Ist Glück "Hirnsache"? Wie wir uns glücklicher machen können

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Jonathan Hadem

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Was muss ich tun, um glücklich zu sein? Antworten gibt Borwin Bandelow, Psychiater, Psychotherapeut und einer der bekanntesten deutschen Angstforscher in "Das Endorphin-Prinzip. Wie Glück im Hirn entsteht" - und er macht im Gespräch mit SWR Aktuell-Moderator Jonathan Hadem Hoffnung: Es gebe verschiedenste Methoden, wie man sich glücklicher machen könne.

SWR Aktuell: Glücksratgeber gibt es massenhaft. Das Streben nach Glück begleitet uns Menschen, seit es uns gibt. Warum ist das eigentlich so schwierig, richtig und dauerhaft glücklich zu werden?

Borwin Bandelow: Ich habe mich mal damit beschäftigt, was eigentlich passiert im Gehirn, wenn wir uns glücklich fühlen - und das ist zum Teil einfach Hirnchemie. Es heißt also: Wenn irgendetwas Schönes passiert, werden in unserem Gehirn Endorphine ausgeschüttet. Das sind so Wohlfühlhormone, die hat die Natur so eingerichtet. Wenn wir zum Beispiel Essen oder Sex haben, dann werden Endorphine ausgeschüttet und wir fühlen uns glücklich. Und dieses Belohnungssystem kann man beeinflussen. Da gibt es verschiedenste Methoden, wie man sich glücklicher machen kann: Wenn es mit der Liebe nicht klappt, kann man zum Beispiel mit Sport die Endorphine ausschütten oder durch das Hören schöner Musik, durch schönes Essen. Und so sind die verschiedenen Endorphin-Ausschüttungen Methoden untereinander auch austauschbar.

SWR Aktuell: Jetzt haben Sie schon ein paar Beispiele genannt: Sport, Sex zum Beispiel auch, oder gutes Essen. Was macht denn sonst noch glücklich?

Bandelow: Es gibt zahllose Möglichkeiten, sich glücklich zu machen. Zum Beispiel das „Heureka-Prinzip“. Wenn man eine wissenschaftliche Erkenntnis hat, also bestimmte Sachen verstanden hat, die man jahrelang nicht verstanden hat, dann kriegt man auch eine Endorphin-Ausschüttung im Gehirn. Und das kann zum Beispiel einen Wissenschaftler glücklich machen. Es geht aber auch, wenn man ein Gemeinschaftsgefühl hat, wenn man zusammen feiert oder zusammen zum Fußball geht. Gemeinschaftsgefühl macht auch Glück. Dann gibt es ja zum Beispiel die Methoden, in ein Wellnessparadies zu gehen: Das warme Wasser, die warme Luft in der Sauna, das sind alles auch Dinge, die Endorphine ausschütten können. Dann gibt es noch zahlreiche andere Möglichkeiten, die eben auch damit zu tun haben, dass man zusammen feiert, dass man zusammen Musik hört - es gibt zahllose Möglichkeiten.

SWR Aktuell: Haben wir denn alle, jeder und jede Einzelne tatsächlich auch das Potenzial, in uns glücklich zu werden?

Bandelow: Das ist unterschiedlich. Es gibt manche Menschen, die sind so wie Donald Duck, denen passiert immer nur etwas Schlechtes. Und auf der anderen Seite Gustav Gans. Das ist der Typ, bei dem immer alles klappt. Und so kann man die Menschen so ein bisschen einteilen, weil auch das Empfinden von Glück nicht nur von den äußeren Faktoren abhängt. Insofern gibt es Menschen, bei denen klappt eigentlich alles: Sie haben einen wunderbaren Beruf, einen wunderbaren Ehepartner, sie haben tolle Kinder. Und trotzdem funktioniert es nicht, dafür gibt es vielfältige Gründe. Zum Beispiel, wenn Menschen Depressionen haben, wenn sie unter Angststörungen leiden, dann können sie ihr Glück nicht empfinden, obwohl die äußeren Faktoren alle normal sind oder wunderbar aufgestellt sind.

SWR Aktuell: Das sind ja alles jetzt Dinge, die im Kopf beziehungsweise im Geist passieren. Gibt es denn irgendwelche physischen, also körperliche, anatomische Voraussetzungen, die ich brauche, um tatsächlich glücklich zu werden?

Bandelow: Es ist nicht so, dass man irgendeinem bestimmten Körperbau haben muss, um glücklich zu werden. Es ist ganz einfach so, dass manche Menschen mehr Endorphine brauchen als andere und auch mehr hinter diesen Endorphinen herjagen - also ständig versuchen, auf der Überholspur zu sein und die Endorphine überall sich zu holen: Sei es durch Sex, durch gutes Essen, durch Alkohol trinken, durch Glücksspiel. Und dann gibt es eben zahllose Möglichkeiten. Es gibt auch Endorphinmethoden, die nicht so gut sind, zum Beispiel, indem man Drogen nimmt. Drogen sind chemisch genau das Gleiche wie die Endorphine. Wenn man zu viel Alkohol trinkt, wenn man spielsüchtig ist, dann sind das schädliche Endorphin-Ausschüttungsmethoden. Und die sollte man ersetzen durch die positiven - wie zum Beispiel, Sport zu treiben.

SWR Aktuell: Wenn wir es mal gesamtgesellschaftlich betrachten, ist denn eine glückliche Gesellschaft überhaupt möglich? Wenn jeder ständig nach seinem eigenen persönlichen Glück strebt, dann stehen wir uns ja möglicherweise irgendwann gegenseitig im Weg herum…

Bandelow: Da gibt es den Paragraphen 1 der Straßenverkehrsordnung. Er schreibt vor, dass jeder so durch die Straßen fahren soll, dass er andere Leute eben nicht belästigt oder ihnen schadet. Und genauso sollte man, wenn man auf der Suche nach dem Glück ist, immer darauf aufpassen, dass man nicht dadurch andere Leute schädigt, und das eben nicht nur für sich selbst macht, sondern auch zum Beispiel in Form des Gemeinschaftsgefühls. Wenn man zum Beispiel mit anderen Leuten einen Chor macht oder eine kleine Band ausbaut, dann ist das Gemeinschaftsgefühl. Alle Methoden, die sich das Glück zu verschaffen, sollte man besser in der Gemeinschaft machen und immer darauf achten, dass man nicht andere Leute übervorteilt.

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Jonathan Hadem