"VeggieWorld" in Karlsruhe: Sind tierlose Produkte nur vorübergehend im Trend - oder die Zukunft?

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Andreas Böhnisch

Vegetarisch oder sogar vegan zu leben, liegt im Trend. Viele Kneipen servieren die grüne Smoothies, es gibt vegane Lebensmittelgeschäfte, und Supermarktketten und sogar Discounter erweitern ihr Sortiment mit tierlosen Produkten. Am Wochenende findet in Karlsruhe die VeggieWorld statt - Europas erste Messe für vegane Produkte. Ob das alles nur ein vorübergehender Trend ist oder ob vegane Produkte die Zukunft sind, darüber hat SWR-Aktuell-Moderator Andreas Böhnisch mit Hans-Georg Häusel gesprochen. Er ist Neuropsychologe und Konsumforscher.

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SWR Aktuell: Ist vegane Ernährung in der Mitte der Gesellschaft angekommen?

Hans-Georg Häusel: „Mitte“ ist ein bisschen übertrieben. Wir dürfen nicht vergessen: Vegetarier gibt es in Deutschland circa zehn Prozent der Bevölkerung, Veganer sind mit zwei Prozent der Bevölkerung doch noch eine Minderheit. Und wenn man anguckt, wer diese Veganer sind, sind es vor allem junge Frauen im Alter zwischen 18 und 30 Jahren, meist gut gebildet. Also das ist noch nicht ganz die Mitte der Gesellschaft. Aber es ist ein Trend, der zunehmen wird.

SWR Aktuell: Warum ernähren sich gerade junge Frauen zwischen acht sind und 30 Jahren vegan?

Häusel: Es kommen mehrere Dinge zusammen. Frauen haben grundsätzlich ein höheres Gesundheitsbewusstsein, und das wurde dem Veganen zugesprochen. Das heißt also auch, leicht zu essen. Sie möchten ja ihre Figur bewahren, sie möchten gut aussehen in dem ganzen Bereich. Dann kommt beim Vegan noch etwas dazu:  Wer sich vegan ernährt, kann auch für sich ein bisschen moralische Überlegenheit proklamieren, „schau mal, du bist für Tiertötung, du bist für das und ich bin der gute, weil ich die Welt rette, weil ich auf die Tiere achte.“ Da ist auch ein bisschen eine moralische Überlegenheit dabei. Und das ist auch der Grund, warum es vor allem auch die jüngeren, gebildeten Frauen sind. Es sind ja nicht alle, sondern dieses „ich tu was für mich, ich kann dem anderen auch zeigen, dass ich ein guter Mensch bin“. Und natürlich, was dem veganen Essen ja nachgesagt wird: Es ist ja tatsächlich gesünder, wenn man die Studien anguckt. Das kommt alles zusammen und befeuert diesen Trend

SWR Aktuell: Ist diese moralische Überlegenheit den jungen Männern egal?

Häusel: Männer haben kulturell ganz andere Vorlieben, auch aus geschlechtsspezifischen Dingen. Die möchten stark sein - und vegan hat nichts mit stark sein zu tun. Stark sein heißt „ich esse Fleisch, ich esse was deftig ist“, das ist sehr tief in unserer Kultur verwurzelt. Männer sind auch nicht so umweltsensibel als es Frauen sind. Das heißt also, wenn Sie jetzt beispielsweise mal angucken, von wem die grüne Bewegung oder die Umweltbewegung getragen wird, sind es auch wieder 60 bis 70 Prozent Frauen und 30 Prozent Männer.

SWR Aktuell: Zwei Prozent der Menschen in Deutschland ernähren sich vegan. Da ist noch ziemlich viel Luft nach oben. Wie schätzen Sie das ein: Werden Fleisch und tierische Produkte in absehbarer Zukunft von unserem Speiseplan ganz verschwinden? Oder wird sich das einpendeln, dass eben ein Teil der Bevölkerung sich vegan oder vegetarisch ernährt, und die anderen essen eben alles?

Häusel: Der vegane und vegetarische Anteil wird sicherlich steigen. Aber kulturelle Vorlieben, und dazu gehört das Fleisch, einmal, zweimal in der Woche, das wird bleiben, auch aus einem ganz anderen Grund. Veganes Essen ist nicht billig. Man muss sich das Ganze auch leisten können, und bis kulturell sich so tief was verändert, das dauert nicht ein oder zwei Jahre, das dauert 20 bis 30 Jahre. Vegan wird zunehmen, aber es wird unsere Speisekarte nicht revolutionieren.

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Andreas Böhnisch