Ein Figuren-Paar mit einem Kind steht auf einer Zwei-Euro-Münze, die auf einem 50-Euro-Schein liegt. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance / dpa | Andreas Gebert)

Bundesverfassungsgericht zur Pflegeversicherung von Familien

Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Entscheidung

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Kerstin Anabah
Klaus Hempel

Der Gesetzgeber muss beim Pflegebeitrag nach der Kinderzahl unterscheiden. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch in Karlsruhe entschieden.

Wer hat vorm Bundesverfassungsgericht geklagt?

Geklagt haben drei Elternpaare aus Baden-Württemberg. Sie stammen aus Freiburg und Waldshut-Tiengen. Unterstützt werden sie vom Familienbund der Katholiken und vom Deutschen Familienverband.

Was wollten die Eltern mit ihren Klagen erreichen?

Sie wollten erreichen, dass sie weniger Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssen als Kinderlose - also weniger Beiträge für die gesetzliche Renten-, Pflege- und Krankenversicherung. Ihr Hauptargument: Eltern müssten quasi doppelt zahlen. Zum einen würden sie durch die Sozialabgaben belastet. Zum anderen würden sie durch ihre Kinder einen wichtigen Beitrag leisten und so die umlagefinanzierten Sozialversicherungssysteme aufrechterhalten. Die heutigen Kinder würden später für die Renten, Pflege- und Krankenkosten der jetzigen Beitragszahlerinnen und Beitragszahler aufkommen - auch für solche, die keine Kinder hätten. Letztere würden in Zukunft von ihren Kindern profitieren. Deshalb - so das Argument der Klägerinnen und Kläger - erbringen alle Eltern eine doppelte Leistung. Das halten sie für ungerecht. Die Unterhaltskosten für die Kinder und deren Erziehung müssten daher ausgeglichen werden, in Form von niedrigeren Sozialabgaben.

Was haben die Gerichte bisher entschieden?

Bereits 2001 hatte Karlsruhe entschieden, dass Eltern bei der Pflegeversicherung entlastet werden müssen, sprich weniger zahlen müssen als Kinderlose. Daraufhin hatte der Gesetzgeber die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Prozentpunkte erhöht. Anfang 2022 wurde dieser Zuschlag noch einmal erhöht, auf aktuell 0,35 Prozentpunkte. Dadurch sind Familien etwas entlastet. Es wird aber nicht danach unterschieden, ob jemand ein Kind oder mehrere Kinder hat. Das Bundessozialgericht hatte mehrfach entschieden, dass Eltern keine weiteren Entlastungen bei den Sozialversicherungsbeiträgen beanspruchen können. Der Gesetzgeber habe bei der Ausgestaltung des Sozialversicherungsrechts einen weiten politischen Gestaltungsspielraum. Die Richter verwiesen in ihrem Urteil darauf, dass die Erziehungsleistung von Eltern bereits in vielerlei Hinsicht berücksichtigt werde: etwa durch die Anrechnung der Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung oder bei der beitragsfreien Familienversicherung in der Krankenversicherung.

Was hat das Bundesverfassungsgericht entschieden?

Das Bundesverfassungsgericht hat am Mittwoch entschieden, dass der Gesetzgeber bei dem Pflegebeitrag nach der Kinderzahl differenzieren muss. Eine Familie mit vier oder fünf Kindern hat einen völlig anderen Kosten- und Betreuungsaufwand als ein Paar, dass nur ein Kind großzieht. Hat ein Paar nur ein Kind, ist es sehr viel einfacher zu managen, dass beide berufstätig bleiben. Bei mehreren Kindern wird das schon schwieriger. Bleibt ein Elternteil zu Hause, fehlt aber ein Einkommen. Das Bundesverfassungsgericht spricht in diesem Zusammenhang von "erziehungsbedingt entgangenen Erwerbschancen". Das Gericht kommt daher zum Schluss: Das alles muss bei der Pflegeversicherung berücksichtigt werden.

Welcher Grundgedanke steckt dahinter?

Dahinter steckt der grundsätzliche Gedanke, dass Eltern durch ihre Kinder einen wichtigen Beitrag zu allen Sozialversicherungen leisten. Wenn ihre Kinder später einmal arbeiten, zahlen sie die Sozialbeiträge und stützen so das ganze System.

Müssen Eltern auch bei der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung entlastet werden?

Nein. Entschieden die Verfassungsrichter heute. Bisher zahlen Eltern und Kinderlose die gleichen Beitragssätze. Diese Ungleichbehandlung aber sei gerechtfertigt, so die Richter, da Eltern einen adäquaten Ausgleich für ihren Aufwand erhielten. Bei der Rentenversicherung werden Kindererziehungszeiten berücksichtigt. Bei der Krankenversicherung gibt es die beitragsfreie Familienversicherung. Sprich: Der nicht berufstätige Ehepartner und die Kinder sind mitversichert.

Welche Folgen hat die Entscheidung?

Der Gesetzgeber ist bis Ende Juli kommenden Jahres verpflichtet, die Pflegeversicherung diesbezüglich neu zu regeln. Eltern, die zwei oder mehr Kinder haben, können damit rechnen, dass sie ab Mitte nächsten Jahres weniger in die Pflegeversicherung einzahlen müssen. Bei der Renten- und Krankenversicherung wird sich jedoch nichts ändern.

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