Neandertaler, die vor rund 65.000 Jahren im "Hohle Fels" lebten, jagten auf der Schwäbischen Alb nicht nur Großwild, sondern auch Vögel. Das steht für das Wissenschaftlerteam der Universität Tübingen mit dem "Fund des Jahres" fest - am Dienstagvormittag wurden im Urgeschichtlichen Museum in Blaubeuren (Alb-Donau-Kreis) kleine Vogelknochen präsentiert. Sechs der gefundenen Knochen trügen eindeutige Werkzeug- und Bissspuren des Neandertalers, hieß es dazu.
In der Welterbe-Höhle "Hohle Fels" bei Schelklingen im Alb-Donau-Kreis war bereits 2008 die Eiszeitkunstfigur "Venus von Hohle Fels" entdeckt worden. Bei erneuten Grabungen fand das Team um den wissenschaftlichen Direktor des Urgeschichtlichen Museums Blaubeuren, den Tübinger Archäologie-Professor Nicholas Conard, nun mehr als 1.000 Vogelknochen - darunter auch Knochen von Hühnern, Enten und Schwänen.
Archäologe Conard: Neandertaler konnten sich an Umgebung anpassen
Wie genau die Neandertaler die Vögel gefangen habe, werde derzeit noch erforscht. Man müsse andere Strategien und Werkzeuge entwickeln, als bei Großwild, so der Archäologe. Es verlange ein planerisches Herangehen an die Jagd, Strategie und Intelligenz.
Dass die Vögel auf dem Speiseplan unserer Eiszeit-Verwandten standen, verrate jedoch viel über die lang unterschätzte ökologische Anpassungsfähigkeit und die kognitiven Fähigkeiten der Neandertaler, so Conard. Die Erkenntnisse aus dem "Hohle Fels" bei Schelklingen fügten sich in eine Reihe archäologischer Funde der vergangenen Jahre ein, hieß es bei der Präsentation am Dienstag.
Museumsleiterin Kölbl: Neandertaler legten Wert auf Schmuck
Typische Schnitt- und Schabspuren andernorts legten etwa auch nahe, dass sich Neandertaler mit Vogelfedern und Krallen schmückten. Damit müsse die Annahme, dass die Neandertaler aufgrund ihrer mangelnden geistigen Fähigkeiten und ihres eingeschränkten Ernährungsplans ausgestorben seien, revidiert werden, so Stefanie Kölbl, die Direktorin des Urgeschichtlichen Museums Blaubeuren.
"Neandertalern ging es nicht nur ums blanke Überleben"
Warum die Neandertaler dennoch vor 40.000 Jahren ausgestorben sind, sei unklar. Denn hochintelligente Jagdstrategien, das Bedürfnis nach Schmuck und das Bestatten von Toten - all dies weise die Neandertaler als flexible und symbolisch begabte Menschen aus, die weit mehr im Sinn gehabt hätten als das blanke Überleben.
Der "Fund des Jahres" ist im Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren im Rahmen einer Sonderausstellung über Vögel bis 12. September zu sehen.