozialen Bewegungen bestanden aber nicht nur darin, die Begriffsbedeutung zu ändern: Frauen wurden mehr wahrgenommen und auch in der Kultur explizit angesprochen. Es entstanden Frauenbuchläden, Cafés und Gesundheitszentren – auch speziell für Lesben. In Westberlin gründet sich im Jahr 1982 der Lesbenring, eine Gruppe, die lesbische Interessen überregional vernetzt und vertritt. Heute ist er ein bundesweiter Dachverband, der Lesben sichtbar machen will.

Kundinnen im ersten Frauenbuchladen der Bundesrepublik, aufgenommen im Herbst 1975 in München-Schwabing
Kundinnen im ersten Frauenbuchladen der Bundesrepublik, aufgenommen im Herbst 1975 in München-Schwabing

Lesben in der DDR

In Ostdeutschland sieht die Situation anders aus. In der DDR galt Homosexualität weniger lange als kriminell denn in der BRD. Dennoch landeten viele Schwule und Lesben in heterosexuellen Ehen, denn das gesellschaftliche Klima war homophob. Orte, an denen sich queere Menschen treffen konnten, gab es kaum. Im Jahr 1976 gibt es das erste DDR-weite Lesbentreffen, organisiert von einer Gruppe um die Aktivistin Ursula Sillge.

Anlaufstellen und Treffpunkte für Homosexuelle sind ab den 1980ern vor allem kirchliche Arbeitskreise. Zeitschriften für die queere Zielgruppe waren in der DDR bis in die 1980er hinein verboten. Im Gegensatz zu Westdeutschland: Dort sind sie stark verbreitet und helfen, über Kontaktanzeigen Gleichgesinnte kennenzulernen.

"Un-Sichtbare Frauen – Lesben und ihre Emanzipation in der DDR": Ursula Sillge, Autorin des Buchs (1991 erschienen) und Kulturwissenschaftlerin an der Berliner Humboldt-Universtät, hat das Leben und die Emanzipation von Lesben in der ehemaligen DDR erforscht
"Un-Sichtbare Frauen – Lesben und ihre Emanzipation in der DDR": Ursula Sillge, Autorin des Buchs (1991 erschienen) und Kulturwissenschaftlerin an der Berliner Humboldt-Universtät, hat das Leben und die Emanzipation von Lesben in der ehemaligen DDR erforscht

Eine Lesbe als Mutter

Wer als lesbische Frau beschließt, Mutter werden zu wollen, der hatte früher "ein bisschen das Gefühl, irgendwie was ganz Unmögliches zu sein", erzählt Ina Rosenthal, die derzeit dem Lesbenring vorsteht. "Weil es da keine Rollenvorbilder gab. Ich kannte keine lesbischen Mütter oder schwule Väter. Kind, Familie war heteronormativ geprägt."

Ina Rosenthal organisiert in den 1990ern ein erstes lesbisches Müttertreffen in Süddeutschland. Und die lesbische Mutterschaft etabliert sich langsam in der Szene. Gerichte dagegen sind weniger fortschrittlich: Noch bis in die 1980er entziehen sie Frauen das Sorgerecht, wenn diese Frauen lieben und sich deswegen scheiden lassen.

Die Gerichte argumentierten, es sei eine "Gefährdung des Kindeswohls", wenn Kinder bei Frauenpaaren aufwachsen. Das ändert sich erst im Jahr 2001 mit Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes und nochmal im Jahr 2017 mit der Ehe für alle. Dennoch werden gleichgeschlechtliche Paare weiterhin anders behandelt, nicht nur bei der Familienplanung.

Homosexualität am Arbeitsplatz führt zu finanziellen Problemen

Homosexualität ist heute für die meisten Menschen noch immer nicht normal. Daher werden Schwule und Lesben häufig diskriminiert, auch am Arbeitsplatz. Wer sich dort mehr Akzeptanz wünscht, landet häufig im Gesundheits- und Sozialwesen – mit entsprechend schlechter Bezahlung.

Lesben haben hier finanziell noch größere Probleme als Schwule. Denn nach wie vor bekommen Frauen für die gleiche Arbeit weniger Geld als Männer. Das zeigt sich auch an der Rente. Und auch frauenliebende Frauen arbeiten häufig in Teilzeit, weil sie etwa Familienangehörige pflegen oder Kinder aufziehen. Und ihnen fehlt der finanzielle Vorteil, den die Ehe mit einem Mann brächte.

Lesbische Frauen heute

Lesben sind heute sichtbarer als früher, gerade in der Popkultur. Streamingdienste machen Lesben zum Mittelpunkt von Serien; Musikerinnen singen von ihren Freundinnen oder attraktiven Frauen. Und das gefällt Ina Rosenthal:

Ich finde, das ist eine ganz wichtige Entwicklung. Weil ich mit 16 so eine Phase hatte, in der ich mich eigentlich outen wollte, und die einzige Lesbe, die ich kannte, meine Querflötenlehrerin war, die ich ganz doof fand. Und da dachte ich immer: So will ich nicht sein.

Zum Glück seien die Vorbilder heute bunter und realistischer.

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