Die Anrede "Mitarbeiter*inne" ist in der Handreichung "Hinweise zur Umsetzung der geschlechtersensiblen Sprache für die Verwaltung der Landeshauptstadt Stuttgart" markiert und auf einem Bildschirm zu sehen. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow)

Verwaltungssprache ohne Binnen-I und Sternchen

Grüne verspotten Strobls Anti-Gender-Plan als "Luftnummer"

Stand

BW-Landesbehörden sollen nicht gendern, plant Innenminister Thomas Strobl (CDU). Der grüne Koalitionspartner ist von der Ankündigung überrascht und zweifelt an der Umsetzbarkeit.

Gendern soll in der Sprache der Landesbehörden in Baden-Württemberg unterbunden werden. Man werde in einer Verwaltungsvorschrift festhalten, dass Sonderzeichen wie Binnen-I und Gendersternchen in der Verwaltungssprache künftig nicht mehr zulässig seien, verkündete Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Dienstag in Stuttgart.

Das würde dann etwa für Schriftverkehr von Ministerien oder Regierungspräsidien gelten. Man würde damit bestehende "Regelungsdefizite heilen", so Strobl. Schulen und Hochschulen sollen von der Regelung zunächst nicht betroffen sein.

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Staatsministerium wurde von Strobls Ankündigung überrascht

Das Staatsministerium von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zeigte sich auf SWR-Anfrage über die Ankündigung verwundert: In offiziellen Dokumenten würden schon jetzt keine Sonderzeichen zum Gendern verwendet, hieß es. Bei den Grünen im Land ist der Ärger über Strobls Plan indes groß, hinter vorgehaltener Hand wird er gar als "Luftnummer" verspottet.

Das Staatsministerium wurde von Strobls Vorstoß offenbar überrascht. Wie der SWR aus Regierungskreisen erfuhr, wurde das Thema Gendern im Kabinett nur informell angesprochen, es war demnach aber nicht auf der Tagesordnung und es gab auch keine Vorlage und keinen Beschluss dazu.

Ein Regierungssprecher sagte dem SWR, schon jetzt sei klar: "In offiziellen Dokumenten werden keine Genderzeichen verwendet." Man werde aber weiterhin darauf achten, "dass die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in unserer Kommunikation zum Ausdruck kommt".

Kretschmann sieht keinen Regelungsbedarf

Grüne und CDU sind sich bei dem emotionalen Thema alles andere als einig. Ministerpräsident Kretschmann, selbst gar kein Freund der Gendersprache, sieht jedenfalls keinen Regelungsbedarf mit Blick auf die Landesbehörden. "Für die Landesregierung ist es ganz einfach: In offiziösen Dokumenten halten wir uns an die Rechtschreibregeln", sagte der Grünen-Politiker am Dienstag.

Auch in der Schule seien Rechtschreibfehler schließlich Rechtschreibfehler. Der Staat müsse sich an das, was er sanktioniere, auch selbst halten. Er sei kein Freund davon, solche "Kulturdebatten" hochzuziehen, sagte Kretschmann. Die Menschen müssten den Eindruck haben, dass Politik in solchen Krisenzeiten die wirklich wichtigen Probleme löse.

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Grüne warnen vor "Genderpolizisten" in Behörden

Bei den Grünen ist der Ärger groß über Strobls Ansage. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, manche Konservative hätten hier wohl einen "Fetisch" entwickelt. Es wird gefragt, wie der Innenminister das überhaupt umsetzen wolle. Wenn er eine entsprechende Initiative ins Kabinett einbringen werde, würden die Grünen sowieso nicht zustimmen. Alternativ könnte Strobl dann eine interne Anweisung für sein Haus und die nachgeordneten Behörden wie die Regierungspräsidien herausgeben. Dann stelle sich die Frage, ob es dann künftig "Genderpolizisten" in jeder Behörde geben solle, die die Vorgaben überwachen sollen. Es sei doch nicht vorstellbar, dass jemand wegen eines Gendersternchens in einer E-Mail sanktioniert werde. Unterm Strich sei das alles eine "Luftnummer".

