Ein Schild zeigt die Franz-Knapp-Passage in Konstanz. (Foto: SWR, Stefanie Baumann)

Nazis, Kollaborateure und Antisemiten

Entscheidung über Straßenumbenennung in Konstanz verschoben

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Der Konstanzer Gemeinderat wird am Donnerstag nicht wie geplant über die Umbenennung von sechs Straßen in der Stadt entscheiden. Das teilte die Stadtverwaltung am Donnerstag mit.

Die Konstanzer Stadtverwaltung hat die geplante Umbenennung von Straßen kurzfristig von der Tagesordnung des Gemeinderates genommen. Dieser sollte ursprünglich in seiner Sitzung am Donnerstag über die Umbenennung der umstrittenen Straßennamen entscheiden. Es bestehe noch Klärungsbedarf, hieß es in einer Mitteilung der Stadt.

Die Straßen sind nach Menschen benannt, die heute mehrheitlich wegen ihrer Haltung und ihres Wirkens während der Zeit des Nationalsozialismus kritisch betrachtet werden, heißt es in der Vorlage der Stadtverwaltung. Über die Umbenennung der sechs Straßen wird seit Jahren in Konstanz diskutiert: Es sind die Franz-Knapp-Passage sowie die Otto-Raggenbass-, Conrad-Gröber -, Felix-Wankel-, Werner-Sombart und die Hindenburgstraße.

Die Menschen hinter den Straßennamen

Auf der Homepage der Stadt Konstanz sind die Ergebnisse der Expertenkommission und deren Bewertung nachzulesen. Dort findet man zu den sechs Straßen und ihren Namensgebern Informationen. Zum Beispiel zu Franz Knapp. Dem ehemaligen Konstanzer Rechtsrat und Oberbürgermeister wurde bereits die Ehrenbürgerwürde aberkannt. Laut Stadtverwaltung war er Repräsentant des Nationalsozialismus und an der Zerschlagung der jüdischen Gemeinde beteiligt.

Der ehemalige Lehrer und spätere Bezirksstatthalter von Kreuzlingen, Otto Raggenbass, hat in seiner Amtszeit dafür gesorgt, dass jüdische Flüchtlinge an der Grenze restriktiv abgewiesen wurden. Die Juden wurden nach Konstanz zurückgeschickt, wo ihnen Verfolgung und der Tod drohte. Zudem soll der Antisemit gute Verbindungen zur Geheimen Staatspolizei gehabt haben, die für die Verfolgung von politischen Gegnern und Juden verantwortlich war.

Conrad Gröber war Erzbischof der Diözese Freiburg während der Zeit der Nationalsozialisten. Im Volksmund wurde er "der braune Conrad" genannt. Seine Haltung zum Nationalsozialismus ist umstritten. So war er SS-Fördermitglied und hielt antisemitische Predigten, kritisierte aber die Nazis auch für ihre kirchenfeindliche Haltung und das Euthanasie-Programm. Der badische Kulturminister etwa bezeichnete Gröber 1940 als "größten Feind der NSDAP und des nationalsozialistischen Staates". In Freiburg war wegen dieser Haltung Gröbers eine nach ihm benannte Straße nicht umbenannt worden. Das entschied eine Historiker-Kommission im Jahr 2016.

Der Tüftler und Erfinder des nach ihm benannten Wankel-Motors, Felix Wankel, war bereits 1922 Mitglied der NSDAP, später Leiter der Hitlerjugend in Baden und SS-Obersturmbannführer.

Der Soziologe Werner Sombart gilt bei einigen Historikern als Wegbereiter des Nationalsozialismus. Er gehörte zu den Unterzeichnern des Aufrufs "Wissenschaftler für Adolf Hitler". In einem bereits 1911 veröffentlichten Werk äußerte er sich klar antisemitisch. Später distanzierte sich der konservative Intellektuelle von den Nazis.

Der Politiker, Generalfeldmarschall und spätere Reichspräsident Paul von Hindenburg, machte Adolf Hitler 1932 zum Reichskanzler und war somit, so schreibt es die Stadt Konstanz, Steigbügelhalter der Nazis auf dem Weg zur Macht. Er löste den Reichstag auf und setzte die Grundrechte aus, was es den Nationalsozialisten ermöglichte, politische Gegner zu verfolgen und Oppositionelle auszuschalten.

Paul von Hindenburg im Portrait, undatierte Aufnahme, schwarzweiß (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa -)
Paul von Hindenburg

Anwohner im Vorfeld befragt

Der Gemeinderat muss entscheiden, ob die sechs Straßen umbenannt oder aber die Straßennamen erhalten bleiben und mit einem Ergänzungsschild versehen werden. Dabei müsse das öffentliche Interesse gegen das der betroffenen Anlieger abgewogen werden, so die Stadt. Im Vorfeld war eine Straßenbenennungskommission einberufen worden und die Anwohner wurden befragt.

Bürokratische Folgen für die Anwohner

Der Gemeinderat hat drei Möglichkeiten: Der Straßenname wird geändert, er bleibt oder er wird beibehalten und mit einem entsprechenden Infoschild versehen. Sollte eine Umbenennung erfolgen, müssen sich die Anwohner darum kümmern, ihre neue Adresse weiterzumelden, etwa an Banken, Versicherungen oder den Arbeitgeber. Behörden, die Post, Stadtwerke und technische Betriebe werden von der Stadt über die Änderung informiert.

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SWR