SWR Aktuell: Du hast Diabetes Typ 1 seit du elf Jahre alt bist. Wie hat sich denn die Krankheit bei dir bemerkbar gemacht damals?
Emma: Ich habe bis zu zehn Liter Wasser am Tag getrunken und musste dementsprechend auch sehr oft auf die Toilette, hatte extreme Müdigkeit und Übelkeit. Dann kam die Diagnose.
Am Anfang habe ich das gar nicht richtig verstanden, weil ich ja mit elf Jahren noch nicht so viel Ahnung davon hatte. Von Bekannten oder älteren Familienmitgliedern kannte ich das zwar ein bisschen, aber im ersten Moment dachte ich tatsächlich, ich kann nie wieder zum Ballett oder Turnen gehen.
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SWR Aktuell: Wie war das für deine Familie?
Emma: Da in meiner Familie Diabetes auch bekannt ist, zwar nicht Typ 1 sondern Typ 2, war das natürlich erstmal einen Schock. Aber wahrscheinlich nicht so groß wie bei anderen Familien. Trotzdem hat sich im ersten Jahr hauptsächlich alles wirklich nur um mich und meine Krankheit gedreht.
Ich musste lernen, wie man den Blutzuckerspiegel regelmäßig kontrolliert, auch Insulin zu spritzen; wie man reagiert, wenn der Blutzucker zu hoch oder zu niedrig ist. Dazu kommt das Kopfrechnen, wie viele Kohlenhydrate die Mahlzeiten haben, um umzurechnen, wie viele Einheiten Insulin man sich spritzen muss.
SWR Aktuell: Gab es einen besonderen Moment, der dir geholfen hat, besser mit Diabetes umzugehen?
Emma: Also das Erste, woran ich mich erinnere, ist, dass ich mit dem Verdacht auf Diabetes ins Krankenhaus eingewiesen wurde. Dann kam ich in die Notaufnahme und die Ärztin dort hat ihr T-Shirt hochgehoben und hatte selbst eine Insulinpumpe. Da habe ich gedacht: Okay, ist vielleicht noch nicht das Ende der Welt.
SWR Aktuell: Und trotzdem viele Herausforderungen für so einen jungen Menschen, oder?
Emma: Ja. In der Schule war die Herausforderung erst mal, dass ich es am Anfang gar nicht allein geschafft habe, mich zu spritzen, weil ich Angst vor Nadeln habe. Da musste immer meine Mama in die Schule kommen und mir helfen. Die Lehrer haben das meist gut aufgenommen.
Es gab natürlich auch Ausnahmen. Ich wurde tatsächlich schon aus dem Klassenzimmer geschmissen, mit der Aussage, ich würde vom Unterricht ablenken. Also das war nicht immer sehr einfach.
SWR Aktuell: Wie lief das in der Pubertät?
Emma: Tatsächlich sehr schlecht. Ich hatte auch so mit 13 bis 15 Jahren Schwierigkeiten, meinen Diabetes anzunehmen, was sich darin geäußert hat, dass ich zum Beispiel das Spritzen vernachlässigt habe oder einfach gegessen habe, ohne zu spritzen. Dass ich mich einfach auch nicht mehr um den Blutzucker gekümmert habe, wie man es normalerweise machen sollte.
Es war eine Trotzreaktion auf die Fragen: Warum bin ich nicht einfach normal wie alle anderen? Warum muss mich jetzt die Krankheit erwischen?
Das hat sich Gott sei Dank dann wieder eingependelt, auch durch Unterstützung von Freunden und Familie. Aber im Gegensatz zu Leuten, die ich kenne, die es im Kleinkindalter bekommen haben, war das für mich schon eine größere Belastung.
SWR Aktuell: Wie können dir denn Freunde und Familie helfen?
Emma: Also meinen engsten Freunden habe ich allen eine Einweisung gegeben, was zu machen ist, wenn ich über- oder unterzuckert bin und mir nicht selber weiterhelfen kann. Meine Eltern haben mich in jeder Hinsicht immer zu 100 Prozent unterstützt.
Genau das Gleiche auch bei meinem Freund. Ihm habe ich auch beigebracht, wie man mich im Notfall spritzt mit einer Einmalspritze, wenn mal was nicht funktionieren würde. Oder auch, wie man meine Notfallspritze für eine extreme Unterzuckerung anwendet. Alle in meinem Umfeld sind informiert und sehr hilfsbereit.
SWR Aktuell: Wie gehst du mit Situationen um, in denen andere Menschen wenig Verständnis für deine Krankheit haben?
Emma: Schwierig. Ich habe es schon erlebt, aber nur von Lehrern. In solchen Situationen habe ich dann immer einfach nichts dazu gesagt, weil ich mir immer gedacht habe, dass ich unnötigem Streit aus dem Weg gehen möchte, weil ich wusste, das sind Personen, die es eh nicht einsehen.
Ich habe mich dann aber am meine Ärztin gewandt. Die hat dann ein Schreiben verfasst an eine Lehrerin, die mich beschuldigt hat, Unterzuckerung vorzutäuschen, um nicht im Sportunterricht mitmachen zu müssen. Und das war so ziemlich das Einzige, wo ich dann versucht habe, mich zu erklären.
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SWR Aktuell: Jetzt bist du volljährig, und trotzdem die Frage: Hast du manchmal Angst?
Emma: Angst ist relativ. Vor der Erkrankung an sich habe ich keine Angst mehr, weil ich einfach weiß, dass ich damit ganz normal leben kann. Das Einzige, wovor ich wirklich Angst habe, ist davor, dass mein Verhalten in der Vergangenheit, als mein Zucker so schlecht war, mich im Alter einholt und Effekte erscheinen, woran ich vielleicht zu dem Zeitpunkt nicht gedacht habe. Aber ansonsten habe ich tatsächlich keine Angst.
Ich habe eigentlich auch keinerlei Einschränkungen aufgrund der Krankheit, außer dass ich vielleicht mal, wenn wir im Sommer am Schwimmbad sind, fünf Minuten am Rand sitzen muss, wenn der Zucker ein bisschen niedrig ist. Aber ansonsten führe ich wirklich ein ganz normales Leben.
SWR Aktuell: Was müsste aus deiner Sicht jeder über Diabetes wissen?
Emma: Dass es nicht immer durch Übergewicht kommt. Jedes Mal früher, wenn es hieß, ich habe Diabetes, kam die Antwort: aber du bist doch gar nicht dick, oder du bist doch gar nicht alt. Und das ist so ein Vorurteil: Diabetiker sind generell dick, oder Diabetiker ernähren sich generell nur schlecht. Das ist so eine Aussage, da könnte ich wirklich an die Decke gehen.
SWR Aktuell: Und gibt es etwas, das du anderen jungen Menschen mit Typ 1-Diabetes sagen möchte?
Emma: Nur, dass man keine Angst haben muss vor der Zukunft, dass es alles gut wird. Und auch wenn man im Moment denkt, dass die komplette Welt zusammenbricht, wenn man die Diagnose bekommt. Man muss sich bewusst machen: Es geht nicht mehr weg, es bleibt das Leben lang, und man muss das Beste daraus machen.
SWR Aktuell: Wie sehen denn deine Pläne für die Zukunft aus?
Emma: Ich mache ja momentan Ausbildung. Ich bin im dritten Lehrjahr als Arzthelferin in einer Diabetesschwerpunktpraxis. Und dann, wenn ich fertig bin, will ich auf jeden Fall in dem Beruf bleiben. Einfach, weil ich weiß, dass ich selbst als chronisch Kranke vielleicht Menschen besser verstehen und vielleicht auch einfach besser helfen kann.