Grünen-Fraktionsvize Oliver Hildenbrand teilte am Dienstagabend mit, man werde sich nicht von "Verbots-Ideologen" treiben lassen: "Wer schon mit den Formblättern für ein Volksbegehren überfordert ist, empfiehlt sich ganz sicher nicht als Ratgeber für Regelwerke und Gesetze." Es gebe keinen weiteren Regelungbedarf, sagte Hildenbrand. Er wundere sich darüber, "dass diese Verbots-Fantasien für die CDU offenbar so wichtig und verlockend sind".

Volksbegehren gegen Genderpflicht sammelt tausende Unterschriften

Zuvor hatte das Innenministerium einen Antrag für ein Volksbegehren gegen eine Genderpflicht an Schulen und Behörden abgelehnt - aus formalen Gründen. Die Initiatoren hatten tausende Unterschriften gesammelt und eingereicht. In dem Gesetzentwurf heißt es, dass die Landesregierung und die ihr nachgeordneten Behörden sowie alle übrigen Einrichtungen des Landes auf Vorgaben zum Gebrauch geschlechtsneutraler Änderungen und Zusätze verzichten sollten.

Auch die CDU-Fraktion unterstützt die Position der Gender-Gegner - sie lud den Initiator des Volksbegehrens, den Heidelberger Klaus Hekking, am Dienstag in die Fraktionssitzung ein. Hekking hatte kurz vorher Klage beim Verfassungsgerichtshof gegen die Ablehnung des Antrags eingereicht. Er kündigte aber an, die Klage zurückzunehmen, sollte die Landesregierung das Genderverbot nun umsetzen - aber bis dahin wolle er sie aufrecht erhalten. Am Mittwoch sagte Hekking, er sehe das Thema als Ausdruck einer größeren Debatte, das man nicht ignorieren könne: "Dieses Thema Gendern steht neben anderen Themen dafür, dass die Menschen die Nase vollhaben von Bevormundung durch die Regierung. Das ist eine Kulturfrage."

Strobl will zeitnah eine Regelung ins Kabinett einbringen

Gendersprache sei exklusiv, sie baue keine Brücken, sondern reiße Gräben auf, betonte derweil CDU-Fraktionschef Manuel Hagel. Genderzeichen hätten das Potential zu spalten. Hekking erinnerte auch an Blinde oder Hörgeschädigte, denen Genderzeichen das Leben schwer machten.

In der Rechtssprache, also in Gesetzestexten, Verwaltungsvorschriften und Verordnungen, sei das Gendern in Baden-Württemberg bereits nicht erlaubt, sagte Strobl. Er sei bislang davon ausgegangen, dass das auch für die Verwaltungssprache gelte. Dies wolle man nun mit einer Vorschrift festhalten, weil es vereinzelt immer wieder vorkomme, dass in der Landesverwaltung doch gegendert werde, so Strobl. Es gehe dabei um Sonderzeichen wie das Sternchen, die Klammer, den Unterstrich. "Sonst schreibt jeder wie er möchte." Strobl kündigte an, zeitnah eine ergänzende Regelung ins Kabinett einbringen zu wollen.

Diskussion in Deutschland seit Jahren

Seit Jahren wird in Deutschland diskutiert, ob - und wenn ja, wie - männliche Formen in der Sprache durch weiter gefasste Begriffe ersetzt werden können oder sollten - um alle Menschen einzubeziehen. Das Gendersternchen wie bei "Lehrer*innen" ist eine Möglichkeit. Der Rat für Rechtschreibung hat die Auffassung, dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden solle. In der vergangenen Sitzung im Sommer hatte das Expertengremium aber Genderzeichen nicht als Kernbestand der deutschen Rechtschreibung eingestuft.

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