Ein Gerichtssaal im Amtsgericht Ludwigshafen

Schöffenwahl 2023

Ludwigshafen: Mirjam Cohrs ist Richterin im Ehrenamt

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AUTOR/IN
Janosch Beyer
Porträt von SWR Reporter Janosch Beyer

Vor Gericht hat sie das gleiche Stimmrecht wie ein Berufsrichter. Mirjam Cohrs spricht über Chancen und Herausforderungen als Ersatzschöffin im Amtsgericht Ludwigshafen.

Mirjam Cohrs hatte es vor vier Jahren in der Zeitung gelesen: Die Stadt sucht Bürgerinnen und Bürger für das Schöffenamt. Für die 34-jährige war es eine willkommene Chance, sich für die Gemeinschaft zu engagieren. Und auch das persönliche Interesse spielte dabei eine Rolle: "Es ist eine gewisse Faszination dafür, wie funktioniert das Verbrechen? Man sieht es ja auch an den vielen Truecrime-Podcasts." Bei der Wahl ist sie dann Ersatzschöffin am Amtsgericht in Ludwigshafen geworden. Mehrmals im Jahr unterstützt sie die hauptberuflichen Richterinnen und Richter.

Wichtige Funktion für die Justiz

Ein Schöffengericht tritt zusammen, wenn es um Straftaten geht. Dabei haben die Schöffinnen und Schöffen das gleiche Stimmrecht wie der hauptberufliche Richter. Heißt in der Theorie, dass sie den Richter überstimmen können. Doch ein Urteil vor Gericht wird vorher im Team besprochen. Für den Direktor des Amtsgerichts in Ludwigshafen, Daniel Kühner, haben die Schöffinnen und Schöffen eine sehr wichtige Funktion: "Als Gericht sprechen wir Urteile im Namen des Volkes. Und dafür ist es wichtig, dass wir die sogenannten Laienrichter an der Gerichtsbarkeit beteiligen."

Für Mirjam Cohrs sind die Prozesse immer eine Herausforderung. Eine Situation fällt ihr immer noch schwer: wenn es um Freiheitsstrafen geht. "Ich sag mal, eine Geldstrafe tut jedem weh, aber zu sagen, ,Du hast etwas gemacht, dafür wird Dir die Freiheit entzogen', das finde ich, ist schon ein sehr krasser Einschnitt für einen Menschen", berichtet Cohrs.

Zwischen Brandanschlägen und Gefängnisstrafen

Einen speziellen Fall hat die Schöffin auch noch sehr gut im Gedächtnis. Nach einer Brandserie sollte ein Brandstifter verurteilt werden. Er hat immer wieder Mülleimer angezündet. Doch das Gericht sah ein, dass sich der Mann schon in Therapie begeben und wirklich versucht hat, sich zu ändern. Sogar seine Arbeitsstelle wurde trotz Untersuchungshaft für ihn freigehalten. Er kam mit Sozialstunden und einer Geldstrafe davon. "Seine Freundin hat geweint, als wir das Urteil verkündet haben", erzählt Cohrs.

Das ist generell eines der Dinge, die Mirjam Cohrs vor Gericht gelernt hat. Vielen Menschen kann das Gericht noch eine zweite Chance geben, das deutsche Recht lässt das zu. Gerade bei Menschen, die Ersttäter sind.

Vereinbarkeit mit Beruf und Familie

Die 34-Jährige ist froh, dass sie nur am Amtsgericht Schöffin ist. Bei Ihrer Bewerbung hat sie angegeben, dass sie auch für die kommende Amtszeit dort Schöffin sein möchte. Denn am Amtsgericht werden meist kleinere Prozesse verhandelt, die häufig nur einige Stunden dauern - im Gegensatz zum Landgericht, wo ein Schöffe auch mal zehn Tage lang an einem Prozess teilnehmen muss.

Die Laienrichterinnen und Laienrichter können im laufenden Verfahren nicht ausgetauscht werden. Für Cohrs' Arbeitgeber ist das in Ordnung. Sie wird für Fälle freigestellt, die einen Tag dauern. Für ihren Lohnausfall wird der Arbeitgeber vom Gericht entschädigt. Dabei hat Mirjam Cohrs den Vorteil, dass sie in der Verwaltung eines Unternehmen arbeitet. Genauer als Teamleiterin im Controlling. Dort ist es möglich, dass sie auch mal nicht anwesend ist, sie kann ihre Arbeit nachholen. Denn einen Prozesstermin ablehnen kann sie nur mit einer sehr triftigen Begründung.

Nachwuchs weiter gesucht

Derzeit läuft in den Städten die Auswahl der Schöffinnen und Schöffen für die kommende Amtszeit. Vielerorts besteht noch die Möglichkeit, auf die Vorschlagsliste zu gelangen. Das organisiert im Regelfall der Gemeinde- oder Stadtrat, gemeinsam mit der Verwaltung. Die Bewerber müssen mindestens 25 und höchstens 70 Jahre alt sein, benötigen die deutsche Staatsbürgerschaft und müssen frei von Vorstrafen sein. Bei Jugendschöffinnen und -schöffen wird auch eine erzieherische Erfahrung verlangt. Gerade junge Menschen werden gesucht. Denn, weil der Zeitaufwand so hoch ist, übernehmen häufig Rentnerinnen und Rentner diese Tätigkeit. Dieser Rentneranteil soll gesenkt werden.