Heilkreise und Kontakte in die rechte Szene

Rechtsesoterisches Treffen im Eifelort Wißmannsdorf?

Stand

Morgengrüße und Bäume umarmen: Was bei der Gruppe "Kollektives Bewusstsein" harmlos klingt, soll Tendenzen in die rechtsextreme Szene haben. Mitglieder treffen sich nun in der Eifel.

"Liebe Freunde, in 4 Wochen treffen wir uns endlich in großer lichtvoller Runde", heißt es in der Einladung Ende Oktober im Telegram-Kanal "Kollektives Bewusstsein" für ein Treffen an diesem Wochenende. Die Einladung stammt von einem mehr oder weniger bekannten Esoteriker aus dem Raum Ahrweiler, der sogenannte "Deutschlandtreffen" und "Heilkreise" im ganzen Land veranstaltet.

Die machen irgendwelche Riten, legen geweihte Gegenstände ab, singen Mantren.

Von Freitag bis Sonntag soll nun ein solches Deutschlandtreffen in Wißmannsdorf nahe Bitburg stattfinden. "Da machen sie irgendwelche Riten, Gesänge, legen geweihte Gegenstände ab, machen Feuer, singen Mantren. Manchmal hören sie auch Lieder von Eros Ramazotti. Feiern sich gegenseitig, sind sehr bunt und fangen sich auch gegenseitig auf", erklärt eine Vertreterin der "Antifaschistischen Recherche Oberberg" (AROB). Die ehrenamtliche Recherchegruppe hat auch schon mit Redaktionen der ARD und der taz zusammengearbeitet.

Esoterik für verängstigte Menschen

Die AROB hat intensiv zu dem selbsternannten "Bewusstseinsbegleiter" und seinen Aktivitäten recherchiert. In dessen öffentlichem Telegram-Kanal mit mehr als 20.000 Followern sendet er regelmäßig Morgengrüße, sagt die Expertin: "Da kommen im allerbesten Eso-Sprech irgendwelche Halbweisheiten rüber. Das bezieht sich meist auf Versatzstücke aus der Coaching-Szene, der Yoga- und Gesundheitsbranche."

Zu seinen Deutschlandtreffen kämen vor allem Menschen aus der Coronaleugnerszene: "Ich bin der Meinung, dass die sich da mit einem Gefühl der Vereinzelung zusammenfinden. Wenn er dann Heilkreise anbietet, kann man selbst etwas tun. Dann kann man sich selbst auch für ein bisschen elitärer als die anderen halten. Sich mit Bäumen und sonstigen Kräften verbinden, dann hat man so etwas wie eine Illusion der Selbstwirksamkeit."

Screenshot des Telegram-Kanals von "Kollektives Bewusstsein".
Die Gruppe "Kollektives Bewusstsein" bemüht sich um die Organisation bundesweiter Vernetzungstreffen von Gleichgesinnten. Meist mit dem Zusatz "Satire", nach Einschätzung der AROB, um sich vor Strafverfolgung zu schützen.

Er selbst spricht kürzlich in einem Gespräch mit einem rechtsesoterischen Netzaktivisten auf Youtube darüber, bei seinen Heilkreisen aktiviere er Lichtkörper. Die Teilnehmenden sollen mit einem lauten Schrei die innere Macht rufen. Und er wolle Menschen über das Herzchakra vernetzen, nachdem man in der Coronazeit voneinander getrennt wurde.

So etwas verfängt bei seinem Publikum, sagt die Kennerin von der AROB: "Die gehen mit einer diffusen Wut hinein und dem Gefühl, abgehängt zu sein. Sie lassen ihren Emotionen und der Verängstigung Lauf und finden da Gleichgesinnte." In dieser Situation biete man ihnen in den Deutschlandtreffen eine völkisch-nationalistische Richtung an, so die Expertin: "Es sind oft keine politisch aktiven Leute. Die Veranstaltungen finden im kleinbürgerlichen Rahmen statt."

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Kontakte in die Reichsbürgerszene

Denn tatsächlich gehe es viel um die deutschen Ahnen und darum, das "deutsche Volk" zu heilen. Und vor allem im Telegram-Kanal des "Bewusstseinsbegleiters" ist es nicht immer harmlos: Dort gibt es Posts, die er unkommentiert stehen lässt, in denen User von einem Systemumsturz sprechen. In denen die neonazistische Kleinpartei "Der Dritte Weg" zu Wort kommt. Oder in denen man sich auf den "Tag X" vorbereite.

