Razzia in den Niederlanden

Sprengung von Geldautomaten in BW: Ermittlungserfolg gegen Bande

Stand

Eine Bande soll immer wieder Geldautomaten gesprengt haben - auch in Baden-Württemberg. Bei einer Razzia in den Niederlanden sind nun neun Tatverdächtige festgenommen worden.

Deutschen Ermittlern ist nach eigenen Angaben ein "herausragender Ermittlungserfolg" gegen eine Bande gelungen, die Geldautomaten gesprengt haben soll. Nach mehreren Attacken in Baden-Württemberg und Bayern führten Polizisten demnach bereits am Montag in den Niederlanden eine Razzia durch. Sie durchsuchten mit Haftbefehlen ausgestattet mehrere Objekte in den Provinzen Limburg und Utrecht.

Monatelange Ermittlungen gegen mutmaßliche Bande

Am Donnerstag haben Ermittler des bayerischen Landeskriminalamt (LKA) in München umfangreiche Informationen bekannt gegeben. Die Beamten aus Bayern hatten gemeinsam mit dem baden-württembergischen Landeskriminalamt, der Staatsanwaltschaft Bamberg und den niederländischen Behörden seit mehreren Monaten gegen eine mutmaßliche Bande ermittelt, die 2021 in Bayern und Baden-Württemberg zahlreiche Geldautomaten gesprengt haben soll.

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50 Geldautomaten soll die Bande bundesweit zwischen November 2021 und Dezember 2022 gesprengt haben. In Baden-Württemberg, wo sie 17 Automaten sprengen, sollen sie 1,8 Millionen Euro Bargeld erbeutet haben. Der Sachschaden an den Gebäuden beläuft sich nach Angaben des Landeskriminalamts Baden-Württemberg auf 2,7 Millionen Euro. Weil dabei auch Menschen in Gefahr gebracht wurden, ermittelt die zuständige Staatsanwaltschaft Bamberg in elf Fällen wegen versuchter Tötungsdelikte.

Maskiert im Fluchtwagen unterwegs

Die Tatorte reichen von Aalen über Heidelberg, Mannheim, Möckmühl und Bad Rappenau (beides Kreis Heilbronn) bis nach Gerlingen (Kreis Ludwigsburg) oder Bretzfeld (Hohenlohekreis). Der erste Fall in Baden-Württemberg soll sich am 10. November 2021 in Wolpertshausen (Kreis Schwäbisch Hall) ereignet haben, so das LKA. Die Gruppierung soll in wechselnder Besetzung agiert haben, sie waren immer nachts unterwegs und benutzten als Fluchtfahrzeug einen 600 PS starken Audi RS6. Die Männer waren laut Angaben der Ermittler mit gefälschten Kennzeichen unterwegs und auch im Wagen maskiert, um bei Blitzern und Radarfallen nicht erkannt zu werden. Die letzte Tat in Baden-Württemberg ereignete sich kurz nach Weihnachten, am 27. Dezember in Kappel-Grafenhausen (Ortenaukreis).

Neben einem Tatfahrzeug wurden bei der Durchsuchung in den Niederlanden am Montag mehrere tausend Euro Bargeld und vorgefertigte Sprengpakete beschlagnahmt. Neun Männer im Alter von 25 bis 41 Jahren wurden gefasst, nach drei weiteren werde noch gefahndet.

In Deutschland sind Geldautomaten nicht so gut geschützt

Das Phänomen ist den Ermittlern inzwischen gut bekannt: Allein 2022 attackierten Täter 37 Geldautomaten in Bayern und 34 in Baden-Württemberg. Dort blieb es im vergangenen Jahr zwar in 11 Fällen beim erfolglosen Versuch, doch 23 Mal gelang den Tätern ihr Vorhaben. Im Vorjahr hatte es 24 Angriffe gegeben, 2020 gar 41 großteils erfolgreiche Angriffe. Auch in anderen Bundesländern sind die laut Bundeskriminalamt oft aus den Niederlanden stammenden Banden ein Problem. Bundesweit habe es im vergangenen Jahr 493 solcher Taten gegeben, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) unter Berufung auf das Bundeskriminalamt.

Die Kriminellen gehen vermehrt in Deutschland auf Beutezug, weil in den Niederlanden die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt wurden und die Banken dort gesetzlich verpflichtet sind, Geldautomaten besser zu schützen. Deutschland ist ein attraktives Ziel für organisierte Banden, da hierzulande die Geldautomaten rund um die Uhr zugänglich und meistens auch gut bestückt sind. Dies mag mit der besonderen Vorliebe der Deutschen für Bargeld zusammenhängen.

"Der Banküberfall hat ausgedient, die Geldautomaten-Sprenger kommen, und sie sitzen in unserem benachbarten Ausland", sagte der baden-württembergische LKA-Präsident Andreas Stenger. Ermittler gingen davon aus, dass es viele weitere Gruppierungen gebe. "Einfach weil es sehr lukrativ ist, wenn sie sehen, was da an Beute zu holen ist", sagte Stenger.

Höheres Gefahrenpotential der Explosionen

Dabei zeigt sich bundesweit der Trend, dass die Täterinnen und Täter vermehrt feste Explosivstoffe verwenden. Diese Explosionen haben ein deutlich höheres Gefahrenpotenzial als die zuvor meist verwendete Methode der Sprengung durch eingeleitetes Gas. Oft stehen die Geldautomaten im Erdgeschoss von Häusern, die Sprengung bedeutet zum Teil also auch eine Gefahr für die Anwohnerinnen und Anwohner.

"Die Geldautomatensprengung gilt als Banküberfall der Moderne."

Mit Blick auf die hohe Rücksichtslosigkeit und Skrupellosigkeit der Täter verweist LKA-Sprecher David Fritsch gegenüber dem SWR auf einen Fall vom Juli 2022 in Mannheim. Dort musste eine ältere, leicht verletzte Hausbewohnerin nach der vorübergehenden Evakuierung psychologisch betreut werden. Ihre Wohnung war direkt über der Bank und die Frau hatte mit den psychischen Folgen der Tat zu kämpfen.

Sicherheitsmaßnahmen gefordert

Banken und Sparkassen gehen deshalb inzwischen vermehrt dazu über, ihre Geldautomaten mit technischen Mitteln stärker zu sichern oder den Zugang zu ihren Vorräumen in den Nächten gleich ganz zu blockieren. Doch weil die Zahl von Geldautomatensprengungen seit Jahren steigt, wird von den Banken in Deutschland gefordert, ihre Geldautomaten noch besser zu schützen.

"Die Täterinnen und Täter sprengen sich völlig rücksichtslos den Weg zum Geld frei, riskieren das Leben unbeteiligter Menschen und zerstören Gebäude", sagte der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) im Dezember und auch erneut am Donnerstag.

Er forderte von den Unternehmen sogenannte Einfärbe- und Klebesysteme und Vernebelungstechnik einzusetzen, um Bargeld bei einer Sprengung unbrauchbar zu machen. Das ist bislang in Deutschland nicht vorgeschrieben.

In der Mitteilung spricht Strobl von "Täterinnen und Täter". Auf SWR-Nachfrage, ob dem Innenministerium Erkenntnisse vorliegen, dass unter den Bandenmitgliedern auch Frauen sind, antwortete ein Sprecher: "Die Aussage gilt pauschal für den Tatbestand der Geldautomatensprengungen - sie ist nicht auf den konkreten, heutigen Fall bezogen. Deshalb haben wir die geschlechterumfassende Formulierung gewählt."

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