Fachkräftemangel verschärft sich

Nahles: Arbeitsmarkt kann sich "Remigration" nicht leisten

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Jim-Bob Nickschas

Deutschland braucht dringend Fachkräfte aus dem Ausland. Andrea Nahles, die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, warnt deshalb vor der Politik der AfD.

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Das Ausmaß der bundesweiten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und die AfD hat auch Andrea Nahles, Chefin der Bundesagentur für Arbeit, "positiv überrascht". Im SWR "Interview der Woche" spricht sie von einem wichtigen Gegensignal, denn: "Eine Politik, die auf sogenannte Remigration setzt, kann sich der deutsche Arbeitsmarkt gar nicht leisten. Wir haben mittlerweile 5,3 Millionen Menschen, die ohne deutschen Pass in Deutschland arbeiten, auf die wir nicht verzichten könnten."

"Remigration" würde zu massiven Engpässen führen

Neue Daten der Bundesagentur für Arbeit zeigen: Zum Anstieg der Beschäftigung auf dem deutschen Arbeitsmarkt haben im vergangenen Jahr nur noch Menschen aus Drittstaaten wie Indien oder der Ukraine beigetragen. Für Nahles "ein Zeichen dafür, dass die wirtschaftliche Entwicklung sehr stark davon abhängt, dass wir Zuwanderung von ausländischen Fachkräften in den Arbeitsmarkt haben." Angesprochen auf das Programm der AfD betont die BA-Vorsitzende deshalb: "Eine Politik, die das leugnet oder sogar zurückdrehen will oder eine unfreiwillige Demigration forciert, ist da absolut kontraproduktiv." Als Beispiel nennt Nahles die Versorgung in Pflegeheimen, in denen es ohne Menschen mit ausländischen Wurzeln "zu massiven Engpässen" kommen würde.

Integration von Fachkräften: Lieber weniger Deutsch?

Für Fachkräfte aus dem Ausland ist Deutschland weiterhin ein attraktives Ziel, aber: Zugezogene berichten von vielen Problemen im Alltag, bis hin zu Diskriminierung zum Beispiel bei der Wohnungssuche, ergab eine neue OECD-Studie. Andrea Nahles zeigt sich davon im SWR-Interview alarmiert: "Wir müssen das ernst nehmen! Wir brauchen eine bessere Willkommenskultur. Wenn man das mit traditionellen Einwanderungsländern wie Kanada vergleicht, müssen wir noch viel dazulernen." Dazu gehört für Nahles auch die Anforderung, Deutsch zu sprechen. Vielleicht sogar eines der größten Probleme bei der Anwerbung ausländischer Fachkräfte? "Ja, das ist so. In den Niederlanden ist das Thema überhaupt nicht wichtig, die sind da wesentlich entspannter." Dass der Arbeitsmarkt in Deutschland, Österreich und der Schweiz vorwiegend deutschsprachig ist, liegt für Nahles zum Teil auch an mangelnden Englischkenntnissen in den Ländern selbst: "Wenn derjenige, wo man arbeitet, selber nicht gut Englisch spricht, dann wird die Kommunikation natürlich schwierig."

Bürgergeld-Bonus: Trotz hoher Nachfrage abgeschafft

Neben der Anwerbung von ausländischen Fachkräften bleibt auch die Weiterbildung von Menschen in Deutschland ein wichtiges Thema, zum Beispiel im Rahmen des Bürgergelds. "Das ist bisher gut angelaufen", sagt Nahles. Der Bürgergeld-Bonus von 75 Euro, der zur Weiterbildung motivieren soll, sei im vergangenen halben Jahr 63.000 Mal ausgezahlt worden. Allerdings wurde der Bonus bereits wieder abgeschafft. "Das ist eine politische Entscheidung, mit der müssen wir leben. Das ändert aber nichts an der Grundarbeit, die wir da leisten."

Nahles rechnet weiter mit Streit ums Geld

Ursprünglich wollte die Ampel-Regierung auch 1,5 Milliarden Euro von der Bundesagentur für Arbeit zurückfordern, um die Löcher im Haushalt 2024 zu stopfen. Das allerdings wurde im Parlament gestoppt. "Das hat mir wieder Vertrauen in unsere Demokratie gegeben", sagt Nahles, die von der Rückforderung verärgert war. "Der Griff in die Beitragskassen der Renten- und Arbeitslosenversicherung ist generell schlecht. Die Beitragszahler sollten sich darauf verlassen können, dass das Geld auch wirklich für die Aufgaben eingesetzt wird, für die es gedacht ist."

Nahles rechnet damit, dass es zu weiteren Auseinandersetzungen mit der Bundesregierung kommen wird: "Ich glaube nicht, dass das Thema abgehakt werden kann, die Haushaltssituation ist ja allgemein bekannt. Da wird man bei der Aufstellung für 2025 die Debatte noch mal neu führen."

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Jim-Bob Nickschas