Anne Muca aus Ulm hat erst mit 26 Jahren ADS diagnostiziert bekommen. (Foto: SWR)

Chaos im Kopf

Diagnose als Erwachsene: Annemarie Muca aus Ulm hat ADS

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Hannah Schulze
Hannah Schulze (Foto: SWR)

Bei Kindern kennt man es, doch auch viele Erwachsene haben ADHS oder ADS - oft ohne es zu wissen. Annemarie Muca aus Ulm hat erst mit 26 Jahren ihre Diagnose bekommen.

Fokussieren, konzentrieren, Unwichtiges ausblenden: Das, was viele ihrer Mitmenschen automatisch machen, das fällt Annemarie Muca oft schwer. Die Ulmerin hat ADS - eine Aufmerksamkeitsdefizitstörung. Von außen unauffällig, im Kopf ein ganz schönes Chaos.

"Es ist nicht so, dass ich gar keine Aufmerksamkeit habe. Mir fällt es nur schwer, mich auf eine einzige, bestimmte Sache zu konzentrieren."

In extremen Phasen kann es besonders anstrengend sein, so die 26-Jährige: "Ich habe dann im Kopf einen Ohrwurm als Hintergrundgeräusch und davor spielen sich irgendwelche Gedanken ab, die ganz durcheinander gehen. Ich sing dann den Ohrwurm mit und denk gleichzeitig an andere Sachen."

ADS-Diagnose durch Zufall

Annemarie Muca macht derzeit eine Ausbildung zur Heilpraktikerin für Psychotherapie. "Bevor ich anderen helfe, wollte ich erst mal in meinem eigenen Keller aufräumen", sagt die 26-Jährige. Ihre Therapeutin stellt die Diagnose: ADS. "Am Anfang konnte ich gar nichts damit anfangen."

Anne Muca aus Ulm mit ADS sitzt an ihrem Schreibtisch.  (Foto: SWR)
Lernen klappt für Annemarie Muca am besten alleine - ohne Menschen und Ablenkung.

Das war im Februar in diesem Jahr. Wenn sie jetzt auf ihre Kindheit zurückblickt, wird ihr einiges klar. In der Schule konnte sie sich schwer konzentrieren, hat vieles nicht mitbekommen.

"Ich dachte immer: 'Anne - du bist dumm?!' Und dann hab ich mich als Kind immer so fertig gemacht."

Anne Muca aus Ulm mit ADS schaut sich auf dem Sofa Fotoalben an.  (Foto: SWR)
AD(H)S fängt immer im Kindesalter an - bei manchen kommt die Diagnose erst später, wie bei Annemarie Muca, oder bleibt ein Leben lang unerkannt.

Mit der späten Diagnose ist Annemarie nicht alleine - bei manchen Erwachsenen bleibt ADS oder ADHS, also die hyperaktive Form, sogar unerkannt. In der Wissenschaft spricht man von ein bis drei Prozent der Gesamtbevölkerung, die von der Störung betroffen sind. Und alle Betroffenen hatten AD(H)S schon in ihrer Kindheit.

AD(H)S bei Erwachsenen - eine Seltenheit?

AD(H)S-Anlaufstellen in der Region

Informationen und Ansprechpartner gibt es beim Regionalen ADHS-Netz für die Region Ulm, Neu-Ulm und den Alb-Donau-Kreis, das sich sowohl an Fachleute als auch an Betroffene sowie deren Angehörige und Bezugspersonen wendet.

Außerdem bietet das Universitätsklinikum Ulm eine ADHS-Sprechstunde an. Hier können sich Erwachsene telefonisch an die Ambulanz wenden, um einen Termin zur ADHS-Diagnostik und Behandlung zu vereinbaren. Oberarzt Heiko Graf beobachtet in der Spezialsprechstunde in den letzten Jahren eine stetig steigende Nachfrage von Patientinnen und Patienten.

ADS als Superkraft

Die Störung hat aber auch ihre guten Seiten. Viele mit AD(H)S sind sehr kreativ und können sich, wenn sie ein Thema anspricht, sogar in einen sogenannten Hyperfokus bringen. Wenn Annemarie Muca ein Thema interessiert, kann sie sich stundenlang in ein Thema stürzen, schaut Videos, liest alle Artikel. Die Ulmerin lernt mit den Facetten ihrer ADS umzugehen, mit den positiven wie negativen Seiten. Es sei ein Teil von ihr und diesen Teil lerne sie gerade zu verstehen und vor allem auch zu lieben.