Eine PendlerBrezel wird hochgehalten, im Hintergrund ist ein Radfahrer zu sehen (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Bernd Weißbrod)

Angebliche Verschwendung von Steuergeldern

Schwarzbuch: Bund der Steuerzahler kritisiert "PendlerBrezel" und Beatmungsgeräte in BW

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Mit dem Schwarzbuch rücken die Steuerhüter Fälle von - aus ihrer Sicht - Steuerverschwendung in den Fokus. Auch Projekte der BW-Landesregierung sind darin aufgelistet.

Der Bund der Steuerzahler hat am Mittwoch das Schwarzbuch 2022/23 vorgestellt. Darin kritisiert der Verein verschiedene Fälle auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene, bei denen aus seiner Sicht öffentliche Gelder verschwendet wurden. Darunter finden sich Kostensteigerungen von Großprojekten, skurrile Ausgaben oder auch Projekte zur Imagepflege von Politikerinnen und Politikern.

Besonders in der Kritik stehen im diesjährigen Schwarzbuch Sozial- und Verkehrsministerium:

Steuerverschwendung für ungenutzte Beatmungsgeräte?

In Baden-Württemberg kritisiert der Bund der Steuerzahler unter anderem die Anschaffung von 1.000 Beatmungsgeräten zu Beginn der Corona-Pandemie. Die Geräte seien als Notreserve für insgesamt 53 Millionen Euro angeschafft worden - werden laut Steuerzahlerbund aber kaum benötigt. Das Land habe im Vorfeld nicht bei den Kliniken angefragt, ob überhaupt Bedarf an weiteren Beatmungsgeräten bestehe. Im April 2022 wusste das zuständige Sozialministerium nur von 53 eingesetzten Geräten.

Außerdem müssten die ungenutzten Beatmungsgeräte zwei Jahre lang gewartet werden. Pro Gerät kämen daher weitere Kosten in Höhe von 675 Euro auf das Land zu, rechnet der Bund der Steuerzahler vor. "Bei allem Verständnis für das Handeln des Sozialministeriums. In unsicheren Zeiten zu Beginn der Corona-Pandemie hätte aufgrund der hohen Investitionssumme im Vorfeld ein Austausch zwischen Land und Kliniken über den Bedarf an Beatmungsgeräten stattfinden müssen", schreibt der Steuerzahlerbund.

Ministerium berichtigt: 37,7 Millionen Euro für Geräte

Das Gesundheitsministerium stellte klar, dass die Geräte 37,7 Millionen Euro gekostet hätten und nicht - wie vom Steuerzahlerbund zunächst berichtet - 53 Millionen Euro. Zudem sei mittlerweile rund die Hälfte der Geräte an die Ukraine abgegeben worden, um dort den Menschen zu helfen.

Der für die Beschaffung der Geräte verantwortliche Sozialminister von Baden-Württemberg, Manfred Lucha (Grüne), sagte dem SWR hierzu: "Es ist absurd, uns jetzt vorzuhalten, Hilfsgüter auf dem Weltmarkt beschafft zu haben, die nicht alle zum Einsatz kamen. Ich möchte gerne wissen, was los gewesen wäre, wenn wir nicht genügend Beatmungsgeräte zur Verfügung gehabt hätten und dadurch Menschen gestorben wären." Der Landesregierung vorzuhalten, sie habe zu viel Notfallreserve angelegt, sei zynisch. In einer Pandemie müsse man immer für den schlimmsten Fall vorbereitet sein. "Dazu stehe ich", so Lucha.

Die kritisierten Minister Lucha und Hermann wehren sich gegen die Beanstandungen des Steuerzahlerbundes:

Steuerzahlerbund kritisiert E-Auto-Prämie und "PendlerBrezel" in BW

Wie schon der Landesrechnungshof im Sommer geht der Steuerzahlerbund auch mit Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hart ins Gericht. Grund sind verschiedene Förderprogramme, um Autofahrer zum Umstieg auf ein E-Auto zu bewegen. Es sei unverständlich, dass das Land weitere Prämien wie den "BW-e-Gutschein" auslobe, obwohl schon der Bund bis zu 6.000 Euro Steuergeld für die Anschaffung eines E-Fahrzeugs zuschieße. Hermanns Sprecher widersprach der Kritik und sagte, es gehe hier "um eine sehr sinnvolle und effektive ergänzende Förderung".

