Eine Hand an einer Tank-Zapf-Pistole. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance / dpa | Franziska Kraufmann)

Gegenvorschlag: Mobilitäts- oder Klimageld

Tankrabatt in BW in der Kritik: Chance vertan oder willkommene Entlastung?

Stand

Ab Juni sollen Verbraucher wegen der explodierenden Spritpreise mit einem Tankrabatt an den Tanksäulen entlastet werden. Der Plan der Bundesregierung bekommt überwiegend Gegenwind.

Der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, kritisiert am Dienstag den Tankrabatt als ordnungspolitischen Fehler. Auch Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hält wenig vom Tankrabatt. "Es gibt genügend Leute, die sich eine Tankfüllung leisten können", sagte er im Gespräch mit dem SWR. Seiner Meinung nach würde es mehr Sinn ergeben, einkommensschwache Haushalte zu unterstützen. Der Naturschutzbund in Baden-Württemberg spricht von einer "vertanen Chance". Auch die Logistikbranche und die Verbraucherzentrale zeigen sich wenig begeistert. Allerdings gibt es trotzdem befürwortende Stimmen zur Rabattierung.

BW-Finanzminister Bayaz: verheerendes Signal

"Ab morgen gibt‘s den #Tankrabatt. Ich halte ihn für ein marktwirtschaftlich verheerendes Signal. Außerdem ist er Umverteilung vom Staat hin zu Öl-Multis und Umverteilung innerhalb der Bevölkerung von unten nach oben", schreibt der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) auf der Social-Media-Plattform Twitter.

Ab morgen gibt‘s den #Tankrabatt. Ich halte ihn für ein marktwirtschaftlich verheerendes Signal. Außerdem ist er Umverteilung vom Staat hin zu Öl-Multis und Umverteilung innerhalb der Bevölkerung von unten nach oben. Das ist das Gegenteil kluger, evidenzbasierter Politik. https://t.co/7hzrxj6sUY

Gegenvorschlag: Klimageld für Menschen mit niedrigerem Einkommen

Auch Verkehrsminister Hermann ist alles andere als zufrieden mit dem Rabatt, er unterstütze den Vorschlag von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der sich für ein gestaffeltes Klimageld ausgesprochen hatte, sagte er dem SWR. Menschen mit mittlerem und niedrigem Einkommen sollen demnach jährlich Geld vom Staat bekommen. Das Geld soll aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung kommen. Laut Hermann muss man die Situation nutzen, um eine Verkehrswende anzustoßen - um auf spritfreundliches Fahren oder Elektromobilität umzusteigen.

BUND bevorzugt Mobilitätsgeld zum Tankrabatt

Aus Sicht des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) wäre es besser und zielgenauer gewesen, den Vorschlag von Verkehrsminister Winfried Hermann aufzugreifen und ein Mobilitätsgeld für einkommensschwächere Haushalte einzuführen. "Das Mobilitätsgeld würde Bürgerinnen und Bürger belohnen, die kleine und sparsamere Autos nutzen und damit seltener fahren." Das sei allemal besser als undifferenziert den Autoverkehr mit spritschluckenden Fahrzeugen zu subventionieren, erläutert BUND BW-Landesgeschäftsführer Martin Bachhofer in einer Mitteilung.

Der BUND nennt den Tankrabatt eine "vertane Chance". Bachhofer sieht im Tankrabatt "überdeutlich wie orientierungslos die Verkehrspolitik der Bundesregierung ist." Auf der einen Seite habe man ab Juni ein 9-Euro-Ticket (für den ÖPNV), auf der anderen Seite verbilligte Spritpreise nach dem Gießkannenprinzip.

Verbraucherzentrale befürchtet wenig Nachhaltigkeit

Auch Matthias Bauer von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hält wenig von der Senkung der Energiesteuer. "Die Absenkung wird nicht groß nachhaltig sein. Einen Teil des Kuchens werden sich auch die Anbieter abschneiden", sagte er im Gespräch mit dem SWR. Somit würde der Tankrabatt ein Strohfeuer bleiben und zähle dann für die Bundesregierung zum "Erfahrungsschatz".

Ein viel wichtigerer Punkt sei es Bauers Meinung nach, die Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energiequellen zu senken und geringere Verbräuche zu fördern. Große Fahrzeuge werde man abspecken müssen, die E-Mobilität bekomme dagegen Aufwind. Die Zeiten, in denen man sehr günstig an fossile Brennstoffe komme, seien vorbei. "Wir müssen uns auf ein merklich höheres Niveau bei allen fossilen Energien einstellen", so Bauer.

