Leben im All

Fitnesstraining auf der ISS

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Julia Nestlen
ONLINEFASSUNG
Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

Eine Reise ins All macht dem menschlichen Körper ganz schön zu schaffen. Flug und Schwerelosigkeit sind Extremsituationen für den menschlichen Körper. Spezielle Trainings für Astronauten sollen sie auf die Zeit im und vor allem aber auf die Zeit nach dem All vorbereiten.

Die ersten 8 Minuten des Raketenstartes belasten Astronauten am meisten

Ramona Ritzmann erforscht, was die Reise ins All mit dem Körper macht. Die Sportwissenschaftlerin der Universität Freiburg betont, dass gerade der Raketenstart besonders belastend für den menschlichen Organismus ist.

Die Sojus Rakete hat eine maximale Beschleunigung von 5 g. Mit g bezeichnen Wissenschaftler das Maß für die sogenannte „Erdschwerebeschleunigung“. So lässt sich die Gravitationskraft bestimmen. 5 g ist ein extremer Wert: während der Beschleunigung eines PKWs wirkt auf die Insassen eine Beschleunigung von ca. 0,3 g, der Pilot eines Formel-1 Rennwagens erfährt beim Start 1-1,5 g. Wegen der massiven Belastung sind die Astronauten beim Start festgeschnallt, unbeweglich, und versuchen, das Bewusstsein nicht zu verlieren. Astronauten werden darauf vorbereitet, immer noch handlungsfähig zu sein unter diesen speziellen g-Bedingungen.

Nach gerade mal 8 Minuten ist die Sojus-Kapsel im Weltraum angekommen. Sie hat ihre Endgeschwindigkeit von 28.000 km/h erreicht und schwenkt 100 Kilometer über der Erde in die Umlaufbahn ein. Erst wenn die letzten Raketen abgetrennt werden, setzt von einer Sekunde zur nächsten schlagartig die Schwerelosigkeit ein.

Schwerelosigkeit ist ein angenehmes Gefühl

Das bestätigen auch die Teilnehmer von Parabelflügen, bei denen ein paar Sekunden Schwerelosigkeit ermöglicht werden.

Im Weltraum nähert sich die Crew in der Umlaufbahn allmählich der ISS an. Bis zum Andocken kann es zwischen sechs Stunden bis zu mehr als zwei Tagen dauern. Mittlerweile sind die ersten Effekte der Schwerelosigkeit auf den Körper zu sehen und zu spüren. Denn die Schwerelosigkeit ist für die Gleichgewichtssinne, besonders das Innenohr, erstmal verwirrend.

Der Körper stellt sich schnell auf die Schwerelosigkeit ein

Der Körper blendet einfach die Gleichgewichtsinformationen des Innenohrs aus -- ohne Gravitation ergeben sie keinen Sinn mehr. In der Schwerelosigkeit sind dann die die Augen entscheidend für den Gleichgewichtssinn. Außerdem verteilen sich die Flüssigkeiten im Körper um. Ein roter Kopf ist daher ein typisches Phänomen bei Astronauten.

Ohne Schwerkraft wird das Herz schwächer

Auch das Herz muss nicht mehr gegen die Schwerkraft pumpen, es wird schwächer. Eigentlich kein Problem - bis die Astronauten nach Monaten im All wieder zur Erde zurückfliegen. Dann sollen Herz, Muskeln und Körper ja so gut funktionieren wie vorher. Darum müssen die Astronautinnen und Astronauten zielgerichtet trainieren. Alexander Gerst ist seit über 100 Tagen auf der Internationalen Raumstation ISS. Seine Tage sind durchgeplant: 16 Stunden Arbeit, 8 Stunden Freizeit und zweieinhalb Stunden Ausdauer- und Krafttraining am Tag.

Astronauten brauchen zweieinhalb Stunden Fitness Training täglich

Für Muskeln, Knochen, Herz und Kreislauf. Auf dem Laufband, dem Fahrradergometer und mit einigen Hilfsmitteln ist auch Krafttraining möglich. An der Entwicklung des idealen Fitnessprogramms arbeiten Wissenschaftlerinnen wie Ramona Ritzmann mit Ingenieuren zusammen. Denn auf der ISS erzeugen die Astronauten und Sportgeräte Kräfte, die sich nicht auf die Raumstation übertragen dürfen.

Die Sportgeräte werden vereinfacht gesagt an Federn in der ISS „aufgehängt“. So fliegen die Geräte nicht unkontrolliert umher und die Federn dämpfen entstehende Kräfte ab. Natürlich gibt es auch Alltagsprobleme auf der ISS. Die Astronauten fliegen zwar topfit auf die Raumstation, trotzdem kann man sich auch im Weltall einen Schnupfen einfangen - den sogenannten Astronautenschnupfen.

Das Immunsystem funktioniert in der Schwerelosigkeit extrem schwerfällig

Man weiß inzwischen, dass das Immunsystem in Schwerelosigkeit nicht vernünftig funktioniert. Das liegt daran, dass bestimmte Immunzellen sich im Körper bewegen. Und diese Bewegung hängt von der Gravitationskraft ab. „Dadurch weiß man: auf der ISS einmal Bindehautentzündung, immer Bindehautentzündung und einmal Schnupfen, immer Schnupfen. Es gibt schon das Potential, zu gesunden, aber man hat festgestellt, dass die Genesung verändert ist und länger dauert im Vergleich zur Erde“, erklärt Ritzmann.

Die größte Herausforderung für den menschlichen Körper ist die Rückkehr zur Erde

Deshalb forschen Wissenschaftler, , Weltraumagenturen und die Astronauten auf der ISS selbst daran, wie der menschliche Körper noch besser mit der Schwerelosigkeit und Raumfahrten umgehen kann. Das ferne Ziel ist, Menschen zum Mars zu schicken. Und die Reise hin und zurück dauert mindestens zweieinhalb Jahre.

Video: Ramona Ritzmann forscht für die Raumfahrt (SWR Landesschau)

tt