Ein weiteres Projekt der Landesregierung, das im Schwarzbuch der Steuerhüterinnen und -hüter gelandet ist, ist die sogenannte PendlerBrezel. Wer in Baden-Württemberg mit dem Fahrrad zur Arbeit, Schule oder Uni fuhr, bekam an fünf Tagen im Mai und Juni Gratisbrezeln. Dabei arbeitete das Verkehrsministerium mit der Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußgängerfreundlicher Kommunen und mehr als 660 Bäckereibetrieben im Land zusammen. Das Ziel: Der Berufsverkehr soll klimafreundlicher werden.

Baden-Württemberg

Aufs Rad umsteigen Aktion für Klimaschutz: Baden-Württemberg lockt seit Montag Fahrradfahrer mit Gratis-Brezeln

Seit Montag erhalten Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer in BW wieder fünf Tage lang eine kostenlose Brezel. Rund 660 Bäckereien nehmen an der Aktion "PendlerBrezel-Woche" teil.

Die Aktion kostete mindestens 58.882,50 Euro, wie Baden-Württembergs Verkehrsministerium als Antwort auf die Anfrage eines Landtagsabgeordneten Anfang Juli mitteilte. "Eine unnötige PR-Aktion", urteilte der Bund der Steuerzahler. "Aufs Rad 'umsatteln' werden die meisten Pendler schon aus eigenem Antrieb", so der Verein - sei es aus sportlichen oder gesundheitlichen Gründen, oder wegen der hohen Spritpreise.

Initiative RadKULTUR soll Menschen aufs Rad bringen

Das Geld für die Aktion "PendlerBrezel" stamme von der Initiative RadKULTUR, die das Ministerium 2012 selbst gegründet hatte. Die Initiative setzt sich für den Umstieg der Menschen aufs Fahrrad ein und organisiert laut Steuerzahlerbund unter anderem Radschnitzeljagden in verschiedenen Kommunen oder kostenlose Radchecks. Dafür habe die Landesregierung jährlich in der Zeit von 2012 und 2019 jährlich zwischen 850.000 Euro und 1,7 Mio. Euro ausgegeben, so der Bund der Steuerzahler weiter. Seit 2020 wurde das Budget sogar auf bis zu 3 Millionen Euro jährlich erhöht.

Ein Bücherschrank für Riesen und ein teurer Fußgängersteg

Auch zwei städtische Projekte stehen in der Kritik. Dazu gehört ein Fußgängersteg in Aalen (Ostalbkreis), der die Innenstadt über die Bahngleise hinweg mit dem sogenannten Stadtoval verbinden soll. Im Mai wurde mit dem Bau begonnen. Drei Millionen Euro sollte dieser ursprünglich kosten, nach aktueller Schätzung werden es fast 10,4 Millionen. Die Stadt verwies darauf, dass bei den Berechnungen 2015 nur die Kosten für das Bauwerk selbst angesetzt wurden. "Erst der Baubeschluss aus dem Jahr 2018 beinhaltete alle kalkulierten Kosten. Damals ging man von 6,6 Millionen Euro Gesamtkosten aus",, erklärte ein Sprecher. Von daher sei der Kostenanstieg nicht so hoch wie vom Bund der Steuerzahler dargestellt. Aalen ist dennoch stolz auf den Steg. Er sei nicht nur "eine wichtige Fußgängerbrücke, sondern gleichzeitig ein baukulturelles Ausrufezeichen", heißt es auf deren Website.

Wie auf einer Wendeltreppe gehts beim Fußgängersteg am Haup (Foto: Werner Sobek Design GmbH)
Im Mai hat der Bau für den umstrittenen Fußgängersteg in Aalen begonnen. (Visualisierung Werner Sobek Design GmbH)

Reumütig zeigt sich die Stadt Mössingen (Landkreis Tübingen). In der Bahnhofstraße wurde dort ein öffentlicher Bücherschrank aufgestellt, dessen oberstes Regal aber nur schwer zu erreichen ist: Der Schrank an sich ist 2,60 Meter hoch, wurde allerdings auf einem 40 Zentimeter hohen Betonsockel aufgebaut. Die Kosten: 15.000 Euro. "Bei der Planung ist leider ein Fehler passiert, was die Höhe des obersten Buchregals angeht", gibt die Stadt laut Steuerzahlerbund zu.

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SWR