
Der neue „Doktor Who“ ist jung und Schwarz
Die Rolle des Doktors in der britischen TV-Serie „Doctor Who“ ist einer der großen Wanderpokale der Fernsehgeschichte. Seit 1963 haben 13 Schauspieler und eine Schauspielerin dem zeitreisenden Timelord ihr Gesicht geliehen. Der Wechsel von einem Doktor zum nächsten wird vor allem in der britischen Presse immer wieder mit Spannung erwartet.
Entsprechend groß war das Medienecho, als im Mai 2022 der 30-jährige Ncuti Gatwa die Rolle übernehmen sollte. Zuletzt spielte Jodie Whittacker den Doktor als erste weibliche Darstellerin der Hauptfigur. Darauf folgte ein kurzes Intermezzo von Fanliebling David Tennant, der schon in den 2000ern den 10. Doktor gespielt hatte.
Die Besetzung des Schwarzen Schauspielers, damals 30 Jahre jung, bedeutete eine deutliche Abkehr von früheren Inkarnationen des Doktors, der traditionell von reiferen weißen Männern gespielt wurde.
Ich denke, der Doktor hat eine Einsamkeit, einen Kummer und eine Traurigkeit, die er versucht, mit Abenteuern, Chaos und Übermut zu füllen.
Geboren in Ruanda, aufgewachsen in Schottland
Geboren wird Ncuti Gatwa 1992 in der ruandischen Hauptstadt Kigali. Seine Eltern flüchten 1994 vor dem ruandischen Völkermord. Gatwas Vater, ein Journalist und offener Kritiker von Präsident Juvénal Habyarimana, fürchtete um die Sicherheit seiner Familie.
Die Familie findet Asyl in Schottlands Hauptstadt Edinburgh. Hier verbringt Ncuti Gatwa seine Kindheit und Jugend. 2013 schließt er seine Schauspielausbildung am Königlichen Schottischen Konservatorium in Glasgow ab.

Mit seinem energiegeladenen Spiel tut sich Gatwa schnell auf den Bühnen hervor. 2014 findet seine Darbietung als Mercutio in „Romeo und Julia“ in Manchester große Beachtung. Ein Jahr später gibt er in einer Nebenrolle in „Shakespeare in Love“ sein Debüt im Londoner Westend, 2016 spielt er Demetrius in einer gefeierten Inszenierung von Shakespeares „Sommernachtstraum“ am Globe Theatre.
Internationaler Durchbruch in „Sex Education“
Der Durchbruch kommt für Ncuti Gatwa 2019 mit der Netflix-Serie „Sex Education“. In der Serie über den Sohn einer Sexualtherapeutin, der an seiner Schule Sex-Sprechstunden für hormonell überforderte Teenagerinnen und Teenager anbietet, spielt Gatwa Eric, den besten Freund von Hauptfigur Otis (Asa Butterfield), den schwulen Sohn einer konservativ-gläubigen ghanaisch-nigerianischen Familie.

Schnell etabliert sich Gatwa als Fan-Favorit. Seine positive Ausstrahlung, seine offen und positiv konnotierte Queerness und schließlich seine Beziehung zum früheren Pausenhoftyrannen Adam (Connor Swindells) kommen beim Publikum gut an. Die Rolle spielt Gatwa über vier Staffeln bis zum Serienfinale 2023.
Seine Rolle bewegt ihn zum Outing im realen Leben
Gatwa ist nicht nur im Fernsehen queer: 2023 outet sich der Schauspieler in einem Interview mit der Zeitschrift „Elle“. Er hätte es bislang bevorzugt, sich nicht zu Spekulationen zu äußern, doch seine Rolle in „Sex Eucation“ und der Kontakt zu anderen ruandischen queeren Menschen hätten ihn in seiner Identität bestätigt.

2023 ist Gatwa auch im Sommerhit des Jahres zu sehen: In „Barbie“ spielt er neben Ryan Gosling und Simu Liu eine weitere Version der Ken-Puppe. Zwar agiert Gatwa hier vorwiegend im Hintergrund, seine Körperlichkeit beschert ihm aber – wie generell den Kens im Film – hohe Sympathie-Werte.
„Doktor Who“: So gut wie lange nicht mehr

Nun ist Gatwas erste Staffel als Titelheld von „Doktor Who“ zu Ende gegangen. Die Bilanz der Presse: So gut wie jetzt war die Serie lange nicht mehr. Die New York Times redet sogar von einer neuen Ära.
Die Lorbeeren hierfür gehen nicht alleine an den Hauptdarsteller – immerhin kehrte mit Erfinder Russell T Davies der Mann als Showrunner zurück, der 2005 die Figur wiederbelebte und bis heute als eine der Triebfedern für den anhaltenden Erfolg der Serie gilt.

Der Doktor einer neuen Generation
Ncuti Gatwa ist es gelungen, seinen Doktor mit jugendlichem Charme und Dynamik einem neuen Publikum zu öffnen – und er ist der erste Doktor mit queeren Gefühlen: In einer an „Bridgerton“ angelehnten Folge küsst Gatwas Doktor einen anderen Mann.
Ein schwuler Doktor? Für Ncuti Gatwa passt das absolut: „Wir wählen unsere Familien“, sagt er im Gespräch mit dem Guardian, „und der Doktor ist ein einsamer Wanderer auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer. Ich kenne viele schwule Männer, die ich so beschreiben könnte.“
Eine 15. Staffel von „Doktor Who“ wurde bereits im Juli 2023 angekündigt. Ncuti Gatwa bleibt seiner Rolle bis auf weiteres treu – in seiner Zeitmaschine TARDIS auf dem Weg in eine vielversprechende Zukunft.