Hochumstritten unter Tierschützern

Eisbären im Zoo: Ist die Haltung in Tierparks noch zeitgemäß?

Stand

Von Autor/in Nicolas Friese

Der Karlsruher Zoo zeigt erste Bilder des neugeborenen Eisbär-Babys. Die Haltung der weißen Riesen ist umstritten, könnte aber eine große Rolle für die Zukunft der Spezies spielen.

Die Haltung von Eisbären in Zoos ist umstritten. Während Zoos darauf verweisen, dass die Haltung der Tiere für die Aufrechterhaltung der Spezies notwendig sei, spricht die Tierrechtsorganisation Peta von "artwidrigen Bedingungen", unter denen die Tiere in Zoos leiden würden.

Als Anfang November die Geburt eines Eisbär-Babys im Karlsruher Zoo anstand, fieberten viele aus der Region mit: Wird das Tier die Geburt überleben? Mitte Januar kam dann die Entwarnung: Dem Tier gehe es gut, bestätigten die Zuständigen aus dem Zoo. Sogar erste Filmaufnahmen des Kleinen wurden veröffentlicht.

Drei Eisbären leben in Baden-Württemberg, alle im Zoo Karlsruhe

Das Karlsruher Eisbär-Baby ist eines von rund 30 Eisbären, die derzeit in deutschen Zoos leben. Der Zoo Karlsruhe, dessen Wappen ein Eisbär ziert, ist mächtig stolz auf das Junge.

Denn die Eisbären in Karlsruhe sind derzeit die einzigen in Baden-Württemberg. In der Stuttgarter Wilhelma leben bereits seit 2018 keine Eisbären mehr: Mit dem Tod der Eisbärdame Corinna beschloss der Zoo die Haltung von Eisbären, die vorwiegend von der Bekanntheit des Eisbär-Babys Wilbär geprägt wurde, nicht weiterzuführen.

Stuttgarter Wilhelma hält seit 2018 keine Eisbären mehr

Auf Anfrage sagt der zoologisch-botanische Garten in Stuttgart, man wolle sich nicht zur Haltung von Eisbären äußern, schließlich sei man nicht mehr davon betroffen. 2020 gab die Wilhelma bekannt, man könne das Eisbärengehege nicht ohne gewaltigen Aufwand so anpassen, "dass hieraus ein modernes, auf längere Sicht zukunftsfähiges Gehege für Eisbären entstünde". Dort, wo früher Eisbären gelebt haben, befindet sich der Bereich für Geparden.

Dass Eisbär-Babys in deutschen Zoos besondere mediale Aufmerksamkeit genießen, ist keine Seltenheit. Neben Wilbär aus Stuttgart ist der wohl prominenteste Fall der des Eisbär-Babys Knut.

Eisbären-Babys sind in Deutschland teilweise zu "Stars" geworden

Karlsruhe

Stimme zum ersten Mal zu hören Wie geht’s eigentlich dem Eisbärennachwuchs im Karlsruher Zoo?

Anfang November kamen im Karlsruher Zoo zwei Eisbärenbabys zur Welt. Gesehen hat sie seitdem niemand, jetzt gibt es aber die ersten Tonaufnahmen.

Nach seiner Geburt 2006 bewegten die Bilder des kleinen Knut aus Berlin Tausende Menschen dazu, das Eisbär-Baby im Tierpark zu besuchen. Nachdem sowohl die Mutter des Tieres als auch der Pfleger, der eine besondere Rolle beim Heranwachsen des Eisbärs eingenommen hatte, verstarben, litt Knut jedoch unter massiven Verhaltensstörungen. 2011 ertrank er nach einem epileptischen Anfall vor den Augen der Besucherinnen und Besucher im Berliner Zoo.

Karlsruher Zoo möchte Aufmerksamkeit für Artenschutz nutzen

Der Karlsruher Zoo möchte die Aufmerksamkeit, die dem im November geborenen Eisbären zukommt, nutzen, um auf Arten- und Klimaschutz aufmerksam zu machen. Es gehe darum, die Besucherinnen und Besucher zu sensibilisieren, erläutert Timo Deible vom Karlsruher Zoo. "Wenn das Tier vor den Zoogästen steht, wirken diese Themen nicht mehr so abstrakt."

