Die Gesellschaft steht vor vielen Herausforderungen im alltäglichen Zusammenleben. Die Parteien haben für die Landtagswahl 2021 Rheinland-Pfalz viele Ideen dazu entwickelt. (Foto: SWR)

Bertelsmann-Untersuchung im Auftrag der Landesregierung

Zusammenhalt der Menschen in BW laut Studie durch Corona deutlich gesunken

Stand

Die sozialen Kontakte und das Vertrauen in die Politik nehmen ab, Verschwörungstheorien bekommen weiter viel Aufmerksamkeit. Das zeigt eine Bertelsmann-Studie über den Zusammenhalt der Menschen im Land.

Wie hat die Corona-Pandemie das Miteinander und den Zusammenhalt in Baden-Württemberg verändert? Das wollte die grün-schwarze Landesregierung mithilfe einer Studie der Bertelsmann Stiftung herausfinden. Am Mittwoch wurden die Ergebnisse dazu vorgestellt.

Hier eine Übersicht:

Zusammenhalt in BW wird deutlich schwächer bewertet als 2019

Die aktuelle Studie zeigt, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt in Baden-Württemberg seit 2019 deutlich schwächer geworden ist. Demnach liegt der Prozentsatz der Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg, die den Zusammenhalt in Deutschland gefährdet sehen, bei 48 Prozent und ist damit in fünf Jahren insgesamt um gut 10 Prozentpunkte gestiegen. Außerdem bewertet auch erstmals nur noch eine Minderheit im Land den Zusammenhalt in ihrem eigenen Wohnumfeld als positiv. Das war früher anders (s. Grafik).

Vertrauen in Landesregierung gesunken

Die Untersuchung zeigt laut den Verfasserinnen und Verfassern auch, dass nicht alle Bevölkerungsgruppen das gleiche Ausmaß an gesellschaftlichem Zusammenhalt wahrnehmen. Unter anderem erleben Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund, ärmere Menschen oder Menschen mit geringerer Bildung den Zusammenhalt in der Gesellschaft schwächer als andere.

Vor allem sind das aber laut der Studie Menschen, die das Gefühl haben, die Politik habe in der Pandemie nicht genug für sie getan. Hier zeigt die Befragung durch die Bertelsmann Stiftung, dass zum Beispiel das Vertrauen in den Landtag und die Landesregierung in Baden-Württemberg deutlich abgenommen hat.

Corona-Pandemie soll jüngere Menschen mehr belastet haben

Vor allem viele Jugendliche beurteilen die Arbeit der Politik in der Corona-Pandemie laut der Studie als schlecht. Außerdem geht aus der Studie hervor, dass vor allem junge Menschen in Baden-Württemberg unter der Pandemie gelitten hätten. Etwa 65 Prozent der Jugendlichen im Vergleich zu 56 Prozent aller Befragten sind der Meinung, dass die Bedürfnisse von Jugendlichen in der Pandemie nicht hinreichend berücksichtigt wurden.


Zwar bezeichnen 80 Prozent der jungen Menschen in Baden-Württemberg den eigenen Wohnort als guten Ort für Jugendliche, um dort aufzuwachsen. Jedoch sind nur jeweils rund ein Drittel der Befragten der Meinung, es gäbe bei ihnen vor Ort ausreichende Unterstützungsangebote, Freizeitangebote, Ansprechpersonen oder Orte, an denen sich die Jugendlichen treffen können.

Drei Jugendliche sind von hinten zu sehen, während sie auf ein Haus zulaufen. (Foto: picture-alliance / Reportdienste,  Philipp Schulze)
Ein Großteil der befragten Jugendlichen sieht seine Bedürfnisse während der Pandemie nicht ausreichend berücksichtigt.

