Landrätin Dorothea Störr-Ritter sitzt beim SWR-Interview (Foto: SWR)

Abschied der Landrätin aus Waldkirch

Wie Landrätin Störr-Ritter heute auf ihre schwersten Stunden blickt

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AUTOR/IN
Matthias Schlott

Die langjährige Landrätin Dorothea Störr-Ritter wird am Donnerstag verabschiedet. Im SWR-Interview blickt sie auf ihr Amt zurück - und schildert, was sie am meisten belastet hat.

SWR: Frau Störr-Ritter, seit dem 3. März 2008 sind Sie Landrätin des Kreises Breisgau-Hochschwarzwald. Mit Blick auf das Ende Ihrer Amtszeit: Mit wie viel Wehmut scheiden Sie aus? Oder fühlen Sie sich befreit?

Dorothea Störr-Ritter: Wie groß die Wehmut ist, habe ich gestern (Dienstag, Anm. d. Red.) gespürt, als mich die Mitarbeitenden verabschiedet hatten. Das war ein großartiges Fest. Da sind viele Erinnerungen wach geworden, auch an die gemeinsame Arbeit, die den Landkreis betrifft. Da hat es mich schon gepackt. Auf der anderen Seite freue ich mich natürlich, mal wieder Termine selbst festlegen zu können, Lücken lassen zu können zwischen Terminen und vor allem auch Zeit für meine Familie zu haben. Also einfach noch mal ein privates Leben führen zu können.

Jetzt wo sie gehen, kann man ja ehrlich antworten: Was sind für Sie die allernervigsten Dinge gewesen, die ein solches Amt mit sich bringt?

Sie erwarten, dass ich sage: die Interviews, die ich geben musste! Aber nein, die waren in der Regel eher angenehm, weil ich aus meiner Sicht berichten konnte. Gewisse Dinge im Alltag hätte ich vielleicht anders erwartet, aber bei jedem Thema gibt es Licht und Schatten. Am Ende war ich eigentlich mit allem zufrieden, was ich anpacken durfte.

Lassen Sie uns weit zurückblicken: Damals im Jahr 2008 wurden Sie als erste Landrätin in Baden-Württemberg gewählt, in ein damals absolut männlich geprägtes Amt. Erinnern Sie sich noch, wie Sie wahrgenommen wurden?

Aus meiner Sicht bin ich unvoreingenommen und ohne große Scheu in diese Männergremien gegangen. Ich war es auch gewohnt aus meinen vorherigen beruflichen Tätigkeiten, und es hat immer gut funktioniert. Gelegentlich hat es mich amüsiert, wenn ich die eine oder andere Unsicherheit im Umgang mit mir festgestellt habe. Aber das war immer unabsichtlich, und am Ende des Tages haben wir gemeinsam darüber gelacht. Ich konnte mir auch schnell bei den Kollegen eine gewisse Wertschätzung erarbeiten.

Landrätin Dorothea Störr-Ritter wird von ihrem Stellvertreter im Kreistag, Oliver Rein, verabschiedet (Foto: Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald, Matthias Fetterer)
Landrätin Dorothea Störr-Ritter wird von ihrem Stellvertreter im Kreistag, Oliver Rein, verabschiedet

Wie empfinden Sie es heute, 16 Jahre später, dass es weiterhin so wenige Frauen auf dem Landratsposten gibt? Es ist eine Männerdomäne geblieben - wie sieht man das als Frau?

Das wundert mich auch. Aber auf der anderen Seite habe ich im Laufe meines langen beruflichen Lebens immer wieder erfahren, dass Frauen sich oft nicht in in solche Spitzenpositionen trauen. Man traut es ihnen zu, aber für sie ist es schwierig, den letzten Schritt zu gehen. Woran das liegt, weiß ich nicht. Es mangelt nie an Kompetenz, auch nicht an an Sozialkompetenz, im Gegenteil. Aber ich denke, wenn die Familie oder eine Partnerschaft nicht dahintersteht, dann ist es für Frauen wesentlich schwieriger. Gerade in in politischen Ämtern wie als Landrätin ist es vielleicht auch die Scheu, sich so in die Öffentlichkeit zu stellen, weil das für das persönliche Leben vieles verändert. Da habe ich volles Verständnis, wenn einige Frauen sich lieber auf anderer Ebene verwirklichen.

Freiburg

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Ihnen war vor allem die Verbesserung des Nahverkehrs wichtig, zum Beispiel die Elektrifizierung von Bahnstrecken. Wie blicken Sie heute auf das, was Sie hier erreichen konnten?