Deible betont die große Bedeutung der Eisbärhaltung in Zoos für die Zukunft der Spezies: die Zahl der in freier Wildbahn lebenden Tiere, laut Weltnaturschutzunion IUCN sind es zwischen 20.000 und 25.000, schrumpfe kontinuierlich. "Wegen des Klimawandels schmilzt den Tieren der Lebensraum unter den Pfoten weg." Deswegen ist im Karlsruher Zoo der Ausstieg aus der Haltung "überhaupt kein Thema". Im Gegenteil: "Es braucht jeden Zoo, um das Erhaltungszuchtprogramm weiter zu bringen".

Genetisch wertvollster Eisbär lebt derzeit in Karlsruhe

Im Rahmen des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) tauschen sich Zoos europaweit aus, um gezielt die Zucht von in Zoo gehaltenen Tieren zu koordinieren. Dem Karlsruher Zoo wurde im vergangenen Jahr als einzigem Zoo in Deutschland eine Zuchtempfehlung vom EEP für Eisbären ausgesprochen. "Grund dafür ist unser Kap", sagt Deible, "der genetisch wertvollste Eisbär im gesamten Erhaltungszuchtprogramm. Und der lebt derzeit bei uns in Karlsruhe."

In ein paar Jahrzehnten können wir Eisbären wieder auswildern.

"Wenn es irgendwann notwendig wird", sagt Timo Deible, "könnten wir als Zoogemeinschaft auch Eisbären aus der Erhaltungszucht auswildern. Gerade für Bestandsstützungen kann das vielleicht in einigen Jahrzehnten notwendig werden." Früher sei das zum Beispiel bei Luchsen undenkbar gewesen, heute werden die Tiere im Schwarzwald ausgewildert. Ähnlich, wenn auch komplizierter, könne das mit Eisbären geschehen, berichtet Deible.

Haltung von Eisbären ist unter Tierschützern hochumstritten

Die Haltung von Eisbären ist hochumstritten. Laut der Tierrechtsorganisation Peta gibt es kaum eine Tierart, die so deutlich unter den artwidrigen Bedingungen im Zoo leide, wie die weißen Riesen. Bemerkbar mache sich das bei den Tieren unter anderem mit Verhaltensstörungen, wie das Hin- und Herschwenken ihres Kopfes, sagt Yvonne Würz, Fachreferentin für Tiere in Zoos der Tierrechtsorganisation. "Die in Deutschland geltenden Richtlinien zur Haltung von Eisbären sind nicht geeignet, um den Bedürfnissen der Tiere gerecht zu werden", fügt sie hinzu.

Weil in der Natur Eisbären Gebiete von hunderten bis tausenden Quadratkilometern zur Verfügung stehen, "kann kein Zoo der Welt einem Eisbären Lebensverhältnisse bieten, die als artgemäß zu bezeichnen sind." Das Argument der Zoos, man sehe die Tiere als Botschafter für mehr Klimaschutz, kann Würz nicht nachvollziehen: "Dieses Scheinargument rechtfertigt die Haltung in Zoos und das damit einhergehende Leiden nicht."

Tierschützer kritisieren Zoos für die Haltung von Eisbären

Für Yvonne Würz von der Tierrechtsorganisation Peta veranschaulicht das "traurige Beispiel" von Knut, wie Tierbabys in Zoos zu Werbezwecken ausgebeutet würden. "Das von Hand aufgezogene Eisbär-Baby bescherte dem Berliner Zoo Gewinne in Rekordhöhe", sagt sie. Sobald die Eisbären jedoch älter werden, ebbe das öffentliche Interesse ab, "dann werden die Tiere meistens weitergereicht".

