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Geschichte der Liebesbriefe – Vom Herzen in die Feder

Stand
Autor/in
Joachim Meißner
Joachim Meißner
Onlinefassung
Ulrike Barwanietz
Candy Sauer

Ein Liebesbrief auf Büttenpapier oder doch das Herz-Emoji? Wie wir unsere Liebe mitteilen, ist auch immer ein Spiegel der jeweiligen Zeit und Gesellschaft.

Liebesbrief: einstmals zwecks Eheanbahnung von Männern genutzt

Ursprünglich waren Liebesbriefe eine Männerdomäne. Lange Zeit ging es darum, schriftlich eine Ehe anzubahnen. Eine ernste Sache also – nichts für Schulkinder. „Ich liebe Dich!“ war noch vor wenigen Jahrzehnten ein heimliches, weil gewagtes Bekenntnis. Und so sind die schriftlichen Liebesbekundungen vom Büttenpapier bis zum Herz-Emoji ein Zeugnis unserer Gefühle und unserer Art zu lieben.

Größtes Liebesbriefarchiv Deutschlands ruft zum Mitmachen auf

In der Koblenzer Landesbibliothek hat Deutschlands größtes Liebesbriefarchiv seinen Sitz. Aus drei Jahrhunderten haben sich mittlerweile etwa 30.000 Liebesbriefe aus dem deutschsprachigen Raum im Archiv eingefunden. Ständig werden es mehr. Der älteste stammt von 1715, der jüngste ist eine WhatsApp-Nachricht.

Die Mitarbeiterinnen gehen dabei neue Wege, indem sie auf das Know-how einer breiten Öffentlichkeit setzen. Dazu ruft das Liebesbriefarchiv Interessierte auf, sich am Citizen Science-Projekt „Gruß und Kuss“ zu beteiligen und ihre Kompetenzen einzubringen. Das Projekt lebt somit nicht nur von vergangenen Liebesbriefen. Auch die heutigen Gruß-und-Kuss-Botschaften sind willkommen – ganz gleich in welcher Form.

Alte Liebesbriefe: Noch steht die Wissenschaft erst am Anfang bei der Erforschung der Kultur und Bedeutung des Liebesbriefs
Alte Liebesbriefe: Die Wissenschaft steht noch am Anfang bei der Erforschung der Kultur und Bedeutung des Liebesbriefs

Liebesbriefe gewähren intime Einblicke ins Privatleben

Für die Lagerung im Archiv werden die Briefe gescannt und mit Archivnummern versehen, bevor sie in säurefesten Mappen oder Kartons im klimageregelten Archivregal landen. Das ist gar nicht so leicht, denn nicht alle Briefe lassen sich DIN-gerecht verpacken. So ist der längste Liebesbrief über 3 Meter lang, der größte kommt auf Plakatformat.

Sorgfalt ist wichtig, denn das Archiv lebt vom Vertrauen der Briefespender, die intime Einblicke in ihr Privatleben gewähren. Nur ein Beispiel aus dem Archiv aus dem Jahr 1891:

"18. Dezember 1891, abends 10 Uhr: Mein teurer vielgeliebter Schatz, lass Dir schon jetzt einen recht fröhlichen Sonntag wünschen. Es ist der letzte, bis wir uns wiedersehen. Wenn ich daran denke, geht mein Herz in Sprüngen. Dann dürfen Worte, Mund und Augen Dir sagen, was diese Zeit nur so schwach vermögen, dass du, mein Alles, mein Glück und Leben bist und wie dankbar ich Dir bin für all den Reichtum deiner Liebe, für alles, was du mir bist. Und auch für die Treue, mit der du mir schreibst. Nun Ade, du mein Herzensgeliebter, sei Gott befohlen. Lass Dich küssen und grüßen, dafür recht warm und innig und bleib stets so lieb und traut und gut. Deine Dich über alles Liebende …"

Noch stehen die Wissenschaftlerinnen am Anfang bei der Erforschung der Kultur und Bedeutung des Liebesbriefs. Das Forschungsobjekt hingegen gibt es im europäischen Kulturraum seit Antike und Mittelalter. Als Massenphänomen treten Liebesbriefe aber erst auf, als es auch für breitere Bevölkerungsschichten die Möglichkeit gab, lesen und schreiben zu lernen.

Wenig diskret: Brautbriefe wurden im Familienkreis vorgelesen

Die Verteilung der Rollen war lange Zeit klar geregelt: Der Mann ist aktiv, geht auf die Frau zu, bemüht sich um die Ehe. Die Frau ist eher zurückhaltend und fügt sich. Man kann sich vorstellen, dass ein Liebesbrief mit einer solchen Haltung heute bei den meisten kaum noch Aussicht auf Erfolg hätte. Und noch etwas unterscheidet die damaligen von den heutigen Liebesbriefen: Brautbriefe wurden im ganzen Familienkreis vorgelesen.

Brautbriefe aus dem Jahr 1887 von Gustav Lilienthal, dem Bruder Otto Lilienthals, an seine spätere Frau Anna. Früher war es üblich, Brautbriefe in der ganzen Familie vorzulesen.
Brautbriefe aus dem Jahr 1887 von Gustav Lilienthal, dem Bruder Otto Lilienthals, an seine spätere Frau Anna. Früher war es üblich, Brautbriefe in der ganzen Familie vorzulesen.

Die Geschichte des Liebesbriefes geht Hand in Hand mit der Entwicklung neuer Kommunikationstechnologien. Als in den 1970er-Jahren das Telefon in fast alle Haushalte Einzug hält, schreiben die Menschen auch weniger Liebesbriefe. Ein Knick, der auch im Koblenzer Liebesbriefarchiv spürbar ist, so Projektleiterin Birte Gnau-Franké.

Internet: Millionen Herzchen-Emojis täglich

Doch wer denkt, das Internet hätte dem Liebesbrief den Todesstoß versetzt, der irrt. Millionenfach werden heute täglich Emojis mit Herzchen oder Küsschen hin und her geschickt, aber auch Post-its an Kühlschränke, Kopfkissen, Computer geklebt oder Karten mit romantischen Motiven zur Post gebracht.

Liebesbotschaften sind heute Privatsache, zudem hat sich ihre ganze Sprache und die genutzten Technologien geändert
Liebesbotschaften sind heute Privatsache, zudem hat sich ihre ganze Sprache und die genutzten Technologien geändert

Liebesbriefe oder Liebesbotschaften sind also keineswegs überflüssig geworden – sie haben nur andere Ausdrucksformen gefunden. Und so lange es Liebende gibt, gibt es wohl auch Liebesbriefe.

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