Demos gegen Rechtsextremisten

Bundespräsident: Die demokratische Mitte ist aufgewacht

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AUTOR/IN
Evi Seibert

Der Bundespräsident bereist Thailand und Vietnam. Es geht um Fachkräfte für Deutschland. Die Demonstrationen für die Demokratie daheim, beschäftigen Steinmeier auch im Ausland.

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In Hanoi steht der Bundespräsident vor dem Krankenbett von Herrn Wagner. Herr Wagner ist allerdings gar nicht krank- und er heißt auch gar nicht "Wagner", sondern Hoang und studiert Maschinenbau. Aber er ist heute Teil einer Praxisübung, bei der junge Vietnamesinnen dem Bundespräsidenten zeigen wollen, wie gut sie sich schon eingearbeitet haben ins deutsche Pflegesystem. Sie messen professionell Blutdruck und erkundigen sich auf Deutsch nach dem Befinden ihres Patienten. Sowohl Frank-Walter Steinmeier als auch der mitreisende Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sind begeistert. Denn Deutschland braucht dringend Fachkräfte aus dem Ausland - mehr als eine Million pro Jahr. Kommen nicht genug, ist das eine tickende Zeitbombe für die Wirtschaft. Aber: Es hat sich auch in Vietnam herumgesprochen, dass Deutschland nicht die netteste Willkommenskultur hat. Im SWR Interview der Woche fordert Steinmeier deswegen: "Wir müssen uns selbst in die Pflicht nehmen. (…) Wenn wir Arbeitskräfte einladen nach Deutschland zu kommen, dann muss auch gewährleistet sein, dass (…) ihnen Hilfen gegeben werden, in der deutschen Gesellschaft anzukommen."

Ein bisschen Stolz und runter vom Sofa

Auch im Ausland verfolgt Steinmeier die Demonstrationen für Demokratie in Deutschland. "Ich freu mich darüber und bin dankbar, dass die demokratische Mitte der Gesellschaft aufgewacht ist." so Steinmeier. Sie würden beweisen, dass nicht die lautstarken Verächter der Demokratie in der Mehrheit seien: "Das darf Demokraten selbstbewusst und auch ein bisschen stolz machen". Diese Demos könnten aber nicht politisches Engagement ersetzen sagt Steinmeier auf die Frage, wie es nun wohl weiter gehe mit den Protesten. Seine Bitte an Unzufriedene: Runter vom Sofa und sich aktiv für die Gemeinschaft einsetzen. Demokratie lebe vom Engagement ihrer Bürger. In keinem Land gebe es so gute Möglichkeiten dazu wie in Deutschland. Dazu müsse Menschen, die politische Verantwortung übernehmen gerade auf der kommunalen Ebene, aber auch wieder mehr Respekt entgegengebracht werden.

Mehr Parteien - mehr Demokratie?

Gleich zwei neue Parteien entstehen zurzeit. Aus der Linken heraus das Bündnis Sahra Wagenknecht, rechts von CDU/CSU die Werteunion von Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Nach Ansicht des Bundespräsidenten zeigt das den Ehrgeiz vieler, die bestehende Unzufriedenheit in der Gesellschaft abzugreifen und in parteipolitische Vorteile umzumünzen. "Ob das der Demokratie nützt, weiß ich nicht. (…) Mehr Parteien bedeuten nicht automatisch mehr Demokratie". Nach Steinmeiers Einschätzung hängt das vielmehr davon ab, wie sich die Vertreter dieser neuen Parteien in der Öffentlichkeit und in den Debatten der Gesellschaft verhalten.

Frank-Walter Steinmeier und SWR Korrespondentin Evi Seibert sitzen zusammen an einem Tisch  (Foto: Willi Schüler )
SWR-Korrespondentin Evi Seibert und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nehmen das "SWR Interview der Woche" auf. (Foto: Willi Schüler)

US-Wahl: Biden nicht vorzeitig abschreiben

Eine mögliche Kandidatur von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl im November wird immer wahrscheinlicher. Vielen in Europa macht das große Sorgen. In manchen Debatten gilt Trump schon als ausgemachter Sieger. Der Bundespräsident sagt im SWR Interview der Woche: "Wir müssen mit der Debatte auch anders und mit mehr Rücksicht auf die amerikanischen Verhältnisse umgehen." Der amtierende Präsident Joe Biden sei ein wirklicher Freund der Deutschen. "Und manchmal denk ich mir (…): Was wird ein Freund auf der amerikanischen Seite von uns halten, wenn wir ihn in unseren öffentlichen Debatten immer schon zur Geschichte erklären." – also für erledigt. Steinmeier betont deshalb: Die amerikanische Wahl ist offen. Allerdings räumt er ein, dass Europa und Deutschland sich darauf vorbereiten müssen, dass die amerikanische Politik andere geopolitische Schwerpunkte setzt. Das bedeute aber auch, dass es mehr kostet, wenn die Sicherheitspolitik einen größeren Stellenwert bekommt. "Es wird vor allen Dingen darum gehen, die Gesellschaft darauf vorzubereiten", sagt Steinmeier.

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Evi Seibert