Es funktioniert noch nicht so, wie wir es uns vorgestellt haben. Dafür gibt es viele Gründe. Bei solchen Projekten sind auch Bund, Land und Verkehrsunternehmen dabei - nicht einfach. Wir haben trotzdem viel erreicht. Allein die Elektrifizierung war ein ganz großer Fortschritt beim Thema Klimaschutz, und so wird es auch von der Bevölkerung gesehen. Aber es geht nicht, dass man auf dem Bahnhof steht und friert und nicht mal weiß, was Sache ist, da muss noch einiges passieren.

Der Fall des kleinen Jungen Alessio aus Lenzkirch, der im Jahr 2015 von seinem Stiefvater zu Tode geprügelt wurde, gehört sicher zu den schwierigsten Dingen, die Sie in ihrer Amtszeit bewältigen mussten. Damals stand auch die Frage im Raum, welche Verantwortung das Jugendamt im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald getragen haben könnte. Wie geht es Ihnen heute damit?

Was mich damals sehr belastet und bewegt hat, war das große Unverständnis seitens der Öffentlichkeit, dass jedes Jugendamt und alle Verantwortlichen immer ein Endrisiko mit sich nehmen und dass trotzdem tagtäglich Entscheidungen gefällt werden müssen, die zugegeben große Eingriffe in Familien und für Kinder bedeuten. Die Mitarbeitenden stellen sich dieser Aufgabe, wohl wissend, dass es auch mal schiefgehen kann. Was mir wirklich zu schaffen gemacht hat, war dieses Unvermögen, zu erklären, was da eigentlich war, und zu erklären, dass sowas immer wieder passieren kann. Kein Jugendamt ist davor gefeit. Man kann nicht den Kopf in den Sand stecken und nichts mehr tun. Wir haben die Pflicht, jeden Tag dieser Aufgabe gerecht zu werden, egal wie es uns dabei geht.

Politiker durchschneiden ein Band in den französischen und deutschen Farben  (Foto: SWR, Nadine Zeller)
Freiburgs Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer (3. von li.), Frédéric Bierry, Präsident der Europäischen Gebietskörperschaft Elsass und Landrätin Dorothea Störr-Ritter (re. daneben) durchschneiden im Juli 2023 gemeinsam das Band bei der feierlichen Eröffnung des neuen Radwegs über das Stauwehr.

War das für Sie eine Art Wendepunkt in ihrer Amtszeit? Nach so einem tragischen Todesfall eines dreijährigen Jungen ist nichts mehr, wie es vorher war. Ich habe Sie damals auch sehr angegriffen und von der Kritik heftig gebeutelt erlebt. Bestimmte Aussagen von Ihnen wurden heftig kritisiert...

Ich betrachtete das als eine sehr persönliche Sache. Ich habe meinen Weg gefunden, damit zu leben. Im Übrigen bin ich grundsätzlich nicht nachtragend. Auch wenn es in mir wieder hochkommt, versuche ich, meinen Frieden zu machen mit dem, was da außerhalb des eigentlichen Falles so passiert ist. Dazu gäbe es viel zu sagen, aber das ist meine persönliche Sache.

Richten wir zum Schluss mal den Blick nach vorne. Frau Störr-Ritter, was werden sie als Erstes tun, wenn sie nicht mehr tagtäglich im Blickpunkt stehen?

Ich werde das Gefühl, mal wieder Privatfrau zu sein, richtig auskosten. Das beginnt damit, dass ich morgens einfach anziehe, was mir gerade bequem so aus dem Schrank blickt, und ich mir nicht überlege: Was habe ich jetzt zu tun? Wo gehe ich hin? Was erwarten meine Gesprächspartner? Jetzt möchte ich nur mal an mich denken und an meine Familie. So wird sich der erste Alltag gestalten.

Dorothea Störr-Ritter, Landrätin im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald, informierte sich über die Arbeit der Bergwacht (Foto: SWR, Christopf Ebner)
Dorothea Störr-Ritter im Juli 2022 mit Einsatzkräften der Bergwacht.

Wird man Sie vielleicht irgendwo nochmal auf der politischen Ebene oder auf einer Parteiliste wiederfinden wie die scheidende Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer, die nun für den Stadtrat kandidieren wird auf der grünen Liste, oder machen Sie da einen Schlussstrich drunter?

Naheliegend wäre für mich ja jetzt die Senioren-Union. Aber in meinem Heimatort Waldkirch gibt es da einen perfekten Vorsitzenden, daher stellt sich die Frage nicht. Ich werde weiter politisch mitdenken, keine Frage. Wenn ich aber die Möglichkeit habe, nicht parteipolitisch, sondern über Ehrenämter etwas beizutragen, dann würde ich es auf dem Wege tun - und dann bin ich ziemlich ausgelastet.

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Matthias Schlott