Komplizierte Vorschriften, zu wenig Personal

Ein Jahr Mehrwegpflicht in Gastrobetrieben der Pfalz: Bisher kaum Kontrollen

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Birgit Baltes
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Seit Januar 2023 gilt auch in der Pfalz: Größere Gastroniemiebetriebe müssen Mehrwegverpackungen für Essen zum Mitnehmen anbieten. Die Bilanz: Wo kontrolliert wird, da gibts auch viele Verstöße.

Das Gesetz gilt für Lieferdienste, Restaurants, Cafés, Kantinen und Cateringanbieter, aber auch für Tankstellen und Supermärkte mit Mitnahme-Angeboten. Es verpflichtet die Betriebe, Mehrwegbehälter als Alternative zu Einweggefäßen aus Plastik anzubieten und darauf gut sicht- und lesbar hinzuweisen. Die Mehrwegverpackungen dürfen dabei nicht mehr kosten als Einwegverpackungen. Pfand ist aber möglich. Eine Ausnahme gilt für Betriebe mit bis zu fünf Beschäftigten und einer Fläche bis zu 80 Quadratmetern. Sie müssen nur darauf hinweisen, dass die Kunden statt der Einweg- ihre eigenen Mehrwegverpackungen mitbringen können.

In der Stadt Ludwigshafen ist die Abfallbehörde dafür zuständig, die Mehrwegpflicht zu kontrollieren, so Pressesprecher Christophe Klimmer auf SWR-Anfrage. Dabei wurde bereits vor Inkrafttreten des neuen Verpackungsgesetzes kontrolliert, ob Gastronomiebetriebe und Verkaufsstellen beispielsweise für Getränkedosen und Flaschen, wie vorgeschrieben, Pfand verlangen. Und es habe auch Kontrollen aufgrund von Hinweisen oder Beschwerden gegeben.

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Ludwigshafen: Viele Betriebe haben keine Ahnung, worum es geht

Im Zuge dieser Kontrollen sei allen Betrieben ein Informationsblatt mit den neuen Regeln zur Mehrwegpflicht überreicht worden. Die Infos seien auch in den Sprachen Englisch, Arabisch und Vietnamesisch erhältlich. Ein Fazit der Vollzugsbeamten fasst Klimmer so zusammen: "Insgesamt haben wir den Bedarf an weitreichender Aufklärung erkannt. Vielen Betriebe sind die Regelungen im Verpackungsgesetz nicht bekannt."

Mehrweg in Ludwigshafen: Verstöße in fast allen kontrollierten Betrieben

In Ludwigshafen hat es laut Pressesprecher im vergangenen Jahr 125 Kontrollen gegeben. Dabei hätten die Kontrolleure in fast allen Verkaufsstellen, die Speisen und Getränke zum Mitnehmen anbieten, Verstöße festgestellt. Entweder sei die Pflicht, Mehrwegverpackungen anzubieten nicht erfüllt worden, oder es sei nicht deutlich darüber informiert worden, dass Mehrweg statt Einweg genutzt werden könne.

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Bußgeld bis zu 10.000 Euro kann bei Verstoß fällig werden

Die Stadt Ludwigshafen ist nach eigenen Angaben aktuell noch dabei, die Betriebe über die Mehrwegpflicht zu informieren - weil einfach noch viel Aufklärungsbedarf besteht. Rein rechtlich sei es aber möglich, bei Verstößen gegen die Mehrwegpflicht ein Bußgeld bis zu 10.000 Euro zu verhängen.

Auch die zuständige Abfallbehörde der Stadt Neustadt erhebt aktuell noch keine Bußgelder. Laut Pressesprecherin Dagmar Staab steht am Anfang zunächst eine mündliche Verwarnung ohne Kosten, die nächste Stufe sei ein Bußgeld von 35 Euro, gefolgt von 50 Euro. "Wobei natürlich immer die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden muss", so Staab.

Neustadt an der Weinstraße: Etwa 320 Betriebe angeschrieben

Es habe fast ein Jahr gedauert, um die Betriebe, die unter die Mehrwegpflicht fallen, zu erfassen und die Mitarbeitenden der Stadtverwaltung für die Kontrolle zu schulen, da die Regeln des neuen Gesetzes "im Detail sehr komplex sind", so die Sprecherin der Stadt Neustadt. Die Beschäftigten der Abfallbehörde hätten unter anderem eine Weiterbildung zu dem Thema bei der Deutschen Umwelthilfe erhalten: "Dabei ging es zum einen darum, die Betriebe zunächst durch ein Anschreiben über die neuen Verpflichtungen zu informieren, und zum anderen, ihnen Hilfen an die Hand zu geben, wie zum Beispiel Vorlagen für Ausschilderungen zu gestalten sind", so Staab.

