Musikthema

Zum 50. Todestag: Ingeborg Bachmann und die Musik

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AUTOR/IN
Bernd Künzig

Heute vor fünfzig Jahren ist Ingeborg Bachmann an den Folgen einer Verbrennung verstorben, die sie in ihrer Wohnung in Rom erlitten hatte. Ihr Tod ist bis heute rätselhaft. Der mit ihr eng befreundete Komponist Hans Werner Henze vermutete sogar einen mörderischen Anschlag. Mit ihm hat Ingeborg Bachmann mehrfach zusammengearbeitet. Bernd Künzig stellt die Beziehung der Dichterin zur Musik vor.

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Bachmann und Henze – die Begegnung 1952

Bei einer Tagung der „Gruppe 47“ im Jahr 1952 lernen sich Henze und Ingeborg Bachmann kennen. Sie flunkert ihm vor, antimoderne kärntner Heimatromane zu schreiben und zu Reportagezwecken anwesend zu sein. Doch ihr maßgeschneidertes Wiener Kostüm macht ihn misstrauisch und schon am nächsten Tag hört er sie ihre Gedichte vortragen.

Sie war sechs Tage älter als ich, aber ihr Wissen – um die Welt, um die Menschen, um die Dinge der Kunst – übertraf das meine um zweitausend Jahr. Ich lehnte mich an sie an, ihr Geist half meiner Schwachheit auf. 

Sechs Werke entstehen in Zusammenarbeit

Sechs Werke schreiben sie gemeinsam. Zunächst die Ballettpantomime „Der Idiot“ nach dem Roman Dostojewskis. Ingeborg Bachmann verfasst Szenario und reflektierende Monologe. Für ihr Hörspiel „Die Zikaden“ komponiert Henze die Musik. Danach vertont er die beiden Gedichte für „Nachtstücke und Arien“.

Dann, 1960 und 1965, folgen von ihr die Libretti zu seinen beiden Opern „Der Prinz von Homburg“ und „Der junge Lord“. Zuletzt noch das Chorstück „Lieder von einer Insel“.

SWR2 lesenswert Feature „Die Verbrennung". Berichte – Erinnerungen – Mutmaßungen zum Tod von Ingeborg Bachmann in Rom

Das Feature verwebt Christine Koschels Erinnerungen, ergänzt und relativiert durch andere Quellen, mit der Stimme Bachmanns zu einem Bild der Dichterin an der Schwelle des Todes. Sie starb am 17.Oktober 1973. (Produktion ORF 2022)

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Aus dem preußischen Soldaten wird ein träumender Prinz

Die Vorlage zur Oper „Der Prinz von Homburg“ ist ausgerechnet Heinrich von Kleists preußisches Militärdrama. Henze, ehemals jugendlicher Wehrmachtssoldat, und die sensible Lyrikerin verachten nichts so sehr wie Militarismus und Faschismus. Alles Martialische wird der Stückvorlage ausgetrieben, das Orchester kammermusikalisch reduziert geführt und der Prinz in einen liebenden Träumer verwandelt. Es ist auch ein Kommentar zur Wiederbewaffnung der BRD.  

Die zweite gemeinsame Oper nach einem Märchen von Wilhelm Hauff wird zu einer ironischen Abrechnung mit dem deutschen Spießbürgertum. Das lässt sich einen in den Anzug gesteckten Affen als englischen Lord verkaufen. Lediglich das sanfte Liebespaar Luise und Wilhelm entgeht dem ätzenden Spott.

Für mich ist Musik größer als alles, was es gibt an Ausdruck. Dort haben die Menschen das erreicht, was wir durch Worte und durch Bilder nicht erreichen können

Bachmann und Henze verbindet eine unerfüllte Liebe

In diesem innigen Paar könnten sich Ingeborg Bachmann und Hans Werner Henze gespiegelt haben. Beide verbindet eine unerfüllbare Liebe. Henze ist schwul und Bachmann kann Celan nicht überwinden. Man lebt zeitweise zusammen, dann in enger Nachbarschaft. Beide kehren dem bundesrepublikanisch-österreichischen Gesellschaftsmief der 1950er Jahre den Rücken und wandern nach Italien aus.

Ingeborg Bachmanns rätselhafter Verbrennungstod 1973 in Rom ist das Ende einer persönlich wie künstlerisch großen symbiotischen Beziehung. Literarisch bezeugt das ihr umfangreicher Briefwechsel.

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