Landgericht Heidelberg (Foto: SWR)

Antisemitismus-Vorwurf gegen Burschenschaftler

Prozess um Heidelberger Normannia: "Eine Mauer des Schweigens"

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Das Heidelberger Amtsgericht hat den Prozess gegen vier Burschenschaftler fortgesetzt. Die Angeklagten sollen einen Studenten wegen dessen jüdischer Vorfahren beleidigt und geschlagen haben.

Der Prozess gegen vier Burschenschaftler vor dem Amtsgericht Heidelberg ist am Donnerstag mit Zeugenaussagen fortgesetzt worden. Diese werfen mehr Fragen auf und erschweren die Rekonstruktion der exzessiven Nacht am 29. August 2020 im Verbindungshaus der Heidelberger Burschenschaft Normannia. Die vier Burschenschaftler zwischen 22 und 28 Jahren stehen vor Gericht, weil sie einen damals 25-Jährigen antisemitisch beleidigt, ihn mit Münzen beworfen und mit Gürteln geschlagen haben sollen. Zwei von ihnen gehören der Heidelberger Burschenschaft Normannia an, die beiden anderen sind Verbindungsmitglieder der Kölner Burschenschaft Germania.

Widersprüchliche Zeugenaussagen der Burschenschaftler

Wenn man die Zeugenaussagen hört, möchte man meinen, bei der Stiftungsparty hätten alle einen Filmriss aufgrund hohen Alkoholkonsums gehabt. Oder zumindest: Alle waren da, nur keiner möchte etwas gesehen haben. Mehrere Zeugen verstrickten sich in widersprüchliche Aussagen. Der Partnerin eines Angeklagten droht sogar ein Verfahren wegen Falschaussage.

Die Rekonstruktion einer exzessiven Party

In der Nacht zum 29. August 2020 kam der mutmaßlich Geschädigte auf die Burschenschaftsfeier im Haus der Heidelberger Normannia. Ein damals Unbekannter soll ihn im Laufe des Abends gefragt haben, ob er Jude sei. Er antwortete, dass er eine jüdische Großmutter habe. Kurz danach soll er gegürtelt, antisemitisch beschimpft und mit Münzen beworfen worden sein.

Laut Zeugenaussagen soll der mutmaßlich Geschädigte erst noch weiter mitgetrunken haben, bevor er ging. Der damals 25-Jährige habe selbst das Geschehene erst verarbeiten müssen. Über Chats habe er versucht herauszufinden, wer die Täter gewesen sind. An dem Abend waren auch Vertreter der Burschenschaft Germania aus Köln und einer Burschenschaft aus Saarbrücken anwesend.

Analyse von großen Datenmengen

Die Ermittler hatten es schwer, überhaupt an Aussagen zu kommen. Sie sind auf "eine Mauer des Schweigens“ gestoßen. Dafür haben sie aber eine Vielzahl von Chatverläufen - Gruppenchats und Einzelchats auf WhatsApp und Telegram - ausgewertet. Darunter wirft ein Chat viele Fragen auf. Darin fragte der mutmaßlich Geschädigte, ob er noch kommen dürfe und ob es noch Alkohol gäbe. Die Antwort lautete: "Wenn du kommst, wirst du gegürtelt."

Burschenschaft Normannia (Foto: SWR)
Burschenschaft Normannia

Einige Aussagen relativierten das Schlagen mit Gürteln, das als "freundschaftliches Kappeln" - ähnlich wie Handtuchzwirbeln - gemeint sei, aber an dem exzessiven Abend soll es "boshaft" gewesen sein. Viele Zeugen können bis heute "keine rationale Erklärung finden, wieso es so eskaliert ist". Das Gürteln soll in der Burschenschaft Normannia mit Einwilligung gängig gewesen sein.

Radikalisierte Burschenschaft?

Eine Ermittlerin erzählte aus den Vernehmungen mit dem mutmaßlichen Geschädigten, dass es ihm im Kern nicht um den körperlichen Schmerz, sondern um die Erniedrigung und Ehrverletzung gehe. Es heißt auch: Die Burschenschaft Normannia soll sich während des Lockdowns radikalisiert haben. Es soll bekannt gewesen sein, dass "da gehitlert wird."

Der Prozess hatte am 2. November am Amtsgericht Heidelberg begonnen. Die Anklage lautet: Gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit tätlicher Beleidigung. Der Prozess geht am 5. Dezember weiter, ein Urteil wird am 8. Dezember erwartet.

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