Ukrainekrieg mache deutlich: Energiesparen sei das Gebot der Stunde

Vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges und der immer deutlicher spürbaren Klimakrise muss das Gebot der Stunde laut BUND Energiesparen sein. Ein Tankrabatt feuere dagegen den Verbrauch fossiler Energien und den CO2-Ausstoß kräftig an. "Der autozentrierten Verkehrspolitik der letzten Jahrzehnte muss in Anbetracht der Klimakrise ein Ende gesetzt werden. Menschen im ganzen Land müssen zukünftig die Möglichkeit haben, ohne eigenes Auto mobil zu sein", fordert der BUND-Landesgeschäftsführer.

Institut der Deutschen Wirtschaft: Politik greift zu sehr in den Markt ein

Der Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, hat die Spritpreissenkung als ordnungspolitischen Fehler und falsches Instrument gegen hohe Kraftstoffpreise kritisiert. "Im Sinne der Ordnungspolitik soll die Politik lediglich in den Markt eingreifen, wenn der Preisanstieg auf missbräuchliche Marktmacht zurückzuführen ist", sagte Hüther der Zeitung "Augsburger Allgemeinen" am Dienstag. Grundsätzlich seien Gießkanneneffekte "schlecht und der Eingriff in die Preisbildung sollte immer die ultima ratio der Politik sein".

"Konsumeinschränkungen wurden in Kauf genommen, weil man die Kräfte der Marktwirtschaft nicht torpedieren wollte." Der IW-Chef bemängelte vor allem die fehlende Zielgenauigkeit der Steuersenkung. "Ein Tankrabatt ist weder verteilungspolitisch effektiv, da er unabhängig von der Bedürftigkeit entlastet, noch ist er unternehmens- beziehungsweise branchenpolitisch treffsicher", sagte Hüther. Außerdem führe die Maßnahme zu zusätzlichen Bürokratiekosten.

Logistikbranche: "Die 17 Cent bringen uns gar nichts."

Auch die Transportbranche selbst lehnt die Subvention ab. "Wir haben von Anfang an gesagt, das geht an unserer Branche vorbei", sagte der Chef des Bundesverbands Güterverkehr und Logistik (BGL), Dirk Engelhardt, der "Augsburger Allgemeinen". "Die 17 Cent bringen uns gar nichts." Angesichts von Preissteigerungen von einem Drittel binnen eines Jahres im Transportgewerbe forderte Engelhardt stattdessen gezielte Zuschüsse für die Fuhrunternehmer, wie sie der Staat während der Corona-Pandemie gewährte.

Tankstellenverband begrüßt die Rabattierung

Jürgen Ziegner, Geschäftsführer des Zentralverbands des Tankstellengewerbes (ZTG), sieht im Tankrabatt allerdings einen wirtschaftlichen Vorteil für Deutschland. "Das deutsche Tankstellennetz blutet momentan von den Grenzen her aus“, sagte er dem SWR. Die Preisabstände in die Nachbarländer - in Baden-Württemberg zum Beispiel nach Österreich - seien zu groß.

In den Grenzgebieten gebe es viel Tanktourismus. Kehrten die Tanktouristen wieder zurück, sei das auch gut für die Wirtschaft in Deutschland. Mit dem Tankrabatt werde man Kunden wieder zurückholen können - sowohl private Kundinnen und Kunden als auch gewerbliche. Seiner Meinung nach hätte man beim Tankrabatt sogar noch weiter gehen können - und zusätzlich die CO2-Abgabe bei Diesel aussetzen können.

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Ab Mittwoch wird die Energiesteuer auf Kraftstoffe für drei Monate deutlich abgesenkt. Bei Benzin sinken die Steuersätze um 29,55 Cent je Liter und bei Diesel um 14,04 Cent. Die Maßnahme ist Teil des Entlastungspakets der Bundesregierung, denn die Spritpreise hatten sich in den vergangenen Monaten stark erhöht. IW-Chef Hüther erinnerte vor diesem Hintergrund auch an die sozialliberale Koalition unter dem SPD-Kanzler Willy Brandt in den 70er Jahren, zu Zeiten der Ölkrise. Selbst die SPD unter Brandt sei laut Hüthner gegen Senkungen von Steuern und Abgaben gewesen.

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SWR