„Wir sind in der Mitte der Gesellschaft verankert“: BW-Verfassungsschützerin Bube trotz Angriffen von Extremisten optimistisch

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Andreas Herrler

Extremisten versuchen immer wieder, die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern zu schwächen – vor allem durch verbale Angriffe und durch Klagen. Heute geht in Münster der Prozess um die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz weiter. Die Präsidentin des baden-württembergischen Verfassungsschutzes erklärt im Gespräch mit SWR-Aktuell-Moderator Andreas Herrler, warum sie sich keine Sorge um die Stellung ihrer Behörde in der Gesellschaft macht.

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SWR Aktuell: Wie immun ist denn der Verfassungsschutz gegen Angriffe von Rechtsaußen?

Beate Bube: Zunächst einmal kann ich sagen: Kritik, ob das sachliche oder unsachliche, Verleumdungen, Angriffe, gab es und gibt es aus unterschiedlichen Richtungen immer mal wieder. Damit muss man umgehen und fragen: Steckt da irgendwas? Oder welche Ziele werden damit eigentlich verfolgt? Hier in Baden-Württemberg ist nach meiner Wahrnehmung der Verfassungsschutz in der Mitte der Gesellschaft und auch in der Mitte des politischen Raumes gut verankert. Wir haben einen hohen Rückhalt und sind auch sehr stark nachgefragt. Das ist die Verankerung auch in der Gesellschaft, die ist letzlich auch guter Schutz gegen Angriffe.

SWR Aktuell: Sie haben die Verleumdungen schon angesprochen. Es gibt ja durchaus wieder auch Lügen und Gerüchte, die von Rechtsextremisten wie vielleicht auch von AfD-Politikerinnen und -politikern, ganz gezielt über den Verfassungsschutz verbreitet werden. Wie gehen Sie damit um?

Bube: Das Verbreiten von Lügen, Fake News, Desinformation, um Stimmung zu machen, auch das ist nichts Neues. Da ist wieder die Frage: Aus welcher Ecke kommt das, muss man das überhaupt ernst nehmen? Wenn es geboten ist, kann man dem in Einzelfall auch mal widersprechen. Aber der Verfassungsschutz hat die primäre Aufgabe, die Öffentlichkeit, auch die Politik, viele Adressaten zu informieren – und das auf sachlicher Ebene und Grundlage zu tun. Das tun wir auch – insoweit kommen wir damit auch hier in Baden-Württemberg sehr gut klar.

SWR Aktuell: Wie ist denn vor diesem Hintergrund die Entscheidung einzuordnen, die AfD durch den Verfassungsschutz zu beobachten? Kann es in einer solchen Situation eigentlich nur „falsche“ Entscheidungen geben?

Bube: Die Frage, wie Sie sie stellen, erweckt ein bisschen den Eindruck, als sei das eine Art politische Entscheidung, bei der eine Art Ermessensspielraum oder Beurteilungsspielraum besteht. So ist es aber nicht. Das ist genau ein Narrativ, was gerne mal verbreitet wird – auch von den Gruppen, die wir beobachten. Es ist eben keine Entscheidung, die man bewusst nach politischem Kalkül trifft, sondern ein gesetzlicher Auftrag, der sich allein nach dem Vorliegen der Voraussetzungen des Verfassungsschutzgesetzes richtet. Das ist die Basis, auf der wir prüfen, ob Gründe für eine Verfassungsfeindlichkeit vorliegen. Und wenn wir davon ausgehen, die Gründe liegen vor, dann müssen wir beobachten. Dann greift der Auftrag, und dann steigen wir in eine Beobachtung ein und kommen dann unserem gesetzlichen Auftrag nach.     

SWR Aktuell: Sie sagten schon: Der Verfassungsschutz ist in der Gesellschaft verankert, ist in der Mitte der Gesellschaft, hat seinen festen Platz. Kann man und muss man den Bürgerinnen und Bürgern eigentlich dann noch erklären, dass es ohne Verfassungsschutz nicht geht?

Bube: Klar, wir sind immer bemüht, die Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen unserer Möglichkeit zu gestalten. Wir sind ein Teil der Sicherheitsarchitektur, aber im Vergleich zur großen Polizei eine wesentlich kleinere Behörde. Gleichwohl haben wir einen einzigartigen Auftrag, der uns auch ein Alleinstellungsmerkmal gibt – nämlich als Behörde nach sachlichen, objektiven, vom Gesetz definierten Kriterien zu beurteilen, ob eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz angezeigt ist, ob es sich um eine Gruppierung handelt, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung agiert. Und auf dieser Basis informieren wir durch vielfältige Medien, über das Internet, durch Publikationen – zentral natürlich der Verfassungsschutzbericht, den wir herausgeben. Und der Effekt davon ist eben, dass wir als Behörde eben den Auftrag haben, der Öffentlichkeit deutlich zu sagen: Hier ist nach Kriterien geprüft worden, ob eine Organisation extremistisch ist, ob es sich um eine Bestrebung gegen die FDGO [die freiheitlich-demokratische Grundordnung, d. Red.] handelt. Das ist eine Information, ein sogenanntes Label, das wir dann vergeben, das schon seine Warnfunktion erfüllt und auch wahrgenommen wird in der Öffentlichkeit.

SWR Aktuell: Nun wehrt sich die AfD gegen solche Beobachtungen, schaltet immer wieder noch Gerichte ein - auch hier in Baden-Württemberg ist das schon geschehen - , um eben gerichtlich überprüfen zu lassen, ob die Einschätzung durch den Verfassungsschutz die richtige ist, dass eine solche Partei gesichert rechtsextrem ist. Wenn nun ein Gericht am Schluss entscheiden sollte, diese Einschätzung hat tatsächlich nicht in Ordnung. Wie würden Sie damit umgehen?

Bube: Das gehört in einem Rechtsstaat natürlich dazu. Die Entscheidung einer Behörde kann gerichtlich angefochten werden - wie bei uns in Baden-Württemberg die Einstufung einer Partei, hier der AfD, als Verdachtsfall. Hierzu laufen in Baden-Württemberg auch entsprechende Verfahren. Das ist selbstverständlich ein Kernelement der Gewaltenteilung. Wenn ein Gericht entscheiden sollte, dass eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz rechtswidrig ist, dann würde die gerichtliche Entscheidung selbstverständlich auch umgesetzt werden. Bislang ist eine Entscheidung in diese Richtung in Baden-Württemberg nicht ergangen, sondern in erster Instanz wurde die Einstufung als Verdachtsfall im Eilverfahren bestätigt.

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Andreas Herrler