Ein Mann sitzt in einem Wartezimmer bei der Agentur für Arbeit. Behinderte Menschen haben es mehr als doppelt so schwer, einen neuen Arbeitsplatz zu finden als Menschen ohne Behinderung. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance / Julian Stratenschulte/dpa | Julian Stratenschulte)

Inklusionsbarometer der Aktion Mensch

Studie: Menschen mit Behinderung auf Arbeitsmarkt in BW benachteiligt

Stand

Behinderte Menschen haben es mehr als doppelt so schwer, einen neuen Arbeitsplatz zu finden als Menschen ohne Behinderung. Die Aktion Mensch sieht Arbeitgeber in der Pflicht.

Menschen mit Behinderung werden auf dem Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg laut einer neuen Studie weiter strukturell benachteiligt. Mehr als ein Viertel der verpflichteten Betriebe im Land beschäftigt keine Menschen mit Behinderung. Das geht aus dem Inklusionsbarometer der Aktion Mensch hervor. Die Bonner Hilfsorganisation hatte ihn am Donnerstag veröffentlicht.

Viele Arbeitgeber halten sich nicht an Inklusionspflicht

Die unzureichende Einstellungsbereitschaft stehe einer echten Verbesserung entgegen. Der Anteil der Betriebe, die alle Pflichtarbeitsplätze besetzten, sei 2022 auf knapp 35 Prozent gesunken - der niedrigste Wert seit Erscheinen des ersten Inklusionsbarometers im Jahr 2013. Damit liegt das Land etwas unter dem Bundesschnitt von 39 Prozent.

Zunehmends sind auch Behindertenwerkstätten in der Kritik. Menschen mit Behinderung sollten verstärkt auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten. In den Werkstätten würden sie ausgebeutet, sagen Kritiker. Mehr dazu im Beitrag von "Zur Sache Baden-Württemberg" vom März dieses Jahres:

Arbeitsmarktchancen für behinderte Menschen getrübt

Die Zahl der arbeitslosen Menschen mit Behinderung ist im 2022 zwar zurückgegangen. Im Jahresschnitt sank sie verglichen mit 2021 um 6,2 Prozent auf 15.205. Aber: Die Erholung währte laut der Studie des Handelsblatt Research Institutes nur kurz. Seit März 2023 liege die Zahl wieder höher als 2022.

"Der konjunkturelle Abschwung ist mittlerweile auch auf dem Arbeitsmarkt angekommen", teilte der Präsident des Instituts, Bert Rürup, mit. Die für dieses Jahr erwartete, schrumpfende gesamtwirtschaftlichen Leistung trübe auch die Arbeitsmarktchancen von Menschen mit Behinderung ein. Die Arbeitslosenquote bei Menschen mit Behinderung sei 2022 auf fast acht Prozent gesunken. Sie sei aber mehr als doppelt so hoch wie die allgemeine Quote.

Aktion Mensch: Entwicklung nicht nachvollziehbar

Deutschlandweit zeigt sich für die Zahlen eine ähnliche Entwicklung, aber auf unterschiedlichen Niveaus. Im gesamten Bundesgebiet lag die Arbeitslosenquote behinderter Menschen 2022 bei knapp elf Prozent. Zudem haben Menschen ohne Behinderung laut der Studie eine mehr als doppelt so hohe Chance, einen neuen Arbeitsplatz zu finden als Menschen mit Behinderung.

Für Aktion-Mensch-Sprecherin Christina Marx ist die Entwicklung nicht nachvollziehbar. Viele Unternehmen würden trotz des Fachkräftemangels leichtfertig auf die Potenziale von Inklusion verzichten. "Von einer Gleichberechtigung ist Deutschland noch immer meilenweit entfernt - und das fast 15 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention, die das Recht auf Teilhabe am Arbeitsmarkt beschreibt", kommentierte sie die Lage.

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SWR