Inzwischen habe die Stadtverwaltung etwa 320 Betriebe angeschrieben, die Mehrweg anbieten müssen oder die als Kleinstbetriebe dazu verpflichtet seien, darauf hinzuweisen, dass man zur Mitnahme von Essen auch eigene Verpackungen mitbringen kann. Für Fragen gebe es einen direkten Ansprechpartner bei der Stadt.

Landau setzt bisher auf Dialog statt auf scharfe Kontrollen

In Landau hat das Ordnungsamt im vergangen Jahr die Gastrobetriebe im Zuge regulärer Kontrollen überprüft, teilte Stadtsprecherin Sandra Diehl mit. Die Mitarbeitenden seien für das Thema Mehrwegpflicht entsprechend sensibilisiert. "Scharf kontrolliert", ganz konkret auf die Mehrwegpflicht bezogen, werde aber in Landau erst in diesem Jahr, so Diehl.

"Wir weisen die Gastronominnen und Gastronomen auf die Mehrwegpflicht hin und tauschen uns mit ihnen aus, sowohl bei Kontrollen als auch bei sonstigen Gesprächen, bei runden Tischen und im Newsletter, den unsere städtische Wirtschaftsförderung regelmäßig an die Gastro und den Einzelhandel in Landau verschickt", so die Stadtsprecherin. Das Umweltamt habe zum Thema Mehrweg auch ein ausführliches Merkblatt mit vielen Infos erstellt. Außerdem sei in diesem Jahr eine Infoveranstaltung geplant, die über die Verpackungssteuer und die Mehrwegpflicht aufklären soll.

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Fazit: Mehrwepflicht wird in der Pfalz bisher kaum kontrolliert - Personal fehlt

Die Stadt Frankenthal teilte mündlich mit, dass es bisher an Personal fehle, um über die neuen Regelungen für Mehrweg zu informieren und diese zu kontrollieren. Eine dafür eingeplante Stelle sei wegen der schlechten Haushaltslage von der Landesaufsichtsbehörde ADD nicht genehmigt worden.

Auch andere Städte in der Pfalz wie Ludwigshafen stellen fest, dass weitere Kontrollen personalbedingt nicht möglich seien. Dazu schreibt die Stadt Luwigshafen: "Insgesamt wird eine Vielzahl von Forderungen und Gesetzen/Verordnungen von Bund und Land erlassen. Das notwendige Personal, welches für den Vollzug erforderlich ist, wird jedoch nicht für die Kommunen zur Verfügung gestellt oder die Voraussetzungen zu deren Aufstockung geschaffen.

BUND Rheinland-Pfalz: Es muss im Geldbeutel weh tun

Das bisherige Fazit des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Rheinland-Pfalz (BUND): Die Umsetzung der Mehrwegpflicht im Land läuft bisher nur schleppend, so der Sprecher für Umweltschutz Michael Ullrich. Die Regelungen zur Nutzung von Mehrweg seien zu kompliziert. Und sie böten den Anbietern zu viele Hintertüren, etwa indem beispielsweise beschichtete Verpackungen aus Papier und Aluminium als Verpackungsalternativen genutzt werden könnten.

Eine Abgabe oder Steuer auf Einwegsverpackungen müsse her, fordert Ullrich. Das Prinzip müsse ähnlich sein wie bei den Plastiktüten, die inzwischen fast komplett aus dem Handel verschwunden seien. Wenn der Kunde zum Beispiel für einen Einwegbecher mit einem Kaffee to Go 50 Cent mehr zahlen müsse, als für einen Mehrwegbecher, würde das sicher schnell Wirkung zeigen.

Umwelt Bundesamt fordert Mehrwegpflicht nicht nur für Plastik

Auch das Umwelt Bundesamt fordert, dass Einwegverpackungen für Essen und Trinken zum Mitnehmen so teuer werden müssen, dass es für die Menschen einfach unattraktiv wird, Einweg weiter zu benutzen und sie dann auf günstigere Mehrwegverpackungen umsteigen.

Aktuell gelte die Mehrwegpflicht für Essen zum Mitnehmen zudem nur für Verpackungen aus oder mit Kunststoff, teilt das Umwelt Bundesamt auf SWR-Anfrage mit. Es sei aber wichtig, auch andere Materialien wie Aluminium oder Pappe in diese Pflicht einzuschließen. Das verhindere, dass die Anbieter auf andere Einwegverpackungen ausweichen. Damit könnte das Ziel, die Müllberge für Einwegverpackungen deutlich zu verkleinern, nicht erreicht werden.

Eine weitere Forderung der Umweltschützer: "Getränke oder Lebensmittel, die vor Ort verzehrt werden, sollten verpflichtend in Mehrwegverpackungen ausgegeben werden. Denn gerade beim Verzehr vor Ort ist es in der Regel am leichtesten Mehrwegverpackungen zu nutzen."

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