Liebesbeziehung zur Klassik
Der Sohn eines indischen Ingenieurs und einer luxemburgischen Kunsthistorikerin begann schon in seiner Kindheit in Indien mit dem Klavierspiel, war in seiner Jugend „völlig fasziniert von klassischer Musik“ und erhielt am Konservatorium der Stadt Luxemburg eine gründliche Musikausbildung. Heute setzt er sich als begeisterter Freizeitpianist noch immer gerne an die Tasten.
Viel wichtiger aber ist für den 64-Jährigen, was von der ganz frühen Faszination und Prägung geblieben ist: „Ich habe zur klassischen Musik eine tiefe Liebesbeziehung.“ Ohnehin seien für ihn Wissenschaft und Kunst nie zwei getrennte Welten gewesen.
Whiskyprobe mit György Ligeti
In den 1970er-Jahren gehörte er in Luxemburg zu den Mitgründern der „Musica Nova“, einer Reihe für zeitgenössische Musik. Den jungen, musikbegeisterten Quantenphysiker faszinierten die künstlerischen Labore der Avantgarde.
Ranga Yogeshwar berichtet von seiner Bekanntschaft mit den großen Komponisten der damaligen Zeit, etwa John Cage, Mauricio Kagel, Karlheinz Stockhausen, Frederic Rzewski oder György Ligeti, an dessen Seite er an einer Blindverkostung verschiedener Whiskysorten teilnahm: „Auf sie möchte ich allerdings ein Leben lang nicht mehr zurückkommen“, stellt er schmunzelnd fest.
Jacob Collier: Der moderne Mozart
Im Zeitalter von YouTube kann Yogeshwar aber auch von anderen Musik-Größen schwärmen, etwa dem durch YouTube berühmt gewordenen Sänger und Multiinstrumentalisten Jacob Collier: „Das klingt jetzt ein bisschen fett, aber ich würde sagen: Wenn Mozart heute noch einmal leben würde, dann würde er Jacob Collier heißen. Das musikalische Talent dieses jungen Mannes ist großartig!“
Oder der Schweizer Komponist Mario Batkovic, der auf seinem Instrument – dem Akkordeon – einen faszinierend neuen Stil entwickelt hat und dessen Musik Yogeshwar in seiner ARD-Doku „Der große Umbruch – Wie Künstliche Intelligenz unser Leben verändert“ verwendet hat.
„Was ist wirklich Mensch?“
Überhaupt: die KI. Seit Jahren verfolgt Ranga Yogeshwar ihre Entwicklung, ihre Chancen und Risiken mit einer kritischen Offenheit. Bei einem Turing-Test stellt er die Hörer*innen auf die Probe und fragt anhand kurzer Klavierstücke, ob hier ein Mensch oder eine Maschine spiele.
Sein Fazit: „Wir können das heute kaum mehr unterscheiden.“ Dabei wisse jeder: „Maschinen fühlen nicht wie wir Menschen. Aber wir brauchen auch eine Debatte darüber, die klar benennt: Was ist jetzt wirklich Mensch? Was zeichnet uns aus als Menschen? Gehört nicht zum Beispiel auch das Fehlerhafte und Imperfekte zu unserem kulturellen, gesellschaftlichen und menschlichen Selbstverständnis?“
Man könne mit KI Großartiges machen, müsse aber wissen, wo man selber steht. „In der Kunst geht es nicht nur um das Endprodukt. Entscheidend ist vor allem der Prozess des Erschaffens, das Ringen zum Teil über Jahre hinweg, bis ein großes Kunstwerk entsteht.“ Die neue Technik zu nutzen, um daraus eine neue Kunst zu entwickeln, könne faszinierend sein.
Musik-Dilemma beim Arbeiten
Wenn er Musik höre, dann sehr bewusst, sagt Yogeshwar – „im Auto, auf den Kopfhörern, wenn ich unterwegs bin, zuhause“. Musik hören und parallel arbeiten, das könne er nicht. „Dann ist mein Kopf in einer Dilemma-Situation: Dann muss er sich für die Musik entscheiden – und ich kann nicht mehr klar denken.“
Ohnehin begännen wir erst allmählich, die Wirkungen der Musik zu verstehen: „Alle Kulturen der Welt haben Musik! Musik verbindet Gemeinschaften, sie lässt uns über die Realität hinausschauen, und schon die alten Griechen kannten Musiktherapie. Die Musik steht für die Dinge in unserem Leben, die sich nicht immer benennen, messen und evaluieren lassen, sondern die einfach da sind und von einem Menschen zum andern schwingen.“
Wagner mit den Enkelkindern in der Waschanlage
Ranga Yogeshwar erzählt von seiner Leidenschaft als Musikvermittler und den Defiziten in unserem öffentlichen Denken und Reden über Musik: „Wir müssen anders, freier denken und offener über Musik sprechen. Weg mit der alten Muff-Sprache aus den Programmheften! Dann gewinnt man auch neue Menschen. Und die anderen gewinnt man auch, denn die sagen: Ich hab‘ das immer gelesen, aber jetzt verstehe ich das sogar!“
Und auch die eine oder andere musikalische Sternstunde bringt Ranga Yogeshwar in die Sendung mit, nach dem sogar ein Asteroid benannt ist: „(20522) Yogeshwar“.
Er erzählt, welche Musik ihn schwerer atmen lässt beim Blick aus dem Flugzeugfenster, er erklärt, warum er mit seinen Enkelkindern Richard Wagners „Rienzi“-Ouvertüre in der Waschanlage hört und teilt seine Gedanken mit, die ihm kommen, wenn er einen Regenbogen sieht oder in einer Sommernacht im Gras liegt und in den Sternenhimmel schaut.