Collage aus einer Spritze in weißen Handschuhen und Hände halten 500-Euro-Geldscheine (Foto: dpa Bildfunk, SWR, picture alliance/dpa | Matthias Balk, Collage SWR)

Übrige Mittel aus der Pandemie

Baden-Württemberg und die Corona-Milliarden: zurückzahlen oder ausgeben?

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Henning Otte
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Johannes Böhler

Zur Bewältigung der Corona-Krise hat BW rund fünf Milliarden Euro weniger ausgegeben als geplant. Finanzminister Bayaz will damit Schulden tilgen - die SPD fordert Investitionen.

Das Land Baden-Württemberg hat zur Bewältigung der Corona-Krise in den vergangenen drei Jahren 9,3 Milliarden ausgegeben - und damit deutlich weniger als von der Regierung vorhergesagt. Das erfuhr der SWR aus dem Finanzministerium in Stuttgart.

Der Landtag hatte der grün-schwarzen Regierung neue Schulden in Höhe von 14,6 Milliarden Euro für den Kampf gegen die Pandemie und ihre Folgen genehmigt. Das heißt, das Land verfügt noch über einen Puffer von 5,3 Milliarden Euro, obwohl sich die Krise dem Ende zuneigt. Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) will mit dem übrigen Geld Corona-Schulden tilgen. Doch das ist umstritten. Die grün-schwarze Regierung bräuchte eigentlich dringend frisches Geld, um in Klimaschutz und Bildung investieren zu können. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) machte am Dienstag jedoch klar, dass es klare rechtliche Vorgaben gebe, wie das Geld zurückzuzahlen sei.

Hilfen für Kommunen, Firmen und Vereine größter Batzen

Der größte Posten sind 6,4 Milliarden Euro für Zuschüsse und Hilfsprogramme, erklärte das Finanzministerium. Darunter fällt zum Beispiel die Unterstützung der Kommunen in Höhe von drei Milliarden Euro. Die Hilfen für öffentliche und private Unternehmen schlagen mit 2,5 Milliarden Euro im Landeshaushalt zu Buche. Für Entschädigungsleistungen wie Verdienstausfälle musste das Land 333 Millionen Euro in die Hand nehmen. Um Vereine und andere gemeinnützige Einrichtungen zu stützen, wandte das Land 257 Millionen Euro auf.

Die zusätzlichen Ausgaben der Verwaltung für die Pandemie werden auf 1,6 Milliarden Euro beziffert, hier geht es unter anderem um Kosten der IT-Infrastruktur für das Homeoffice. Für Corona-Tests und Schutzausrüstung gab das Land 715 Millionen Euro aus. Die Impfzentren, die im Jahr 2021 massiv ausgebaut wurden, verschlangen 571 Millionen Euro. 

"Relativ gut durch Krise gekommen": Bayaz will Schulden abbauen

Finanzminister Bayaz sagte dem SWR, das Land sei seiner Ansicht nach relativ gut durch die Krise gekommen. "Das hatte zwar seinen Preis, aber es ging um unsere Gesundheit, den Schutz von Risikogruppen, die Unterstützung der Kommunen und auch darum, einen wirtschaftlichen Einbruch zu verhindern. Und das ist gelungen", so Bayaz.

Zur Bewältigung der Krise brachte die grün-schwarze Landesregierung Nachtragshaushalte mit Kreditermächtigungen von insgesamt 14,6 Milliarden Euro durch den Landtag. Zu dem übrigen Puffer erklärte ein Sprecher von Bayaz, man möge zwar langsam in die endemische Phase kommen, "aber für uns ist die Pandemie noch nicht vorbei. Erst jüngst haben wir weitere Mittel für die Unikliniken bereitgestellt, um Corona-Defizite auszugleichen". Deswegen seien die Zahlen noch vorläufig.

Der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) nimmt einen Stapel Papier vom Rednerpult im Landtag.  (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Marijan Murat)
Der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) will mit den übrigen Mitteln aus der Pandemie Schulden abbauen.

Das sei auch der Grund, warum man keine abschließende Aussage zu der Differenz zwischen den tatsächlich aufgenommenen Krediten und den möglichen Kreditermächtigungen treffen könne. "Allerdings hatte Herr Minister Bayaz im Landtag dazu gesagt, dass nicht genommene Kreditermächtigungen für die Pandemie zurückfließen", sagte der Sprecher. Der Altschuldenberg ist während der Corona-Krise auf 58,7 Milliarden Euro angewachsen (Stand Ende 2022).

