Falls die Welt dem Klimawandel noch etwas entgegensetzen kann, dann vielleicht jetzt auf der COP28. Rund 70.000 Staats- und Regierungschefs, Unterhändler, Journalisten, Aktivisten und Fachleute treffen sich deshalb ab heute zwei Wochen lang zur Weltklimakonferenz in Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Mit dabei ist auch Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand von Greenpeace Deutschland. Er sagt im Interview mit SWR-Aktuell-Moderator Andreas Böhnisch, warum er den Ort der Konferenz ebenso falsch findet wie die Sparpläne der Bundesregierung beim Klimaschutz.
SWR Aktuell: Auf einer Skala von eins bis zehn, wie hoch sind Ihre Erwartungen an die Weltklimakonferenz?
Martin Kaiser: Ich würde sagen: Acht, denn angesichts der verheerenden Auswirkungen, die wir weltweit sehen, muss diese Konferenz zu einem Erfolg führen. Und erfolgreich ist, dass eben wirklich ein unverbindlicher Beschluss gefasst wird, dass wir schrittweise aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas aussteigen.
SWR Aktuell: Acht, das ist ziemlich hoch, aber es ist auch folgerichtig. Denn wenn die Welt so weitermacht wie bisher, dann könnte die Temperatur bis Ende des Jahrhunderts um 2,9 Grad steigen. Was würde eine solche Erwärmung der Erde für uns in Deutschland bedeuten?
Martin Kaiser: Ich glaube, das möchte man sich nicht ausmalen. Wir sehen ja jetzt schon, dass Wälder kollabieren, schon bei einer Erwärmung von über einem Grad. Das würde sich fortschreiben. Wir würden zunehmend Wasserprobleme kriegen. Denn in Deutschland ist jetzt schon Wasser knapp, und Trinkwasser braucht jeder Mensch. Und wir würden Starkregenereignisse, wie wir sie im Ahrtal erlebt haben, nicht nur einmal im Jahrhundert, sondern wahrscheinlich alle paar Jahre erleben. Das will niemand.
SWR Aktuell: Die Weltklimakonferenz in Dubai sollte sich nach Ansicht von UN-Generalsekretär Guterres zu einem Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen verpflichten. Sie haben gerade zu Beginn gesagt, Sie sind gar nicht mal so pessimistisch. Acht auf einer Skala bis zehn, so schätzen Sie den Erfolg ein. Wird das wirklich passieren?
Martin Kaiser: Es wird nicht von selbst passieren. Ich glaube, das ist eine große Herausforderung, diese Weltklimakonferenz zu einem Erfolg zu führen. Und es kann nur dann gelingen, wenn diejenigen Länder, die jetzt schon am meisten unter den Wetterextremen leiden, durch Länder wie Deutschland, durch starke Wirtschaftsnationen unterstützt werden. Und da haben wir große Bedenken, ob wirklich Kanzler Scholz das auch tun wird auf dieser Konferenz. Das ist zumindest unsere Erwartung, dass er sich zusammentut mit den schwachen Ländern und dadurch ein Gegengewicht zu Ländern wie China oder den USA aufbaut.
SWR Aktuell: Das wird nicht einfach werden. Wir werden das wieder erleben, was wir schon oft auf diesem Klimakonferenzen hatten, nämlich, dass die Industrieländer, auch Deutschland, fordern werden, dass weltweit mehr für den Klimaschutz getan werden muss - obwohl sie sich selbst nur schwer von Öl, Gas und Kohle lösen können. Und die Schwellen- und Entwicklungsländer werden den Finger genau in diese Wunde legen und sich gute Ratschläge zur CO2-Reduzierung verbitten. Wie kann sich die Staatengemeinschaft trotzdem einigen?
Martin Kaiser: Deutschland ist nicht gut vorbereitet auf diese Klimakonferenz. Denn zum einen wollen sie genau in einer Phase, wo wir in der Klimakrise leben, das Klimaschutzgesetz aufweichen und dessen Verbindlichkeit, vor allem im Verkehrsbereich. Zum anderen stehen sie mit der Haushaltskrise vor einem finanziellen Scherbenhaufen. Denn der Klima- und Transformationsfonds war ja genau dafür gedacht, die Veränderung anzuschieben und die Menschen dabei mitzunehmen. Ich glaube, Olaf Scholz und die Regierung müssen sie jetzt vor der Konferenz auf eine neue Agenda verpflichten, hier in Deutschland dann glaubwürdig dort auftreten. Auch der Kanzler darf jetzt nicht mehr auftreten und sagen: Wir kaufen jetzt Gas in aller Welt. Das ist ein fossiler Brennstoff, und Deutschland darf das auch nicht mehr finanzieren. Und ich glaube, dann kann es gelingen, zusammen mit den europäischen Ländern wirklich eine Verhandlungsmacht aufzubauen. Und es ist doch ganz klar: Wir müssen die Kohleverbrennung in China nach unten bringen. Wir müssen in den USA aufhören, weiter Gas und Öl zu fördern, mittlerweile der größte Exporteur weltweit. Und das sind die großen Aufgaben, die nur gelingen können, wenn Deutschland jetzt glaubwürdig Allianzen schmiedet.
SWR Aktuell: Ob der Weltklimagipfel ein Erfolg wird, das hängt maßgeblich auch vom Gastgeber ab, also von Sultan Ahmed Al Jaber, der heute zum Konferenzpräsidenten ernannt wird. Der Sultan ist auch Chef des staatlichen Ölkonzerns Adnoc in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ich vermute mal, Sie sehen in ihm keinen ehrlichen Makler, der den Ausstieg aus Öl und Gas organisieren wird?
Martin Kaiser: Man hat hier den Bock zum Gärtner gemacht. Es ist doch ganz klar das Al Jaber, den ich vor einigen Monaten selbst getroffen haben, ein langfristiges Interesse hat, dass sein Ölkonzern Profite macht. Und im Vorfeld sind ja auch Papiere aufgetaucht, dass er genau die Konferenz dazu nutzen will, das Ölbusiness, das Gasbusiness auszubauen. Und das kann keiner sein, der sich am Ende für die vielen Millionen Menschen, auch die jungen Menschen einsetzt weltweit, die sagen: Es geht um unsere Zukunft, und es muss etwas passieren.
SWR Aktuell: Auf der anderen Seite haben die Vereinigten Arabischen Emirate einen der größten Solarparks der Welt gebaut, um grünen Wasserstoff zu produzieren. Und die Stadt Dubai will bis 2050 ihre Energien zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen beziehen. Spielt das für Sie keine Rolle?
Martin Kaiser: Es zeigt natürlich auch einem Ölstaat wie den Vereinigten Arabischen Emiraten, dass die Alternativen längst da sind und gefördert werden müssen. Aber es reicht, eben nicht nur Leuchtturmprojekte zu starten, sondern das Kerngeschäft der Öl und Gasunternehmen weltweit muss sich verändern. Die Investitionen, die sie ja in der Ukraine Krise wirklich in Milliardenhöhe gemacht haben, die müssen jetzt investiert werden in Erneuerbare und nicht in neue Öl- und Gasförderung.