Gesundheit

Wer länger arbeitet, ist früher tot

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AUTOR/IN
Anja Braun

Ein späterer Renteneintritt erhöht die Sterblichkeit. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des EPoS Research Centers an der Universität Mannheim. Auch Merkmale wie die körperliche und psychosoziale Belastung, der Selbstwert bei der Arbeit und das Qualifikationsniveau haben jeweils einen Einfluss.

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Späte Rente mit Nebenwirkungen

Politisch ist es erstrebenswert, wenn wir später in Rente gehen, denn dann zahlen wir länger in die Rentenkasse ein und erhalten erst später Geld daraus.

Das ist angesichts der demographischen Entwicklung in Deutschland kaum anders machbar. Aber ein späterer Renteneintritt hat auch Nebenwirkungen – denn er kann eine geringere Lebenserwartung bedeuten.

Späterer Renteneintritt erhöht Sterblichkeit

Das Forschungsteam der Universitäten Barcelona und Mannheim hat untersucht, ob es zwischen Sterblichkeit und Renteneintrittsalter einen Zusammenhang gibt. Und sie konnten empirisch nachweisen, dass ein späterer Renteneintritt die Sterblichkeit erhöht.

Bausektor und Berufe mit viel psychischem und sozialem Stress besonders betroffen

Durch die Verschiebung des Renteneintrittsalters von 60 auf 65 Jahre steigt das Sterbe-Risiko also mit jedem Jahr, das länger gearbeitet wird. Aber nicht pauschal, bestimmte Gruppen sind besonders betroffen:

Wir konnten zeigen, dass der Anstieg der Sterblichkeit bei denjenigen stärker ist, die in Branchen mit einer sehr hohen Anzahl von Arbeitsunfällen gearbeitet haben. Zum Beispiel im Bausektor. Und wir haben festgestellt, dass die Sterblichkeit bei Personen in Berufen mit hoher psychosozialer Belastung stärker ist – also bei denen, die im Beruf ein hohes Maß an psychischem und sozialem Stress erleben.

Längerer Verbleib im Job kann auch positive Effekte auf Lebenserwartung haben

Doch wie geht das zusammen mit den zahlreiche Studien, die zeigen, dass ein längeres Verbleiben im Job die geistige Fitness und das soziale Netzwerk fördert und die Menschen so "jünger" erhält.

Das ist kein Widerspruch, sagt Wirtschaftswissenschaftlerin Han Ye. Aber es greift eher bei Menschen mit höherem Qualifikationsniveau. Und dazu kommt es auch stark auf das Arbeitsumfeld der einzelnen Personen an.

Flexible Lösungen für einen besseren Übergang in den Ruhestand

Einen Ausweg bietet der schrittweise Übergang in den Ruhestand. Genau das haben in Spanien zahlreiche Menschen versucht – sie haben zunächst eine Teilrente beantragt. Und unter diesen Teilrentnern war die Sterblichkeitsrate deutlich niedriger.

Außerdem empfiehlt die deutsch-spanische Forschungsgruppe, eine weitere Anhebung des Rentenalters grundsätzlich mit einer besseren Gesundheitsvorsorge zu koppeln. 

Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Die 20-Stunden-Woche für alle – Mehr als eine Utopie?

Wir wollen in dieser neuen Folge endlich mal ein bisschen träumen, und natürlich auch realistisch prüfen: Wäre es machbar, dass alle weniger arbeiten? Denn das ist ja fast schon der Zeitgeist: Ein Termin jagt den nächsten und Freizeit, auch Freunde, müssen hinten anstehen. Außerdem ist Arbeit noch sehr ungleich und ungerecht verteilt. Viele Menschen arbeiten sehr viel mehr als andere - dafür aber schlechter bezahlt. Da hilft auch die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit nicht.

Dass diese Arbeits- und Zeitkultur in den westlichen Industriestaaten nicht alternativlos ist, zeigt die Journalistin Teresa Bücker in ihrem neuen Buch "Alle Zeit". Damit ist sie nicht die Erste. Auch die Soziologin Frigga Haug hat schon mit ihrer sogenannten 4-in-1-Perspektive für eine Neubewertung und Neugestaltung von Arbeit plädiert. Wenn es nach ihr ginge, gäbe es vier Arten von Arbeit. Die klassische Erwerbsarbeit ist nur ein Teil davon und füllt den Tag nicht mehr als vier Stunden aus.

Diese Utopien diskutieren wir und hören auch den Altenpfleger Manuel Wiegert, der bis zu seinem Burnout 400 Überstunden ansammelte. Er berichtet davon, wie es sich anfühlt, eindeutig zu viel zu arbeiten. Und dann liegen bei solchen Utopien auch allerlei Stolperfallen bereit. Was passiert zum Beispiel, wenn die Care-Arbeit, also die Sorge um Familie, vom Staat bezahlt werden würde, wie das viele Feministinnen fordern? Davor warnt die Journalistin und Autorin Mirna Funk.

Habt ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de

Hosts und Redaktion: Kristine Harthauer und Philine Sauvageot

WEBLINKS und HINWEISE
Teresa Bückers Buch "Alle_Zeit: Eine Frage von Macht und Freiheit. Wie eine radikal neue, sozial gerechtere Zeitkultur aussehen kann" ist am 19. Oktober 2022 bei Ullstein erschienen.

Mirna Funks Buch “Who Cares. Von der Freiheit Frau zu sein” ist im Mai 2022 bei dtv erschienen.

Hier noch Mirna Funks erwähnter Artikel in der NZZ zur Care-Arbeit:
https://www.nzz.ch/meinung/care-arbeit-ist-der-kampfbegriff-einer-schieflaufenden-feministischen-debatte-ld.1706193?reduced=true

Arbeitswelt Generation Freizeit – Warum Arbeit für Berufseinsteiger nicht alles ist

Sie achten auf Work-Life-Balance, Sinnhaftigkeit im Job und ihre mentale Gesundheit: Für die Gen Z ist Arbeit nicht alles. Angesichts von Fachkräftemangel können sie viel fordern. Könnte die 4-Tage-Woche ein Modell der Zukunft sein? Von Vera Pache (SWR 2022/2024) | Manuskript und mehr zur Sendung: http://swr.li/berufseinsteiger-freizeit | Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: wissen@swr2.de | Folgt uns auf Mastodon: https://ard.social/@SWR2Wissen

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