Screenshots solcher Posts liegen dem SWR vor. Ebenso von Solidaritätsbekundungen des Esoterikers mit inhaftierten Reichsbürgern oder anderen Verschwörungstheoretikern. "Er selbst verkauft sich immer als friedliebend, hat aber selbst vielfältige Kontakte in die Szene", so die Rechercheurin der AROB. Demnach haben seine Heilkreise auch regelmäßig auf einem Pferdehof bei Andernach stattgefunden. Der gilt laut Polizeipräsidium Koblenz als Treffpunkt der Reichsbürger- und Selbstverwalterszene.

Er selbst bestreitet in dem genannten Youtube-Video eine Nähe zur Szene. Er komme schließlich ursprünglich aus Italien, da könne er kein Reichsbürger sein. Und spricht gleichzeitig ohne nähere Erklärung vom "System", das ein "Spinnennetz" erschaffen habe.

Esoteriker hat "Brückenfunktion"

Die Gefahr liegt laut der Expertin darin, dass er eine Art Brückenfunktion habe, wenn Esoterikinteressierte auf seinem Kanal auch Kontakt zu Reichsbürgern und Neonazis bekommen: "Er selbst hat eine große Followerschaft. Der Austausch mit anderen findet in Chats statt und mit Veranstaltungen, bei denen Leute auftreten, die der rechten Szene zuzuschreiben sind."

Man weiß, dass sich innerhalb solcher Gruppen auch immer Leute radikalisieren.

Die Leute würden auf ihn schwören, weil er für sie eine charismatische Ausstrahlung habe. "Ich glaube einigen der Menschen auch, dass sie wirklich friedlich sein wollen und sich energetische Heilung erhoffen." Auf dem Weg von den Heilkreisen und Deutschlandtreffen hin zu einer Gewalttat gebe es sicher noch ein paar weitere Schritte, die man dem Esoteriker nicht zuschreiben kann. "Aber man weiß, dass sich innerhalb solcher Gruppen auch immer Leute radikalisieren und irgendwann Gewalttaten begehen."

Gemeinde Wißmannsdorf weiß nichts von rechten Tendenzen

Kann so etwas also auch in Wißmannsdorf passieren? Unklar ist, wie viele Menschen tatsächlich der Einladung für dieses Wochenende folgen. Klar ist aber, dass im Januar 2023 schon einmal ein solches Treffen im selben Hotel stattgefunden hat. Auch davon gibt es Screenshots aus dem Telegram-Kanal.

Die AROB hat außerdem recherchiert, dass dort schon während der Coronazeit mit den Lockdowns Veranstaltungen und Seminare stattgefunden hätten - auch mit impfverweigernden Ärzten. Ist das im Ort bekannt? "Das ist das erste, was ich höre", sagt Bürgermeister Rudolf Winter auf SWR-Anfrage zum aktuellen Treffen. Das Hotel sei eines von zwei Gasthäusern, die es noch im Ort gebe, in denen man noch ein Bier trinken geht.

Dass es dort Kontakte in die rechtsesoterische und Impfgegner-Szene gebe, sei der Gemeinde nicht bekannt, "ich werde da aber mal nachfragen. Bisher weiß ich definitiv nichts darüber", so Winter.

Rückwärtsgewandtes, traditionelles Frauenbild

Unabhängig davon, wie intensiv die Kontakte des "Bewusstseinsbegleiters" in die rechte Szene sind, ist klar, dass er ein rückständiges Weltbild verbreitet: Die Frau sei für Haushalt und Kinder zuständig und verbinde sich spirituell mit dem Mann, der die Familie als Krieger verteidige. Zudem äußert er sich - auch das belegen Nachrichten im Telegram-Kanal - feindlich gegenüber der queeren Szene.

Und auch das alles ist rechtes Gedankengut, sagt die Vertreterin der Antifaschistischen Recherchegruppe: "Einer der Diskurse in der rechtsoffenen Szene ist ein solches rückwärtsgewandtes, traditionelles Bild von Familie und den Geschlechtern."

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