Ob ein Profil bei Twitter wirklich von dem Menschen oder der Firma stammt, unter deren Namen es läuft, das konnte man bisher am „blauen Haken“ erkennen. Der stand dafür, dass Twitter das Profil verifiziert hatte. Nun allerdings verkauft das Unternehmen von Elon Musk den Haken für eine Monatsgebühr. Jeder kann ihn bekommen - egal ob Fake-Account oder nicht. Welche Auswirkungen das hat, erklärt Michaela Beck, Social-Media-Managerin bei Heise Medien, im Gespräch mit SWR-Aktuell-Moderatorin Lissy Kaufmann.
SWR Aktuell: Ist das der Anfang vom Ende von Twitter, wie wir es kennen?
Michaela Beck: Das ist eine gute Frage. Auf jeden Fall ist das das Ende der Transparenz. Der blaue Haken sagt für Nutzer zukünftig nicht mehr aus, dass es sich hier um eine echte Person oder ein echtes Unternehmen handelt, sondern eigentlich nur noch, dass jemand ausreichend Geld dafür hat und es dafür ausgeben möchte.
SWR: Wieviel ist denn dieser blaue Haken noch wert, abgesehen von diesen 9,52 Euro, die er kostet?
Beck: Aus Nutzersicht eigentlich gar nichts mehr.
SWR: Für Twitter ist es die neue Einnahmequelle, die soll ja die weggebrochene Werbung ersetzen. Können das diese 9,52 Euro?
Beck: Das kann ich nicht beurteilen. Abgesehen vom blauen Haken gibt es ja auch noch die neue Einnahmequelle durch den grauen und den goldenen Haken. Ich weiß nicht, ob das Twitter rettet. Ich glaube, dass das grundlegend sehr kritisch gesehen wird von Nutzern und auch von Unternehmen, und dass sich jeder sicherlich zweimal überlegt, ob er das Geld dafür ausgeben möchte oder nicht – zumal es nicht die gleichen Auswirkungen hat wie zum Beispiel einen Werbebudget, das investiert wird. Ich bezweifle, dass sich Twitter damit retten, aber wir werden sehen.
SWR: In der Nacht hat es jetzt zum Beispiel ein neues Profil gegeben, das sich als das offizielle der Stadt New York ausgibt. Wie groß ist denn die Gefahr, die jetzt von solchen Fake-Profilen ausgeht?
Beck: Ich halte die Gefahr tatsächlich für sehr groß. Deswegen glaube ich auch, dass Twitter sich damit wahrscheinlich mehr Probleme als Lösungen schafft - weil natürlich in Zeiten von Fake-News eine Verifizierung auf diese Art völlig ad absurdum geführt wird und eigentlich gar keine mehr ist.
SWR: Was kann ich als Nutzer tun, um herauszufinden, wer sich dahinter verbirgt?
Beck: Das ist eine sehr gute Frage. Vermutlich einfach weiterhin - wie sowieso immer- bei allen Accounts ganz kritisch hinterfragen und schauen, wie sich das einfach langfristig verhält. Eine einfache Variante als Nutzer auf Twitter zu verifizieren, ob es sich wirklich um dieses Konto handelt, gibt es meines Erachtens kaum noch. Man kann natürlich versuchen, das Unternehmen zu kontaktieren und zu fragen - aber direkt über das Profil ist es dann sehr, sehr schwierig.
SWR: Prominente Unternehmen und Medien kehren Twitter ja mittlerweile den Rücken oder wollen es noch tun. Aber wohin? Gibt es gute Alternativen?
Beck: Es gibt natürlich grundlegend Mastodon als Alternative. Das kennt, glaube ich, mittlerweile jeder. Das funktioniert allerdings ganz anders als Twitter und ist auch für den Nutzer und für manche Unternehmen sicherlich nicht so einfach. Aber es gibt natürlich jede Menge andere Netzwerke. Wir haben Facebook, Instagram, TikTok und etliche andere Möglichkeiten, um sich in Social Media aktiv zu präsentieren und auch mit den Nutzern direkt in Kontakt zu treten. Da ist Twitter jetzt sicherlich nicht mehr unbedingt notwendig, auch wenn es schon ein besonderes Netzwerk ist oder war und sicherlich von vielen noch vermisst werden wird, wenn es tatsächlich irgendwann mal dazu kommt, dass es nicht mehr existiert
SWR: Diese anderen Medien bekommen jetzt Aufwind?
Beck: Den haben sie zum Teil ja schon bekommen. Es ist ja nichts Neues. Wir rechnen, glaube ich, alle damit, dass sich Twitter immer weiter irgendwie entwickeln wird und da immer irgendetwas passiert. Insofern ist ein gewisser Zulauf zum Beispiel bei Mastodon auch schon zu verzeichnen gewesen in der letzten Zeit. Ob tatsächlich das dann jetzt sofort passiert, das wage ich zu bezweifeln. Das ist bisher auch nicht passiert, auch nicht bei den bisherigen Änderungen und Ankündigungen von Twitter oder Elon Musk. Das wird ein schleichender Prozess sein.