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Tahir Hamut Izgil: In Erwartung meiner nächtlichen Verhaftung

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„Uigurische Notizen“ lautet der Untertitel dieses Buchs, doch das ist eher Understatement. Tahir Hamut Izgil wurde 1969 in der Region Xinjiang im westlichen China geboren. Mitte der 1990er-Jahre wurde der auf uigurisch schreibende Lyriker verhaftet; angeblich, weil er geplant hatte, sensible Informationen außer Landes zu schaffen. Drei Jahre verbrachte Izgil in einem Umerziehungslager. 2017 gelang ihm die Flucht vor den Masseninternierungen der Uiguren durch das chinesische Regime. Er konnte mit seiner Familie das Land verlassen und lebt nun in den USA. Das veranlasste den Historiker und Übersetzer Joshua Freeman zu der Bemerkung: „Bestellte man sich vor ein paar Jahren in Washington, D. C. ein Uber, war es gut möglich, von einem der größten lebenden Dichter uigurischer Sprache chauffiert zu werden.“

„In Erwartung meiner nächtlichen Verhaftung“ protokolliert Szenen aus einem Leben unter ständiger Beobachtung. Plötzlich stehen Menschen vor seiner Haustür, die ihn für eine Registrierung mitnehmen; eine Routine, angeblich, doch die Situation wird schnell gefährlich. So wie Izgil seine Umwelt stets scharf im Blick hat, beobachtet er auch permanent sich selbst, seine Ängste und Reaktionen.

Er erzählt von der kompletten Zerstörung einer Volksidentität, von Schnellprozessen, zwangsweisen Namensänderungen, Unterdrückung von kulturellen Gepflogenheiten, ethnischen Säuberungen. Menschen verschwinden, Nachbarn bespitzeln. Es ist ein nüchternes Buch, geschrieben mit äußerster Selbstdisziplin, denn der Autor weiß: Jedes Wort kann zum Verhängnis werden.

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Autor/in
SWR