Musikstück der Woche vom 22. bis 28. August 2011

Glänzt, neue Sterne!

Stand
AUTOR/IN
Doris Blaich

Jean-Phillipe Rameau: Suite aus der Oper "Castor et Pollux"

Zwei Stars auf der Opernbühne: Die Zwillinge Castor und Pollux lieben sich so sehr, dass sie für den anderen auf alles verzichten würden. Zum Lohn erlangen sie als Sterne die Unsterblichkeit. Jean-Philippe Rameau hat aus dem Stoff eine der Erfolgsopern des 18. Jahrhunderts gemacht. Die Orchestersuite daraus ist unser Musikstück der Woche. Das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg spielt unter Leitung von Sylvain Cambreling.  

Das Sinfonieorchester Baden-Baden Freiburg
Das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg

Manch einer assoziiert bei „Castor“ die unliebsamen Behälter für hoch radioaktiven Müll oder bei dem Begriffspaar „Castor und Pollux“ die nüchternen Zwillings-Hochhäuser in Frankfurt am Main. In unserem Musikstück der Woche klingen dagegen große und hehre Gefühle an. Die Brüder Castor und Pollux lieben sich so sehr, dass sie bereit sind, das eigene Glück für das Wohl des anderen aufzugeben: Der eine verzichtet auf seine Braut, als er erkennt, dass sie viel besser zu seinem Bruder passt, der andere würde gar sein Leben dafür lassen, um den verstorbenen Bruder aus der Unterwelt zu befreien.

Jean-Philippe Rameau hat den Stoff mit seiner Oper „Castor et Pollux“ auf die Bühne gebracht, zunächst im Jahr 1737 und dann in gründlicher Überarbeitung noch einmal 1754. Diese zweite Fassung erlebte innerhalb der nächsten 30 Jahre 254 Aufführungen – für damalige Verhältnisse astronomische Zahlen!

Claude Debussy erlebte 1903 eine Wiederaufführung und war begeistert: „In Rameaus Werk besitzen wir eine rein französische Tradition, geformt aus empfindsamer und liebenswürdiger Zartheit ... ohne diese Sucht nach deutscher Tiefe, ohne diese Neigung, alles mit dem Holzhammer zu unterstreichen und bis zur Bewusstlosigkeit zu erklären“ – Rameaus Musik als Inbegriff der französischen Eleganz und eines musikalischen Esprit, der mit Klugheit und Finesse den sprudelnden Ideenreichtum bändigt und dramaturgisch höchst wirkungsvolle Szenen auf die Bühne zaubert.

Instrumentales Kondensat

Wie in allen Bühnenwerken Rameaus, gibt es auch in „Castor und Pollux“ etliche Instrumentalsätze, bei denen die damals obligate Ballett-Kompagnie das Publikum erfreute. Vier daraus haben wir zu einer Suite zusammengefasst: Natürlich die (unvertanzte) Ouvertüre, die laut Debussy „den Klanggrund“ biete, der nötig sei, „damit die Damen beim Niedersitzen die Seide ihrer Reifröcke reihum entfalten können“. Danach eine Gavotte und ein rascher Tambourin aus dem Prolog der Oper. An letzter Stelle folgt eine Chaconne – ein Tanz mit einem ostinaten Bass, der als Lieblingstanz Ludwigs XIV. noch sehr lange das klangliche Synonym für die Prachtentfaltung Frankreichs war. In der französischen Barockoper steht die Chaconne traditionell am Ende – hier wird damit das glückliche Ende gefeiert: die Erhebung von Castor und Pollux ins Sternbild der Zwillinge. Eingerahmt ist der Tanz von einem Jubelchor und der Ariette eines singenden Planeten: „Glänzt, neue Sterne! Schmückt die Himmel, regiert die Flut“, heißt es da im Text. Und weiter: „Himmel und Erde und Meer mögen in tausend Feuern erglänzen! Das ist der Befehl des Herrschers der Welt, das ist das Fest des Universums!“ 

SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg

Sylvain Cambreling dirigiert
Der Dirigent des SWR Sinfonieorchesters Sylvain Cambreling

Die Geschichte des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg reicht in das Jahr 1946 zurück. Sie ist geprägt von unroutiniertem Umgang mit der Tradition, Aufgeschlossenheit für das Neue und Ungewöhnliche: Tugenden, über die auch Chefdirigent Sylvain Cambreling in ungewöhnlichem Maße verfügt. Seit 1999 hat er mit dem Orchester gearbeitet. Zu Beginn der kommenden Konzertsaison wird er seinem Nachfolger Francois-Xavier Roth die Position des Chefdirigenten überlassen.

Dass man mit hohen Ansprüchen Erfolg haben kann, beweist das Orchester bis heute. Mehr als 300 von ihm eingespielte Kompositionen sind auf CD erschienen, und es reist seit 1949 als musikalischer Botschafter durch die Welt. Zahlreiche Gastspiele verzeichnet die Orchesterchronik, darunter regelmäßig zum Festival d’Automne Paris, den Salzburger Festspielen, nach Wien, Berlin und Edinburgh, Brüssel, Luzern, Strasbourg, Frankfurt... 

Das Sinfonieorchester Baden-Baden Freiburg
Das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg

1999 spielte das Orchester in der New Yorker Carnegie Hall u.a. die amerikanische Erstaufführung von Bernd Alois Zimmermanns "Requiem für einen jungen Dichter". Vielbeachtete Großprojekte fanden in den letzten Jahren unter anderem bei den Salzburger Festspielen, bei der 1. RUHRtriennale und in der Kulturhauptstadt Europas Graz statt. 2005/06 wurden - neben dem orchestereigenen 60. Geburtstag - sowohl Mozarts 250. als auch Helmut Lachenmanns 70. Geburtstag in etwa einem Dutzend Konzerten zwischen Wien und Paris, Brüssel und Berlin gefeiert.

Ungewöhnliche Konzert-Konzepte unterstreichen das besondere Profil des Orchesters: So etwa die Verschränkung von Haydns "Sieben letzten Worten" in einer den Raum einbeziehenden Bearbeitung von Sylvain Cambreling mit Messiaens "Et exspecto resurrectionem mortuorum" und literarisch-theologischen Betrachtungen von Martin Mosebach, oder eine "Hommage à Mozart" gemeinsam mit dem Freiburger Barockorchester.

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Doris Blaich