"Hamstern statt Helfen": SPD-Fraktionschef Stoch attackiert Kretschmann

Die SPD sieht die Bilanz kritisch, weil das Land aus ihrer Sicht dringend mehr hätte investieren müssen. "Dass die Landesregierung rund fünf Milliarden Euro weniger ausgegeben hat, als sie konnte, ist kein Grund zur Freude", sagte Fraktionschef Andreas Stoch dem SWR. "Diese enorme Summe beweist, dass Grün-Schwarz wichtige Aufgaben einfach nicht angepackt hat." Es bestehe jetzt die Chance, das Geld noch sinnvoll zu nutzen. "Es geht jetzt nicht darum, Schulden zu tilgen, sondern die Schäden aus der Pandemie und der übrigen Krisen."

Stoch ergänzte: "Die Milliarden, die die Regierung Kretschmann nicht anrührte, sind die Milliarden, die jetzt an unseren Schulen fehlen, in den Krankenhäusern, in der Pflege. Dort hätte man in den Pandemiejahren so viel mehr tun können und tun müssen." Der Landtag habe das Geld bewilligt, damit die Landesregierung helfen könne. "Aber die haben nicht geholfen, sondern nur gehamstert", monierte Stoch.

Grünen-Fraktionschef: "Trugbild zu glauben, wir hätten noch Geld übrig"

Grünen-Fraktionschef Schwarz wies die Forderung, die nicht abgerufenen Gelder jetzt zu investieren, entschieden zurück. "Offenbar verwechselt die SPD rote mit schwarzen Zahlen. Es ist ein Trugbild zu glauben: Weil nicht alle Corona-Schulden verwendet wurden, hätten wir noch Geld übrig und könnten damit andere Investitionen finanzieren. Das Notbewilligungsrecht erlaubt lediglich eine Schuldenaufnahme zur Bekämpfung einer Naturkatastrophe", sagte der Grünen-Politiker dem SWR.

Er verwies darauf, dass man im Haushalt 2024/2025 große Investitionen tätige. Es würden 700 neue Stellen an Schulen für Pädagogen geschaffen. Zudem werde in Klimaschutz investiert und mit dem landesweiten Jugendticket der öffentliche Verkehr attraktiver gemacht. 

Kretschmann: Corona-Kredite kann man nicht "für andere Zwecke umwidmen"

So sieht es auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann. "Corona-Kredite kann man nicht einfach für andere Zwecke umwidmen und umnutzen", sagte er bei der Landespressekonferenz am Dienstag. Es gebe klare rechtliche Vorgaben, was mit dem Geld zu machen sei. "Nach der Schlussrechnung werden wir im Kern diese Schulden zurückzahlen. Das ist eine rechtliche Vorgabe." Ihn wundere es, welche Forderungen teilweise aus der Opposition kämen.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) blickt etwas mürrisch vom Podium der Landespressekonferenz im Bürger- und Medienzentrum des Landtags.  (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Marijan Murat)
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagt, das Land habe die Kredite für einen klaren Zweck aufgenommen - diesen Zweck könne man nicht umwidmen.

Der Einschätzung, dass die Gelder zweckgebunden seien, widersprach SPD-Fraktionschef Stoch: "Gerade auch die Folgen, die durch die Schulschließungen entstanden sind, sind aus unserer Sicht Corona-Folgen", sagte der SPD-Fraktionschef dem SWR. Er fügte hinzu: "Es wäre für die Landesregierung ein Leichtes im Landtag Beschlüsse herbeizuführen, dass wir dieses Geld auch dazu verwenden können, den Menschen zu helfen, die in dieser aktuellen Krise ganz besonders betroffen sind." Man könne das Geld auch nutzen, um die Folgen der Ukraine-Krise in den Griff zu kriegen. "Der Landtag könnte es beschließen, die Landesregierung könnte es umsetzen, wenn sie es denn wollte", so Stoch.

FDP-Chef Rülke: "Geld muss in Schuldenabbau fließen"

Die an der Landesregierung beteiligte CDU sieht das anders und beruft sich auf zuvor gegebene Zusicherungen. Der Fraktionsvorsitzende Manuel Hagel erklärte auf SWR-Anfrage, man habe "durch die Nutzung der Ausnahmekomponente auf Grund der Naturkatastrophe Vorsorge getroffen." Allerdings habe man gleichzeitig versprochen, wieder Schulden zu tilgen, sobald diese Vorsorge nicht mehr gebraucht werde. Dieses Versprechen wolle man einhalten.

Auch FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke unterstützt die Position, die Schulden mit dem Restgeld abzutragen. "Man kann nicht einerseits sämtliche Coronaregeln aufheben und andererseits auf einem Berg Geld sitzen, den man immer noch mit Corona begründet", sagte Rülke.

Schuldenabbau hat für die AfD ebenfalls Priorität. AfD-Fraktionschef Anton Baron forderte zudem gezielte Investitionen beispielsweise in marode Infrastruktur. Flächendeckende Subventionen hingegen dürfe es nicht geben.

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