Junge Menschen leiden psychisch häufiger als Menschen über 24

Auch psychisch leide die Altersgruppe der 16- bis 24-Jährigen überproportional häufiger unter den Folgen der Pandemie, heißt es in der Studie weiter. Gegenüber den älteren Befragten fühlen sich rund doppelt so viele Jugendliche nervöser und ängstlicher und haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren oder Entscheidungen zu treffen.

Jugendliche haben nach den Ergebnissen der Studie eher den Eindruck, dass auch die Konflikte in der Bevölkerung insgesamt zugenommen haben. Letztlich sind sie ebenfalls etwas stärker davon überzeugt, dass die Gesellschaft geschwächt aus der Krise hervorgehen wird.

Sozialleben hat sich während der Pandemie stark reduziert

Auch der Rest der Befragten zeigt aktuell einen deutlichen Unterschied bei den Fragen zu sozialen Kontakten als noch 2019. Der Anteil an Menschen in Baden-Württemberg, die nun angeben, einen sehr oder eher kleinen Freundeskreis zu haben, hat sich im Vergleich zu 2019 verdoppelt - von knapp 22 auf gut 41 Prozent.

Noch drastischer sind die Unterschiede, wenn die Bürgerinnen und Bürger nach privaten Treffen mit Freundinnen und Freunden, Bekannten oder Arbeitskolleginnen und -kollegen gefragt werden. Gaben 2019 noch über die Hälfte (53 Prozent) an, sich häufig zu verabreden, sind es 2022 nur knapp 27 Prozent - ein Rückgang um 26 Prozentpunkte.

Zwei Frauen, die sich herzlich umarmen und dabei lachen (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)
Viele Menschen gaben bei der Befragung an, dass sich ihr Freundeskreis während Corona verkleinert hat.

Potenzial für Verschwörungstheorien bleibt hoch

Die Studie der Bertelsmann Stiftung hat sich im Zuge der Corona-Pandemie auch mit Verschwörungstheorien beschäftigt. Die Verantwortlichen gehen zwar davon aus, dass diese nicht zugenommen haben, allerdings lesen sie aus ihrer Befragung, dass sich deren Anhänger stark mobilisiert hätten und eine enorme Aufmerksamkeit erfahren.

Das Potenzial für Verschwörungsglauben sei aktuell immer noch sehr hoch, heißt es mit Bezug auf die Daten. In der Befragung gaben über 40 Prozent an, dass sie der Meinung sind, die Regierung verschleiere bei vielen Ereignissen die Wahrheit. Über 50 Prozent der Befragten glauben, dass die Öffentlichkeit über viele Dinge nie informiert wird und von den Politikerinnen und Politikern über ihre wahren Motive normalerweise im Dunkeln gelassen wird.

Ein Drittel ist demnach außerdem der Meinung, es gebe geheime Organisationen, die großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben. Rund ein Viertel der Befragten vertritt die Auffassung, die Regierung überwache die Bürgerinnen und Bürger genau und Ereignisse, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, seien oft das Ergebnis geheimer Aktivitäten.

In der Corona-Pandemie glauben mehr Menschen an Verschwörungsmythen. Wieso sind die gerade in Krisenzeiten so attraktiv und was hilft, um Betroffene beim Ausstieg zu unterstützen? Mehr dazu im Radiobeitrag vom 9.7.2021:

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Was zieht die Landesregierung aus der Studie?

Die Verfasserinnen und Verfasser der Studie geben der Landesregierung auch Empfehlungen, was in Baden-Württemberg verbessert werden kann, damit der Zusammenhalt in der Gesellschaft wieder wächst. Sie empfehlen unter anderem, dass die vulnerablen Gruppen mehr unterstützt werden oder auch eine klarere und verlässlichere politische Kommunikation.

Außerdem sollte das soziale Leben der Menschen in Form von Festen, Veranstaltungen und Vereinsleben mehr unterstützt werden. Es wird auch empfohlen, die psychoemotionalen Belastungen der Menschen durch die Pandemie gezielt zu bekämpfen und den Jugendlichen in Baden-Württemberg mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

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SWR