Zwei Fußballer stehen auf dem Spielfeld (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance/dpa | Christian Charisius)

Immer mehr Spielabbrüche im Fußball

Uni Tübingen: Gewalt im Amateurfußball nimmt zu

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Im Amateurfußball gibt es nach Angaben der Kriminologin Thaya Vester aus Tübingen immer mehr Gewalt - auch gegenüber den Unparteiischen. Vester sieht die Entwicklung mit Sorge.

Die Gewalt im Amateurfußball nimmt stetig zu, auch gegenüber den Schiedsrichter-Teams. Das hat die Kriminologin Thaya Vester aus Tübingen festgestellt. Die Folgen dieser Entwicklung bereiten der Forscherin große Sorgen.

Schiedsrichter in Pfullingen verletzt

In den letzten Wochen häufen sich die Negativ-Schlagzeilen: Bei einem Fußballspiel in Pfullingen (Kreis Reutlingen) wurden kürzlich ein Schiedsrichter und zwei weitere Personen bei einem Gerangel leicht verletzt. Bei Neu-Ulm schlug Anfang des Monats ein Jugendspieler einer Schiedsrichterin ins Gesicht. Thaya Vester von der Uni Tübingen sieht diese Entwicklung mit Sorge. Sie untersucht die Gewalt auf Fußballplätzen und die Gewalt gegen Schiedsrichter. Beides nehme im Amateurbereich zu, sagt sie – und sie fürchtet eine Negativspirale.

Gewalt auf dem Platz und negative Schlagzeilen über Schiedsrichter, die angegriffen werden, wirke abschreckend, glaubt Vester. Das könne zur Folge haben, dass freundliche und faire Zuschauer oder auch junge Menschen, die gern Nachwuchsschiedsrichter wären, nicht mehr kommen. Es könne passieren, dass sich auf den Fußballplätzen nur noch diejenigen sammeln, die gewaltbereit sind.

Schiedsrichter zeigt Rote Karte beim Fußballspiel  (Foto: dpa Bildfunk, Patrick Seeger)
Forscherin aus Tübingen analysiert: immer mehr Gewalt im Amateurfußball

Kriminologin aus Tübingen sieht Gewalt-Höhepunkt im Spätherbst

Im Moment ist die Situation besonders schlimm, denn im Spätherbst gibt es nach Angaben der Kriminologin immer einen Gewalthöhepunkt. Das liege zum Teil am schlechten Wetter, den schlecht bespielbaren Plätzen oder Verletzungssorgen. Es liege aber auch daran, dass Ende Oktober/Anfang November der Zeitpunkt sei, an dem sich die Tabellenplätze verfestigten und viele Vereine sich eingestehen müssten, dass das angestrebte Saisonziel nicht zu erreichen sei. Das erzeuge Frust.

Aktuelle Krisen entladen sich möglicherweise auf dem Platz

Thaya Vester vermutet, dass sich auch gesellschaftlicher Druck auf dem Platz entlädt: erst Corona, jetzt Inflation und Energiekrise. Da sei der Fußball für manche vielleicht ein Ventil, das benutzt werde, um Frust und Druck rauszulassen. In der vergangenen Saison seien die Spielabbrüche im Vergleich zu vor Corona durch die Decke gegangen. Dieser Trend setze sich fort.

Aktuelle Befragung zu Gewalt auf württembergischen Fußballplätzen läuft

Für den Württembergischen Fußballverband hat Thaya Vester in der Vergangenheit bereits zwei Erhebungen zu Gewalt auf den hiesigen Amateurfußballplätzen gemacht und ausgewertet. Aktuell läuft die dritte Befragung. Die Ergebnisse sollen Anfang nächsten Jahres vorliegen.

Gewalt auf dem Platz als eine Ursache für Schiedsrichtermangel

Die zunehmende Gewalt auf Fußballplätzen ist nach Ansicht von Thaya Vester auch ein Grund dafür, warum es bei den Vereinen des Württembergischen Fußballverbands weiter zu wenig Schiedsrichter gibt. In der vergangenen Saison fehlten laut dem Verband 2.500 Schiedsrichter - vor allem im Jugendbereich. Gewalt schrecke ab, sagt die Tübinger Kriminologin.

Vor allem junge Schiedsrichter haben Probleme

Schiedsrichterobmann Markus Werthmann aus Münsingen (Kreis Reutlingen) hat es im Alltag vor allem mit verbaler Gewalt zu tun. Das sei schlimm genug. Werthmann betreut junge Schiris. Dreimal habe er in letzter Zeit Spiele unterbrochen, weil das Publikum die Jung-Schiris beleidigte. Eine 14-jährige Schiedsrichterin sei besonders stark angefeindet worden. Aus dem Publikum habe jemand gerufen: "Was pfeifst denn du Schlampe für einen Scheiß!" Das gehe gar nicht. Kritik an Entscheidungen sei in Ordnung, so Werthmann, aber keine persönlichen Anfeindungen.

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SWR