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Kommentare (5)

Bisherige Kommentare
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  1. Kommentar von
    Lena
    Verfasst am

    Absolut nicht zeitgemäß. So wie man heute über Wale in Delfinarien denkt und diese nach und nach Gott sei dank aussterben oder es keine Zirkusse mit kleinen Menschen mehr gibt, so wird es auch mit den "klassischen" Zoos mal sein. Die Menschheit wird sich schämen, Tiere so lange gequält zu haben und nicht verstehen, wie man das tun konnte. Es ist erschreckend und bringt einen zur Verzweiflung dass heutzutage so viele Menschen empathielos und schlicht uninformiert sind. Ich finde es auch schrecklich, dass ein seriöseres Journal wie Ihres das nicht richtig einordnet. Ich wünsche mir keine Zoosendungen sondern Aufklärung über Zoos und auch über Zirkusse, die es ja leider immernoch mit Wildtieren gibt (Elefanten werden durch Schläge mit Eisenstangen, Nägel in der Haut, Hungern lassen etc konditioniert um Kunststücke zu machen etc...) Das wäre mal sehenswert!!

  2. Kommentar von
    Marie Zieger
    Verfasst am

    Zoos generell(!!) sind nicht zeitgemäß. Die Werbung von Zoos - Auswilderung, Aufklärung etc - sind faktisch einfach falsch und leicht zu widerlegen - bitte ladet doch einfach Robert Marc Lehmann ein anstatt Zoo-Reportagen als Unterhaltung (kotz!!) zu verkaufen. Es wird kaum wirklich kaum ausgewildert, kleine Arten mal, aber sicher keine Eisbären. Aufklärung findet kaum in Zoos statt, Kinder kommen nicht schlauer heraus, eher noch dümmer, da sie dort sehen, wie sich gequälte Tiere nunmal verhalten - was jedoch nicht dem Verhalten der in Freiheit lebenden Tieren entspricht. Wenn die Eisbären wegen uns (Klimawandel) aussterben, dann ist das so. Immerhin wurden sie dann nicht gequält u mussten Jahre leiden. Für Dinosaurier interessieren sich so viele Menschen und haben sie nie in echt gesehen. Außerdem gibt es immer mehr virtuelle Ausstellungen- in dieser Form sehe ich moderne Zoos, nur da!

  3. Kommentar von
    Gerhard Weidle
    Verfasst am

    Eisbären brauchen eine angemessen große Eisfläche, um ihr Überleben sichern zu können. Junge oder kranke Robben oder Pinguine und Fische. Es scheint so, als ob die Arktis diese flächen nicht mehr bieten kann. Die Polkappen schmelzen permanent ab und die geschlossene Eisdecke ist Geschichte. Schlechte Aussichten für alle Lebewesen an den Polen. Und wir, wie gehen wir damit um ? Mit Achselzucken vielleicht ? Nun, wenn die Polkappen abgeschmolzen sind, befindet sich der Nordseestrand etwa bei Frankfurt. Dann ist für unsere Nachkommen auch nicht mehr genügend Fläche da. Das Wasser hat uns verdrängt, wie die Eisbären auch vor X Jahren. Wäre es Angesichts solche Szenarien nicht endlich Zeit für Gegenmaßnamen ? Achselzucken bewirkt da auch nichts mehr. GW

  4. Kommentar von
    Finescu
    Verfasst am

    Da die Population in Freiheit auf mehr als 25000 Tiere angewachsen ist und ihnen weiterhin dort keine Gefahr droht (aktueller Stand der Wissenschaft(!)), im Gegensatz zu dem was ICUM behauptet, braucht es in Zoos keine "Zuchtprogramme zur Erhaltung der Population" und damit könnten die Haltung dieser Tiere dort beendet werden.

  5. Kommentar von
    Marina
    Verfasst am

    Sind wir doch froh, dass gefährdete bzw. zum Teil ausgestorbene Tiere noch in Zoos und Tierparks unter viel Bemühungen leben dürfen. Irgendwann kann man Tiere nur noch in Büchern oder Filmen ansehen.

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