Das Land Baden-Württemberg will mehr gegen Lärm in Städten und Gemeinden unternehmen. Das hat Verkehrsminister Hermann von Bündnis 90/ Die Grünen vor dem Lärm-Kongress des Landes gesagt, der heute beginnt. Dabei geht es auch um ein Gutachten, in dem Sachverständigenrat des Bundes für Umweltfragen schreibt, Lärm mache überdurchschnittlich viele sozial benachteiligte Menschen krank. Warum Hermann hier auch den Bund in der Pflicht sieht, erklärt er im Gespräch mit SWR-Aktuell-Moderator Arne Wiechern.
SWR Aktuell: Was hat Sie denn veranlasst, gerade jetzt dieses Thema auf der politischen Agenda weiter nach oben zu schieben?
Winfried Hermann: Wir kümmern uns schon seit zwölf Jahren um Lärmschutz. Wir haben ja immer auch Lärmschutzbeauftragte in unserem Ministerium, und wir sehen das als große Herausforderung an. Und es ist uns als Landesregierung wirklich ein Anliegen, dass wir diese Gesundheitsgefährdung vermindern oder gar vermeiden. Deswegen sind wir auch schon seit langem aktiv bei Lärmaktionsplänen. Wir unterstützen diese - und die Kommunen, damit sie Pläne machen, um den Lärm zu reduzieren. Wir haben etwa bei Sanierungsmaßnahmen bei Landesstraßen andere Grenzwerte. Und wir sanieren früher als man auf Bundesstraße saniert. Wir geben den Kommunen Geld für Lärmschutzmaßnahmen. Das sind alles Dinge, die wir machen, deutlich mehr, als was vom Bund bisher geschehen ist.
SWR Aktuell: Ihr Ministerium bietet für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kongresses zwei Spaziergänge an. Einer findet heute Abend statt. Sie sind unterwegs mit dem „Nachtmanager“ von Stuttgart. Welche Eindrücke wollen Sie da ganz konkret mitnehmen?
Hermann: Das Ziel ist schon, dass man zeigt, wie man durch Stadtgestaltungsmaßnahmen und Verkehrsberuhigung auch eine neue Lebensqualität schaffen kann. Und was es dort bedeutet, wo das eben nicht geschehen ist. Gerade in Stuttgart gibt es ja Beispiele, wo Straßen, die früher mal Durchgangsstraßen waren, jetzt verkehrsberuhigt sind und dann eben eine neue Lebensqualität entsteht, mit sehr viel mehr Ruhe. Und dann eben noch die Straßen, bei denen das nicht der Fall ist. Wir kämpfen ja als Landesregierung schon seit vielen Jahren auf Bundesebene darum, dass es leichter wird, gerade an solchen Straßen auch Geschwindigkeitsbeschränkungen zu machen. Jetzt hat ja diese Woche die Bundesregierung endlich entschieden, dass das Straßenverkehrsgesetz dahingehend geändert wird, dass es auch wichtig ist, dass Gesundheitsschutz, Umweltschutz, Lebensqualität auch eine Rolle spielen sollen beim Verkehr - und dass eben nicht nur der fließende Verkehr geschützt werden soll. Aber die Straßenverkehrsordnung muss auch noch geändert werden, und was der Bund dazu vorgelegt hat, ist etwas dürftig.
SWR Aktuell: Der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der die Bundesregierung berät, sagt, dass sozial benachteiligte Bürgerinnen und Bürger besonders unter Lärm leiden. Was kann - und was wird - das Land Baden-Württemberg tun, um eben diese Belastung zu senken?
Hermann: Diese Einschätzung geht ja auch zurück darauf, dass man feststellt, dass Menschen, die mehr Einkommen haben, in ruhige Wohngebiete ziehen - und die, die weniger Geld für Miete haben, die ziehen dann in die vergleichsweise billigen Wohnungen an lauten Straßen. Und so entsteht eben ein soziales Gefälle. Und das ist natürlich sehr misslich und sehr ärgerlich. Deswegen ist ein Schwerpunkt eben, dass wir mit der Geschwindigkeit runter müssen. Das ist schon mal ziemlich viel. Dann wollen wir vor allen Dingen den Fuß und Radverkehr fördern und als leisen Verkehr. Nicht zuletzt kann die Elektromobilität einen guten Beitrag dazu leisten, dass auch gerade die hochbelasteten Straßen für die Menschen, die eben nicht so viel Einkommen haben, auch profitieren von den Fortschritten und von der Umsetzung. Man darf eben nicht so tun, als müssten an den belasteten Durchgangsstraßen die Leute das ertragen, nach dem Motto „selber schuld, dass sie da wohnen“. Das ist keine Haltung - aber manchmal hat man den Eindruck, so denke man auf der Bundesebene.
SWR Aktuell: Jetzt haben wir gerade viel über die Großstädte gesprochen. Auf dem Land geht es ja eher oft um Motorradlärm, der viele stört, gerade in Urlaubsregionen wie zum Beispiel im Schwarzwald. Da nerven laut dröhnende Motoren der Bikes sehr. Seit einiger Zeit gibt es Hinweisschilder, teilweise auch elektronische Displays, die auf zu viel Lärm hinweisen sollen. Das klingt nach einem ersten Schritt. Aber ist es mit diesem im Prinzip „freundlichen Appellen“ wirklich getan?
Hermann: Das allein reicht natürlich nicht. Aber man muss schon sagen, dass erstaunlicherweise diese freiwilligen Appelle, also diese Lärmdisplays, die das Land unterstützt, dabei helfen, Durchfahrende zu sensibilisieren. Es ist ja nicht so, dass alle Motorradfahrer Ignoranten sind. Manche vergessen es halt auch manchmal, machen es sich nicht so bewusst. Und dann sehen Sie: Auch ich bin zu laut und ich bin zu schnell - und dann fährt man runter. Es gibt eine klare Verantwortung, auch der Motorradfahrenden.
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Aber es sollte halt auch bessere Regeln geben. Was wir tun können tun wir: Wir unterstützen Kommunen auch bei der Einführung von Geschwindigkeitsbeschränkungen. Es gibt auch inzwischen den Ansatz, dass man außerorts die Geschwindigkeitsbegrenzung macht, weil am Ende des Orts oft aufgedreht und hochgefahren wird. Auf jeden Fall haben wir in Baden-Württemberg deutlich mehr Beschränkungen, um diesen Motorradlärm zu reduzieren. Aber es ist schon ein großes Ärgernis für die Anwohner. Denn es sind bestimmte Strecken, wo die Motorradfahrenden zu Tausenden kommen, die schön kurvenreich sind, schöne Aussichten haben und so weiter. Und das ist einfach für die Menschen dort schwer erträglich.
SWR Aktuell: Nun haben wir auf der einen Seite die Beschränkungen, die Sie gerade angesprochen haben. Auf der anderen Seite ist aber auch die Frage: Wie wird es denn kontrolliert? Braucht es vielleicht auch mehr Kontrollen auf den Straßen?
Hermann: Absolut. Die Polizei muss da und kann da auch mehr machen, das mahne ich auch immer wieder an. Denn es ist so, dass Gesetze, Verbote und Regeln dann eingehalten werden, wenn sie auch überprüft werden. Es ist ein großer Irrtum, dass alle Menschen das immer freiwillig machen, auch wenn das manche Liberale glauben. Aber da muss man schon auch nachhelfen.