picture alliancedpa | Tom Weller (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)

OB-Wahl 2022 in Tübingen

Konkurrenz für Boris Palmer: Grüne wollen über Urwahl abstimmen

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Nach zahlreichen streitbaren Äußerungen ist Boris Palmer in Tübingen als OB nicht mehr unumstritten. Für die Wahl 2022 muss er sich wohl erst in einer Urwahl gegen einen grünen Gegenkandidaten durchsetzen.

Im kommenden Jahr findet in Tübingen im Herbst die Wahl des Oberbürgermeisters statt. Für den amtierenden OB Boris Palmer (Grüne), der zuletzt 2014 zum zweiten Mal zum Oberhaupt der Universitätsstadt gewählt wurde, könnte es aber bereits im April spannend werden. Dann soll es eine Urwahl geben, bei der die Tübinger Grünen über ihren OB-Kandidaten entscheiden.

Grüne stimmen über Urwahl ab

Seit vergangener Woche steht fest: Palmer ist nicht der einzige Kandidat, der für die Grünen infrage kommt. Die Ortsvorsteherin von Tübingen-Weilheim und frühere Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat, Ulrike Baumgärtner, hat bereits Interesse bekundet. Sie könne sich das Oberbürgermeisteramt vorstellen, sagte sie dem SWR. Sie wolle aber zunächst die Entscheidung der Mitglieder abwarten. Bei einer Mitgliederversammlung am Mittwochabend soll die Urwahl im April von den rund 450 Mitgliedern nun eingeleitet werden. Auf diese Weise wolle man eine unangreifbare, basisdemokratische Entscheidung herbeiführen und die Partei geeint in die Wahl führen, heißt es.

Für Boris Palmer wäre das eine ganz neue Situation. Bei den zwei OB-Wahlen zuvor fanden jeweils lediglich Nomininierungsveranstaltungen statt - mit ihm als einzigem Kandidaten. Dass er nun grüne Konkurrenz bekommt, könnte auch ein Zeichen dafür sein, dass seine Stellung innerhalb der Partei mittlerweile nicht mehr unumstritten ist. In der Einladung zur Versammlung am Mittwoch schreibt der Vorstand: "Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass in der Frage der OB-Wahl die Streitlinie in der Stadt zurzeit nicht entlang einer Parteiengrenze geht, sondern mitten durch uns."

Palmers Liste der Provokationen ist lang

Vor allem wegen provokanter Äußerungen steht Palmer im Clinch mit den Grünen. Die Liste ist lang. Einige Beispiele: Im April 2018 regte er sich über einen wohl ruppigen Radfahrer mit dunkler Hautfarbe auf. "Das gehört sich für niemanden und für einen Asylbewerber schon dreimal nicht", schrieb das Tübinger Stadtoberhaupt auf Facebook. Eine Aussage, für die er sich später entschuldigte.

Im April 2020 äußerte sich Palmer auch zum Umgang mit Corona-Patienten: "Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären", sagte er in einem Fernsehinterview. Im Anschluss distanzierte sich seine Partei von Palmer. Die Grünen würden ihn bei weiteren politischen Tätigkeiten nicht mehr unterstützen, hatte Partei-Chefin Annalena Baerbock damals verkündet.

Rassismusvorwürfe gegen Palmer

Baerbock war es auch, die etwas mehr als ein Jahr später, im Mai 2021, ein Parteiausschlussverfahren gegen Palmer in Erwägung zog. Zuvor hatte es Rassismusvorwürfe gegen ihn gegeben wegen einer auf Facebook veröffentlichten Aussage über den früheren Fußball-Nationalspieler Dennis Aogo. Palmer hatte in diesem Zusammenhang das N-Wort benutzt. Neben vielen Parteikolleginnen- und -Kollegen gab es auch von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) harte Kritik: "Solche Äußerungen kann man einfach nicht machen. Das geht einfach nicht", sagte er.

Beim Landesparteitag stimmte in der Folge eine Dreiviertelmehrheit dem Ausschlussverfahren zu. Seither ist allerdings laut Palmers Rechtsbeistand, dem früheren Grünen-Fraktionschef Rezzo Schlauch, nichts passiert. Wann der Ausschlussantrag gestellt wird, ist beim Tübinger Kreisverband nicht bekannt. Das entscheide ein Schiedsgericht, hieß es auf Anfrage des SWR. Es werde aber wohl nicht mehr lange dauern.

Im Zusammenhang mit dem Ausschlussverfahren zeigte sich aber auch, dass Palmer viele Unterstützer hat. Zum einen wurde das auf Facebook deutlich, wo der Tübinger Rathauschef in den Kommentaren neben Kritik auch viel Zustimmung erhielt. Zudem hatte die Alternative Liste der Grünen in Tübingen einen Aufruf gestartet, um das Verfahren gegen ihn zu verhindern. Letztlich scheiterte der Antrag bei der Mitgliederversammlung - seither gibt es Streit zwischen Gegnern und Befürwortern von Boris Palmer.

Palmer will sich dritte Amtszeit als OB überlegen

Der Stadtverband in Tübingen betonte im Vorfeld der Abstimmung zur Urwahl, dass das laufende Ausschlussverfahren nicht die anstehende Nominierung für die OB-Wahl 2022 beeinflusse. Palmer selbst wollte sich zuletzt auf Nachfrage nicht dazu äußern. Auf die Frage, ob er bei der Oberbürgermeisterwahl im Herbst 2022 nach zwei Amtszeiten überhaupt noch einmal antritt, sagte er nur: "Das überlege ich mir ganz in Ruhe."

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SWR