Notruf 110 (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Peter Kneffel)

Lösung bei Notruf 110

Nach Datenschutz-Debatte: Polizei darf Hilfesuchende künftig genau orten

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Henning Otte
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Wer bisher in Not die 110 wählte, durfte nicht immer genau geortet werden. Das soll sich nun ändern, sagen Datenschützer und das Innenministerium in Baden-Württemberg.

Auch beim Notruf 110 soll es künftig möglich sein, den Standort der hilfesuchenden Person genau zurückzuverfolgen. Darauf haben sich nach SWR-Informationen das Innenministerium und der oberste Datenschützer in Baden-Württemberg geeinigt. Wegen rechtlicher Bedenken war eine Nutzung der Ortungsdaten bisher untersagt.

Datenschützer stimmt Pilotversuch zu

Der Landesdatenschutzbeauftragte Tobias Keber stimmte demnach am Montagabend einem bundesweiten Pilotbetrieb zu. Dabei soll es der Polizei in ganz Deutschland erlaubt sein, moderne Technik für die Handy-Ortung zu nutzen.

Keber bestand darauf, dass dabei "Datenschutzvorgaben beachtet werden, insbesondere, dass die Nutzung der Daten durch die Standortübermittlung nur zur Hilfe und nicht zur Strafverfolgung erfolgt, also eine strenge Zweckbindung gegeben ist." Das geht aus einer Mitteilung des Innenministeriums hervor, die nach Angaben von Kebers Sprecher mit dem Datenschutzbeauftragten abgestimmt ist.

Ministerium prüft Gesetzesänderung

Das Innenministerium will im Gegenzug prüfen, ob das Landespolizeigesetz geändert werden muss oder ob sogar Änderungen auf Bundesebene nötig sind. In der Mitteilung heißt es: "Parallel dazu werden die weiteren Schritte zur Schaffung der benötigten Rechtsgrundlage angegangen." Denn der Datenschützer sehe "derzeit keine ausreichende Rechtsgrundlage für die automatisierte Erhebung, Speicherung und Weitergabe" der Daten. "Eine solche Rechtsgrundlage wäre auf Ebene des Landesrechts, möglicherweise auch auf Bundesebene zu schaffen", schreibt das Ministerium.  

Ortungsdaten aus ganz Deutschland auf Server in BW

Bisher war die genaue Ortung beim Polizei-Notruf 110 nicht möglich. Mit einem Notruf über die 110 erreicht man - egal ob vom Festnetz oder vom Handy - die örtliche zuständige Leitstelle der Polizei. Doch wenn man in einer Gefahrenlage oder Notsituation nicht genau wusste, wo man sich befand, konnte das zum Problem werden. Denn die Polizei konnte wegen rechtlicher Hürden Notrufe an die 110 in Baden-Württemberg und in anderen Teilen Deutschlands nicht schnell zurückverfolgen.

Die Ortungsdaten aus ganz Deutschland flossen zwar zentral an einen Server im Schwarzwald - konnten aber wegen der unklaren Rechtslage in Baden-Württemberg bisher nicht abgerufen und weitergeleitet werden. Hintergrund dafür waren Bedenken der Datenschützer, die Polizei könnte die Daten für weitere Ermittlungen nutzen.

Bei Notruf 112 ist Datenübertragung bereits möglich

Feuerwehr und Rettungsdienste sind da bei Notrufen an die Nummer 112 schon weiter. Seit Jahren nutzen die meisten Leitstellen der Rettungsdienste und Feuerwehr für die Ortung das Verfahren "Advanced Mobile Location" (AML). Dabei werden auf dem Smartphone beim Wählen des Notrufs 112 verschiedene Sensoren wie das GPS eingeschaltet und die Daten automatisch übertragen.

Auf einem Bildschirm in einer Zentralen Leitstelle wird das Ortungssystems AML (Advanced Mobile Location) angezeigt. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Frank Rumpenhorst (Archiv))
Feuerwehr und Rettungskräfte dürfen Anrufer schon seit Jahren orten.

Mit 112 alarmiert man Feuerwehr und Rettungswagen

Zur Erinnerung: Der Notruf 110 wird genutzt, um die Polizei zu alarmieren, etwa bei einem Verbrechen oder einem Unfall ohne Personenschaden. Die 112 sollte man wählen, um einen Rettungswagen oder die Feuerwehr zu verständigen. Laut Experten kommen mittlerweile zwei Drittel der Anrufe an die 112 über das Handy. Um schnell zu klären, wohin die Retter kommen sollen, wird zu Anfang nach dem genauen Notfallort gefragt.

Das EU-Recht schreibt die Übermittlung der Ortungsdaten vor. Für den Umgang mit den Daten fehle aber bisher die Rechtsgrundlage, kritisierte der Landesbeauftragte für den Datenschutz. Nur im Einzelfall dürfe der Standort hilfloser Personen ermittelt werden. Allerdings fordere der europäische Gesetzgeber eine automatische Übermittlung des Standorts, sobald man die 110 wähle.

Polizei nutzte bisher alte Technik: Ortung über Funkzelle

Die Polizei musste bisher also mit alter Technik orten, wenn eine Anruferin oder ein Anrufer nicht sagen kann, wo er sich genau befand. Das konnte im Zweifel wertvolle Zeit kosten. Die Polizei nutzte bislang für die Ortung die Funkzelle, aus der ein Anruf kam. In Innenstädten funktionierte das laut Experten in einem Radius von 200 bis 500 Metern, aber in ländlichen Regionen konnten das mehrere Kilometer sein.

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