Verbraucherzentrale: Preise für Kunden oft kaum nachvollziehbar

Fernwärme in Tübingen - teuer oder nicht?

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Von Autor/in Ulrike Mix

Ein Tübinger Bürger staunt: Ab 2025 soll er doppelt so viel für Fernwärme zahlen wie bisher. Gleichzeitig senken die Stadtwerke Tübingen die Preise. Wie geht das zusammen?

Andreas Staiger ist irritiert: Der Tübinger lebt in einem modernen Wohnviertel in Tübingen und ist ans Fernwärmenetz angeschlossen. Laut dem Wirtschaftsplan seiner Hausverwaltung verdoppeln sich 2025 seine Kosten für Heizung und Warmwasser. Dabei haben die Stadtwerke Tübingen doch angekündigt, dass es billiger wird.

Preissteigerung von 850 auf 1.777 Euro?

Andreas Staiger blättert in der Abrechung für 2023. Da steht schwarz auf weiß: Seine Kosten für die Heizung und das Warmwasser seiner Wohnung lagen bei 850 Euro. Die Abrechnung für 2024 wird in den nächsten Wochen kommen. Aber für 2025 setzt seine Hausverwaltung für den gesamten Wohnblock Heiz- und Warmwasserkosten an, die mehr als doppelt so hoch sind wie bisher. Weder er noch die Nachbarn, mit denen er gesprochen hat, verstehen warum. Sein Anteil sind laut Plan 1.777 Euro.

Stadtwerke Tübingen: Fernwärme wird billiger

Dass Fernwärme teurer ist als Gas, ist Andreas Staiger klar. Und auch die Stadtwerke bestätigen: Bei der Fernwärme zahlt man nicht nur für die Energie, die in Tübingen zum Großteil aus Gas gewonnen wird. Man zahlt auch für den Ausbau der Netze, für den Anschluss, die Wartung usw. Der Fernwärmepreis liegt deshalb immer deutlich über dem Gaspreis.

Palmer: Fernwärme günstigste Energieform

Trotzdem sei Fernwärme eine günstige Energieform, betonen die Stadtwerke und auch Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos), der Vorsitzender des Aufsichtsrats der Stadtwerke ist. Palmer rechnet vor: Wer sich eine neue Gasheizung anschafft, fährt nicht billiger. Man zahle zwar weniger fürs Gas, müsse aber einen Kessel kaufen und den Anschluss finanzieren. Das werde oft übersehen.

Preis für Fernwärme hängt meist am Gaspreis

In vielen Städten hängt der Preis für Fernwärme stark vom Gaspreis ab. Zum Beispiel in Tübingen und Reutlingen, wo Gas benutzt wird, um die Fernwärme zu erzeugen, erklärt Energiefachmann Matthias Bauer von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Reutlingen.

Andere Städte nutzen Steinkohle oder die Abwärme aus Industrie oder Kläranlagen. Weil der Gaspreis seit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine jahrelang gestiegen ist, ist Fernwärme, die aus Gas produziert wird, ebenfalls viel teurer geworden. Weil die Stadtwerke Tübingen langfristige Gasverträge haben, kommen sowohl der Anstieg als auch der jetzige Preisrückgang beim Gas aber zeitverzögert beim Kunden an.

Wir kaufen über ein Jahr vorher das Gas für die Fernwärme. Da sind jetzt noch Preise inkludiert aus einer Zeit, in der die Gaspreise sehr, sehr hoch waren.

Tübinger Fernwärmepreis im Bundesschnitt

Der aktuelle Fernwärmepreis in Tübingen falle aber nicht aus dem Rahmen, sagt Matthias Bauer von der Verbraucherzentrale. Verglichen mit den bundesweiten Fernwärmepreisen liege Tübingen im oberen mittleren Preisbereich.

Die Beratungsstelle der Verbraucherzentrale BW in Reutlingen kritisiert jedoch: Wie die Fernwärmepreise zustandekommen, sei für die Verbraucher kaum nachvollziehbar. Außerdem haben die jeweiligen Stadtwerke eine Monopolstellung. Die Kunden müssen also nehmen, was angeboten wird und können anders als bei anderen Energieformen nicht den Anbieter wechseln.

Hausverwaltung bleibt skeptisch

Warum steigen bei Andreas Staiger aber nun laut Wirtschaftsplan die Preise drastisch, obwohl die Stadtwerke ihre Preise senken? Das versteht auch Energiefachmann Matthias Bauer nicht. Die Hausverwaltung bleibt auf SWR-Nachfrage bei ihrer Berechnung - räumt aber ein, dass sie die veranschlagten Kosten vielleicht noch etwas nach unten korrigieren wird.

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